Kunstmessen

Berlin

2009:Nov // Thomas Wulffen

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11-2009











Kann man Äpfel mit Birnen vergleichen? Sicherlich würde jeder dieser Frage zustimmen. Schließlich handelt es sich bei den genannten Objekten um Obst und damit ist eine vergleichende Gegenüberstellung erlaubt. Diese Frage kommt einem in den Sinn angesichts der Messeveranstaltungen zum Kunstherbst in Berlin. Unterschiedlichste Formate konkurrieren untereinander und mit sich selbst. Letzteres erscheint paradox, aber im Lauf der Zeit klärt sich auch das. Das soll wortwörtlich genommen werden, denn die Kunstmetropole Berlin gäbe es heute nicht, wäre da nicht der Durchbruch der Mauer gewesen vor zwanzig Jahren. Der Epochenwandel danach hat auch die europäische und deutsche Kunstlandschaft verändert. Allerdings muss man schon sehr genau nach den Reflexen auf diesen Wandel suchen und man wird nur wenige finden.

Art Forum Berlin

Geschäfte und Geschichte passen nur selten zusammen und das wird in diesem Kunstherbst deutlicher denn je. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Zentralgestirn des Kunstherbsts, das Art Forum im tiefen Westen Berlins unter neuer Leitung einen Schritt in die nahe Zukunft wagt. Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch kommen von der Art Basel und wecken in ihrer ersten Vorstellung hier in Berlin Erinnerungen an Basel. Es ist ihnen gelungen, ‚verlorene‘ Galerien wie Neugerriemschneider oder Max Hetzler wieder ins Boot zurück zu holen. Selbst Sprüth/Magers sprangen ein, als eine andere Galerie kurzfristig absagte. Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr gediegen und wäre der Bereich der ‚jungen Galerien‘ unter dem Kennwort „Focus“ nicht vertreten, so wäre diese Gediegenheit in ziemlicher Nähe zur Langeweile zu verorten gewesen. Aber wer das Preisniveau erhöhen will, muss auf gesicherte Werte setzen und somit auf abgesicherte Galerien wie Daniel Templon, Georg Kargl oder Thomas Schulte. Ropac bietet ein buntes Programm aus Art & Language, Gilbert & George und wer hätte es gedacht – Werke aus der Zusammenarbeit von Arnulf Rainer und Dieter Roth.

Neugerriemschneider gehen einen anderen Weg und nutzten ihre Koje zu einer überzeugenden Präsentation einer klugen Zusammenstellung der komplexen Projektion von Simon Starling mit Lampen von Superflex. Man kann diese Präsentation auch als Referenz auf die Messeausstellung abc in der Akademie der Künste verstehen.

Der Außenraum um das Messegebäude wird für skulpturale Werke von zeitgenössischen Künstlern wie Robert Barry oder Gerwald Rockenschaub genutzt. Im Café davor lässt sich danach über die richtige An - und Verkaufstrategie sprechen. Erste Verkäufe werden gemeldet. Bilanz lässt sich erst später ziehen.

abc

Die alte Akademie der Künste am Hanseatenweg im so genannten Hansaviertel in Berlin ist ein ehrwürdiges Gebäude. Im Jahre 1960 eröffnet, befindet sich das Gebäude heute in einer Art Dornröschenschlaf, aus dem es, aus mehr oder weniger triftigen Gründen, von Zeit zu Zeit erweckt wird. Das geschieht dieses Mal zum Anlass des Kunstherbsts in Berlin mit einer Präsentation, die in vielfältiger Weise beispielhaft ist. Sie trägt den seltsamen Titel „abc def“ und hinter dem Alphabet verstecken sich zwei Akronyme. Hinter „abc“ verbirgt sich „art berlin contemporary“ und unter dem gleichen Titel präsentierte sich im letzten Jahr eine Interessengemeinschaft Berliner Galerien im Postbahnhof am Gleisdreieck. Das war ein gelungener Auftakt, aber die diesjährige Präsentation ist eine fulminante Fortsetzung.

Das liegt sowohl am Ort als auch an der Tatsache, dass man von Seiten der Organisatoren das zweite Akronym auch ernst genommen hat: hinter def versteckt sich „drafts establishing future“(Entwürfe erstellen Zukunft). Die Zukunft verheißen Entwürfe für eine Stadt. Das ‚Spielfeld‘ für diese Entwürfe bildet die Inkunabel eines Arbeitstisches, das Gestell Nr.1 von Egon Eiermann, im Jahre 1953 entworfen. Die Ausstellungshalle wird mit 64 Exemplaren dieses Tisches bestückt und das Ergebnis ist eine gelungene Ausstellung, die ihren Messecharakter verloren hat und eine Konkurrenz zu den eingespielten Kunstinstitutionen der Stadt bilden kann. Die sehr unterschiedlichen Entwürfe halten sich an die Vor­gabe, aber zuweilen finden sich auch Rückgriffe auf das Utopische. Da gibt es schöne Referenzen wie bei Heimo Zobernig und Yona Friedman. Ersterer hat einfach 90 rote und blaue Holzwürfel auf den Tisch gewürfelt und betitelt die Arbeit mit „Das ist es“. Wer dann vor dem Beitrag von Yona Friedman steht, wird unwillkürlich an Zobernig erinnert. Damit man die Galerie auch findet, die hinter der jeweiligen Künstlerfigur steht, muss man nur auf den Boden blicken. Bei Zobernig trifft man da auf die Galerie Anselm Dreher.

