Professionalität birgt auch Langeweile

Barbara Buchmaier im Gespräch mit Lars Friedrich

2012:Apr // Barbara Buchmaier

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04-2012
















Weniger offensiv und offensichtlich auf effektive Insider-Netzwerke bauend als etwa MATHEW in Charlottenburg, und durchaus sympathisch und natürlich auch mit diversen vielversprechenden Kontakten hat Lars Friedrich (geboren 1975) – langjähriger Assistent der Galerie Christian Nagel – im Oktober 2011 in der Rosa-Luxemburg-Straße 22 seine eigene Galerie eröffnet. Bisher präsentierte er die erste Einzelausstellung von Hans-Christian Lotz (geboren 1980) in Berlin und zwei Performances der jungen Griechin Georgia Sagri (geboren 1979), die kürzlich unter anderem durch ihre Teilnahme an der Aktion „Occupy Artist Space“ in New York in die Schlagzeilen geraten und aktuell auf der Whitney Biennale vertreten ist. Momentan läuft eine Ausstellung von Hans Friedrich Lissmann.

Barbara Buchmaier   / Lars, im Oktober 2011 hast Du nach sieben Jahren der Mitarbeit in der Galerie Christian Nagel Deine eigene Galerie eröffnet. Wie kam es denn zu Deiner Entscheidung, nun endlich selbst Galerist zu werden? Und, hätte es Alternativen gegeben?
Lars Friedrich   / Die Frage nach Alternativen hat sich für mich eigentlich nicht gestellt. Wie Du ja sagst, habe ich einige Jahre in der Galerie Nagel gearbeitet und da stand es dann an, etwas Eigenes zu machen.
Nach Abschluss meines Kunststudiums in Maastricht bin ich 2001 nach Bonn gegangen, um Kunstgeschichte zu studieren. Ich hatte mich zu diesem Zeitpunkt entschieden, keine Kunst mehr zu praktizieren. In Bonn habe ich ein Seminar über den Kunstmarkt mitorganisiert und dabei Christian Nagel kennengelernt. Das war eine interessante Begegnung und ich fand die Schnittstelle, an der ein Galerist sitzt, spannend. 2004 habe ich dann bei ihm in Berlin angefangen, erst mal als studentischer Mitarbeiter, später in Festanstellung.
Die Idee, eine eigene Galerie aufzumachen, gab es schon länger, weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich das auch selber kann. Aber es hat dann letztendlich doch recht lange gedauert, diesen Schritt zu wagen. Vielleicht war es aber auch ganz gut, so lange zu warten, um das erst mal durchzuspielen und zu überlegen, mit wem könnte man das machen – und, wie weit sind die überhaupt. Ich erinnere mich, vor vier, fünf Jahren gab es hier bei mir ein Essen, da waren auch ein paar Leute da, die ich jetzt ausstelle. Und da war’s irgendwie ganz klar, dass die mir gesagt haben: Lars, mach es halt selber. Und das war auch so ein bisschen der Anstoß.

Buchmaier   / Wusste man in der Galerie Christian Nagel von Deinen Plänen?
Friedrich   / Ich denke schon, dass man dort davon ausgegangen ist. Es gab ein Gespräch mit Christian Nagel, in dem ich ihm davon erzählte, dass ich es in Erwägung ziehe, nach Belgien zu gehen, um einen Neuanfang zu starten. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch innerhalb der Galerie gerade eine Bewegung Richtung Antwerpen. Da war dann kurz die Rede davon, in Belgien für die Galerie zu arbeiten. Letztendlich haben sich dann aber alle Beteiligten dagegen entschieden, und ich habe für mich den Entschluss, nach Belgien zu ziehen, erst einmal auf die Seite geschoben. Der Gedanke, dass ich in Brüssel eine Galerie eröffne, innerhalb einer fremden Bürokratie und ohne viel Geld, war nicht gerade motivierend. Das wäre sicher eine große Hürde gewesen. Nach einiger Zeit der Überlegung habe ich entschieden, dass es in meiner Situation sinnvoller ist, erst mal in Berlin anzufangen.

Buchmaier   / Wie kam es überhaupt zu Deiner Verbindung nach Belgien?
Friedrich   / Erst mal mag ich diese Ecke ganz gerne, weil ich in Maastricht studiert und in Belgien gelebt habe, zudem spreche ich Flämisch. Die belgische Kultur liegt mir und das Terrain ist mir vertraut, weil ich direkt an der belgischen Grenze aufgewachsen bin. Aber ich dachte mir dann, wenn ich jetzt zurückgehe, gefühlsmäßig zurück in das Vertraute, wäre das zu früh. Die Entscheidung fiel dann für Berlin, auch aufgrund der Einfachheit.