Diese Zurückhaltung in der Referenz auf die jeweilige Galerie hat Methode. Das merkantile Momentum wird in den Hintergrund gerückt, selbst im Katalog zur Ausstellung werden die Galeriennamen klein gedruckt. Will sich diese ‚Messe‘ als eine Art Institution verstehen? Schließlich bemüht sie sich auch darum, ein paar der ‚drafts‘ Wirklichkeit werden zu lassen. Und im Vorwort wird auf den ‚Skulpturenboulevard‘ in Berlin im Jahre 1987 verwiesen. Werden die Galerien zu einer öffentlich wirksamen Agentur, die in einem Public Private Partnership zu den gewohnten Institutionen wie Museen und Kunsthäusern in Konkurrenz treten? Das mag durchaus Sinn haben, denn die öffentlichen Institutionen werden bekanntermaßen immer mehr ausgehungert. Kann der Staat an der schleichenden Übernahme ein konkretes Interesse haben? Es sieht danach aus. Die Beweispflicht für das Gegenteil liegt bei den staatlichen Institutionen.

Preview

Es ist wohl doch reiner Zufall, dass die Preview dieses Jahres ein wenig anmutet wie eine nicht so gelungene abc. Dafür fehlt ihr auch die Fortsetzung des Alphabets. Dennoch nennt sie sich ‚the emerging art fair‘. Das hat eine direkte Konnotation mit den ‚emerging markets‘, unter denen man die so genannten Schwellenländer rubriziert. So kann man die Preview im doppelten Sinne als Ort der Schwellengalerien verstehen, was eher positiv zu bewerten ist. Denn hier findet man auch noch Galerien aus dem Osten, die man auf dem Art Forum mit der Lupe suchen muss. Die FAZ macht sich wohl auch deswegen Sorgen um deren Internationalität.

Hier in der Abflughalle des Flughafen Tempelhof findet man sich schnell zurecht und das Angebot hält Überraschungen bereit, seien es die Gemälde von Hanna Dougherty (Klara Wallner) oder Skulpturen von Vanessa Henn im Zusammenspiel mit Arbeiten von Barbara Wille (Galerie Visite ma tente). Wer sich Übersicht schaffen will, der kann einen ‚Berg‘ aus Schwerlastpaletten von Dieter Lutsch (Jarmuschek&Partner) erklettern oder auf die Empore gehen, um sich in der KPM Lounge auszuruhen. Dort lässt sich dann in Ruhe über „Euro Standard“ von Anne Metzen grübeln, präsentiert von „A trans Pavillon“. Dominic Eicher macht sich im Vorwort des Katalogs darüber Gedanken „ob die Besonderheiten dieses Rahmens nicht eine Metapher für den gegenwärtigen Zustand der zeitgenössischen Kunst darstellen.“ Und plötzlich gerät die Messe in Konflikt mit der anderen ‚Messe‘ abc in der Akademie der Künste, „da die Kultur oft in der Absicht genutzt wird, eine Situation zu verschönern.“ Oder Kultur verkommt zu einem Sedativum mit Anspruch. Dieser Gefahr sehen sich alle Kunstmessen gegenüber. Müssen wir in diesen sauren Apfel beißen?

Berliner Liste und Berliner Kunstsalon

Die Frage erhob sich angesichts der „Berliner Liste“ in ihrem neuen zeitweiligen Domizil, dem Palais am Tiergarten, einem Neubau hinter der Nationalgalerie, dessen Räume noch nicht vermietet sind und so Platz boten für sechzig internationale Galerien unterschiedlichster Bedeutung und Profil. Zuweilen wendet man sich erschreckt ab und ein anderes Mal lassen sich zwei kleine Fotos aus der Hand Robert Mapplethorpes entdecken. Letztendlich handelt es sich bei der Berliner Liste um ein durchaus berechtigtes Reservat des Realismus in unterschiedlichsten Formen.

Der Berliner Kunstsalon schließlich im ehemaligen Vitra Design Museum, heute Humboldt Umspannwerk am Szenebezirk Prenzlauer Berg ist ein Ort der Begegnung, weil hier das Publikum strömt und die Künstler selbst im Mittelpunkt stehen. Es gibt kein Berührungsverbot und die Frage nach Sinn und Wesen der Kunst stellt sich nicht. Hier ist sie einfach und kann gesehen werden. So soll es sein, muss es aber nicht.
Galerie Feinkost auf dem Art Forum Berlin (© Courtesy Art Forum Berlin)
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