Buchmaier   / Ein Ortswechsel nach Belgien hätte ja auch als „Rückzug“ interpretiert werden können, zu sagen, der traut sich nicht in Berlin ...?
Friedrich   / Diese Interpretation hat bei meinen Überlegungen keine Rolle gespielt. Es stimmt, dass Berlin schon arg besetzt ist, aber ich empfinde das eher als Herausforderung, und hier passiert doch schon Einiges, auch aufgrund diverser Neueröffnungen. Ich bin gespannt wie sich das weiterentwickelt. Bis jetzt gibt es allerdings noch nicht den großen Kontakt zu den anderen jüngeren Galerien.

Buchmaier   /
 Den Eindruck habe ich auch, dass sich die jungen Galeristinnen und Galeristen oft gar nicht untereinander kennen. Vielleicht ändert sich das ja dann, wenn man später mal an den gleichen Messen teilnimmt ...
Friedrich   / Ja, das kann ich mir auch vorstellen. Die etablierten Galerien im heutigen Berlin kennen sich ja meist schon aus dem Köln der Neunziger Jahre. Die Szene war da enger zusammen.

Buchmaier   / Möglicherweise ist es ja auch so, dass man generell erstmal abwartet, wer „überlebt“. Bei Isabella Bortolozzi beispielsweise hat es ja auch etwas länger gedauert, bis der Name in aller Munde war. Dann aber ging es richtig los.
Friedrich   / Ich kann mich an ihre Anfänge erinnern. Der Raum war damals, glaube ich, sogar ein bisschen kleiner als meiner. Ihre jetzigen Räumlichkeiten sind spannend.

Buchmaier   / Wieso hast Du Deine Galerie in einem Raum Deiner Wohnung eröffnet und nicht in einem Ladenlokal?
Friedrich   / Das war auf jeden Fall auch eine ökonomische Entscheidung. Gleichzeitig lag mir der Gedanke nicht, am Anfang gleich ein Ladenlokal oder eine „Storefront“ aufzumachen, die für jeden einsichtig ist. Irgendwie ist mir das alles zu etabliert in seiner Form. Nicht, dass ich mir dafür zu schade oder eitel wäre, aber ich mag diese Ich-Bezogenheit vieler Galerien einfach nicht. Ich finde das Wohnungsmodell eleganter.

Buchmaier   / Könnte man auch sagen, zu „schüchtern“ …?
Friedrich   / Ja, vielleicht auch Schüchternheit, gepaart mit Vorsicht. Abgesehen von der finanziellen Seite hat es mich nicht interessiert, zu Beginn eine Storefront aufzumachen. Und ich glaube, dass eine Schaufenstergalerie, in der die Kunst für jeden einsichtig ist, der Kunst nicht unbedingt gut tut. Ich mag die Idee der Rückzugsmöglichkeit, die sich absurderweise hinter den privaten Galerieräumen auftut. Obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, als ob man auch noch genau diese Rückzugsmöglichkeit aufgeben würde, die Privaträume vielleicht bedeuten, erlaubt mir diese Situation auf der anderen Seite genau auch, auf Distanz zur Galerieunternehmung zu gehen, eben weil ich keine Extra-Räume angemietet habe. Ich begreife das noch als Freiraum. Aber das ist ja jetzt auch nichts Neues und heißt natürlich nicht, dass ich hier oben nur gute Sachen mache, das wäre ja Irrsinn.

Buchmaier   / Wie hast Du die Öffnungszeiten festgelegt? Gibt es Öffnungszeiten?
Friedrich   / Öffnungszeiten sind Freitag und Samstag von 13–18 Uhr.

Buchmaier   / Gibt es bereits einen Plan, die Situation zu verändern?
Friedrich   / Bis jetzt gibt es noch keinen festen Plan, etwas zu verändern. Ich möchte bis zum Ende des Jahres noch hier Ausstellungen machen. Der Ort wird sich danach bestimmt ändern, das Wohnungsmodell finde ich trotzdem weiterhin reizvoll.

Buchmaier   / Und, es geht ja auch um die Bedürfnisse der Künstler, oder?
Friedrich   / Auf jeden Fall, denn schon jetzt hat man gemerkt, dass der Raum doch recht klein ist und nicht sehr viel zulässt. Die Vorgabe, die der Raum einem aufzwingt, ist natürlich massiv.

Buchmaier   / Wie groß ist der Ausstellungsraum genau?
Friedrich   / Knapp 20 Quadratmeter, die Höhe beträgt ca. drei Meter.

Buchmaier   / Wo siehst Du Dich in drei Jahren?
Friedrich   / Das kann ich noch nicht sagen. Es geht mir jetzt darum, eine Art von Programmatik zu entwickeln. Damit möchte ich mich dann später natürlich auch für Messen bewerben.

Buchmaier   / Wie planst Du, Deine Website, die ja bisher nur die Einladungskarten und jeweils dazu einige Ausstellungsansichten zeigt, weiterzuentwickeln?
Friedrich   / Ähnlich wie mein Raum ist auch die Website eher reduziert. Ich glaube, dass Reduzierung oft besser ist und auch eine gute Vorgabe, damit sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln können. Vielleicht würde aber eine Veränderung des Ortes auch eine andere Konzeption der Website mit sich bringen.

Buchmaier    / Wie hat sich Dein jetziges Leben im Vergleich zum vorherigen Leben geändert. Oder, was ist passiert, seit Du die Galerie machst?
Friedrich   / Das Galeriegeschäft ist hart und man muss sich behaupten. Jetzt geht es darum, dass immer genügend Geld da ist. Das Leben ist bestimmter geworden und ich finde es durchaus gut, mit meinen eigenen Setzungen arbeiten zu können. Da ist man wenigstens selbst verantwortlich für das, was passiert.

Buchmaier   / Du stehst ja auch mehr im Rampenlicht …
Friedrich   / Naja, aber trotzdem ziehe ich mich zwischendurch auch immer wieder zurück, ich kann momentan eigentlich noch ganz gut entspannen. Zwischendurch arbeite ich nebenher, um eine finanzielle Basis zu haben.

Buchmaier   / Das erinnert mich an die New Yorker Galeristen-Legende Colin de Land (American Fine Arts), der ja bezüglich seiner Arbeits- und Öffnungszeiten wohl auch recht relaxt war und laut Christian Nagels Nachruf in Texte zur Kunst (Heft 50, Juni 2003) jahrelang nebenher als Elektriker gearbeitet hat. Fühlst Du Dich denn bereits von außen gesehen als Galerist wahrgenommen, ernstgenommen? Deine Strategie, alles erstmal im Kleinen und Privaten zu halten, führt ja vermutlich auch dazu, dass sich die Informationen über Dich und Deine Aktivitäten bisher hauptsächlich über Deine per sönlichen Netzwerke und die Deiner Künstler/innen verbreiten?
Friedrich   / Es wissen schon einige Bescheid und durch meinen ehemaligen Job bei Nagel kennen mich natürlich die Leute. Dadurch fällt es mir relativ leicht, auf sie zuzugehen und sie zu informieren. Gleichzeitig will ich mich zum Beispiel bei Kuratoren oder Sammlern nicht anbiedern. Insgesamt ist es bisher eher noch zögerlich. Es gibt einige Interessenten von dieser Seite, und dies wird sich bestimmt mit dem Programmverlauf steigern.

Buchmaier   / Wie ist Deine Beziehung zur Galerie Christian Nagel heute?
Friedrich   / Ich habe den Eindruck, dass Christian Nagel interessiert ist an dem, was ich mache, und das Verhältnis ist weiterhin gut ist. Abgesehen davon sehe ich im Moment eh einen Generationenwechsel.

Buchmaier   / Ja, das sehe ich auch so, auch die alten bekannten Galerien müssen heute etwas Besonderes leisten, um weiter wirklich wahrgenommen zu werden, auch wenn Sie natürlich weiter im Markt dabei sind und auf ihre Kontakte zurückgreifen können.
Friedrich   / Das stimmt, obwohl es für die altbekannten Galerien einfacher ist, weil sie großzügiger auf dem Markt auftreten können.

Buchmaier   /
 Woher, aus welchen Kreisen und Kontexten, kommt denn jetzt das Interesse für Dich und Deine Aktivitäten?
Friedrich   /  Ich habe bis jetzt recht positive Resonanz bekommen, aus Berlin und aus dem Ausland. Dennoch würde ich das Klischee bestätigen, dass es in Berlin leider finanziell nicht so einfach ist, obwohl ich erst gerade angefangen habe. Keine Ahnung, ob zum Beispiel New York in dieser Beziehung aufgeschlossener ist. Die Leute dort scheinen weniger verstockt. Aber vielleicht bringt der Generationenwechsel bei den Galerien auch eine neue Generation an Sammlern mit sich, die Interesse an weniger abgesicherten Positionen haben.

Buchmaier   / Gibt es Vorbilder, Galeriemodelle, Galeristen, die Dich beeinflussen, oder auch welche, die Dich nerven.
Friedrich   / Mit meiner Einstellung zu „Ladengalerien“ sage ich ja bereits einiges aus. Vorbilder? Das finde ich eher schwierig. Worauf sich ja viele beziehen, ist American Fine Arts, die hast Du vorhin schon mal erwähnt. Diese Vermischung, wie das dort gelebt wurde, scheint mir schon sehr interessant. Aber ich kenne das nur aus zweiter Hand. Ein Pseudonym zu entwickeln, wie es anscheinend Colin De Land und Richard Prince mit „John Dogg“ gemacht haben, diese Art der Unterwanderung, finde ich gut. Allerdings liegt das länger zurück. Mehr Ironie, in dem ernsten Geschäft wäre gut, denn Professionalität birgt auch Langeweile. 

Buchmaier   / Was denkst Du über die neue Berliner Galerie MATHEW? Was weißt Du darüber, worum geht es da? Ist das ein langfristig gedachtes Projekt?
Friedrich   / Ich weiß nicht so viel darüber. Ich war bei einigen Eröffnungen dort, da befindet sich ja auch diese nette Bar gleich nebenan. Und die Umgebung mag ich. Auf den Toiletten gibt es Manufactum-Seifen.

Buchmaier   / Welcher Künstlertyp interessiert Dich?
Friedrich   / Das kann ich jetzt noch nicht sagen, das wäre ja langweilig, wenn ich das jetzt schon vollkommen wüsste. Ich denke da eher an eine intuitive Gabe, die man entwickeln muss und mit der man es schafft, etwas zu fokussieren, ohne es gleich auch verstehen zu müssen. Das braucht seine Zeit, genauso wie die Chance, eine interessante Entwicklung zu unterstützen oder vielleicht daran teilzuhaben.
Dieser Punkt ist mir wirklich sehr wichtig, weil ich darin etwas wiederfinde, womit ich während meines Kunststudiums konfrontiert wurde. Dieser Bruch damals, die Entscheidung jetzt keine Kunst mehr zu machen, war gefühlsmäßig kein Problem für mich. Und ich glaube, dass ich immer schon wusste, dass die wirklich wichtige künstlerische Arbeit andere besser auf den Punkt bringen, und dass ich dann doch ein Teil davon bin, indem ich es ausstelle.

Buchmaier   / Vielleicht können wir abschließend noch über die beiden Künstler/innen sprechen, die du bisher ausgestellt hast, Hans-Christian Lotz und Georgia Sagri – und darüber, was als Nächstes kommt?
Friedrich   / Hans-Christian Lotz kenne ich schon länger. Seine Arbeit, die er hier ausgestellt hat, war schon sehr präzise und speziell in ihrer Form. Sein, wenn man das so sagen kann, ästhetischer Diskurs interessiert mich sehr. Die Arbeit war ja relativ lange hier zu sehen und der Eindruck, dass es eine ziemlich gute Arbeit ist, hat sich bis zum Ende hin verfestigt. Während meiner Assistententätigkeit wurde mir oft erst beim Abbau bewusst, ob es eine gute oder schlechte Ausstellung war. Ich denke, dass man der Schnelllebigkeit entgegenwirken muss und bin davon überzeugt, dass die Kunst ihre Zeit braucht, um sich mitzuteilen. Georgia Sagri habe ich erstmals bei einem Projekt von Jakob Schillinger gesehen, das war vor zirka zwei Jahren. Letztes Jahr hatte ich in Brüssel die Gelegenheit, sie bei einer Ausstellung näher kennenzulernen. Es ist interessant, wie sie in ihren Performances auf politische und soziale Systeme verweist und trotzdem immer abstrakt bleibt. Als nächstes zeige ich Hans Friedrich Lissmann.

Buchmaier   / Was hast Du sonst schon geplant?
Friedrich   / Im April zeige ich Peter Wächtler aus Brüssel, im Mai Nicola Brunnhuber aus Wien und im Juni Mathieu Malouf aus New York. Und dann hoffentlich irgendwann auch wieder eine Künstlerin. 

Buchmaier   / Dann hast Du ja jetzt ja einiges zu tun …
Friedrich   / Ja, aber das ist gut so und ich freue mich schon darauf.

Buchmaier   / Und, hat nicht Mathieu Malouf bis vor kurzem für den giftigen kunstkritischen Blog „Jerry Magoo“ gearbeitet und gerade auch eine Ausstellungsbesprechung in Texte zur Kunst veröffentlicht …?
Friedrich   / I guess so.

Lars Friedrich, Rosa-Luxemburg-Straße 22, 10178 Berlin

Hans Friedrich Lissmann „Weath“, 2012, Ausstellungsansicht, Courtesy Lars Friedrich (© )
Lars Friedrich (© Benjamin Echazarreta)
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