Fehler #4

JET

2007:Jul // Dominikus Müller

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07-2007









Letztes Jahr hieß die thematische Klammer des Project-Spaces jet "Was wäre wenn", dieses Jahr hinterfragt man hier "die Konstruktion des ‚Fehlers' und dessen gesellschaftliche Kategorisierung," wobei der Fokus nicht auf der "Regelwidrigkeit" sondern in der Funktion des Fehlers als "produktiver Handlungsanweisung" liegen und so im wahrsten Sinne des Wortes "zum Programm" gemacht werden soll. Bis auf welche Ebene soll man das verfolgen? Betrifft es das Ausstellungsmachen selbst? Zumindest das versucht die Kuratorin Doreen Mende in ihrer Show "Not Right But Wrong" zu thematisieren, dem vierten Durchgang durch die Kultur des Fehlers. Sie versammelt Arbeiten von Michael S. Riedel, Katrin Mayer, sowie dem Leipziger Kollektiv "famed" (Sebastian Matthias Kretzschmar, Kilian Schellbach, Jan Thomaneck), um - so der Begleittext - doch noch das sichtbar zu machen, was fehlt: das was wir nicht sehen, wenn wir eine Ausstellung betreten: das Ausstellungsmachen selbst.

Die Arbeit Katrin Mayers nimmt zuvorderst Bezug auf das Nicht-Sichtbare, auf das Verschwinden und das Register der Einbildungskraft, wenn sie das Galeriefenster mit Filmstills aus Michelangelo Antonionis "Blow Up" beklebt. Der übliche Blick durchs Galerie-Schaufenster in die Ausstellung, der Blick, der oftmals nur ein kurzes Abchecken meint, diesmal: nicht möglich, das Fenster erinnert an die Phase vor der Eröffnung, blickdicht verhangen; Verunsicherung, ist das Objekt "Ausstellung" überhaupt da, oder habe ich mir das nur eingebildet?

Ähnlich gelagert dann im ersten Raum die Arbeiten von famed: Ein kleines Video ("Good News For People Who Love Bad News", 2004) zeigt drei Menschen in voller Schutzmontur, die vor einem Baum stehend versuchen reihum die Motorsäge in Gang zu bringen. Findet nicht statt, wiederum. Das Benzin fehlt wahrscheinlich. Der Baum bleibt erstmal stehen. Abgebrochene Pläne, nicht eingetretene Ereignisse. Neben zwei weiteren Arbeiten von famed, der Serigrafie "Not, Right, But, Wrong", deren schwarze Buchstaben auf schwarzem Grund nur aus der richtigen Perspektive und dank eines spezifischen Lichteinfalls lesbar werden (im Gegensatz zu den - natürlich falsch gesetzten - weiß gedruckten Kommata) und einer unbetitelten Installation, besticht vor allem die Arbeit "Dead Letter's Office (Bartleby's Melancholia)", bestehend aus einem ausgestellten Suchanfrage an die deutsche Post. famed hatten einen Brief mit Instruktionen für eine geplante Performance bei jet geschickt, diesen Brief jedoch weder mit Empfänger- noch Absenderadresse versehen. Ein verlorengegangener Brief, gelandet in der Sammelstelle für unzustellbare Briefe, ein Brief, der wenn nicht seinen Bestimmungsort, so zumindest seine Bestimmung im Rahmen der Ausstellung erreicht: Die Performance findet nicht statt. Ausfall. Aber dafür hängt da dieser Brief, selbst zum Ausstellungsobjekt geworden.

Genau hier setzt dann auch Michael S. Riedel an: seine Reproduktionen der aktuellen Ausgabe des Kunstmagazins "Frieze" thematisieren neben dem Register von Macht (sowohl als "Deutungshoheit" wie auch in ökonomischen Termini) auch das der Produktion von Kunstobjekten selbst. Frieze liegt in einer vierfachen Fehldruck-Version aus, jedes Mal fehlt ein Kanal im Vier-Farben-Druck. Lesbar ist der Text ähnlich wie bei famed nicht mehr so richtig, statt dessen wird der Blick auf das Magazin als Objekt gelenkt: auf die lupenreine Produktion eines Kunstwerks dank fehlerhafter Produktion eines Kunstmagazins.
Spätestens hier erahnt man das Eigenleben des Fehlers: eine Ausstellung, die so geschickt den Fehler innerhalb des Systems "Ausstellungsmachen" nicht nur thematisiert, sondern performativ einsetzt, stellt letztlich immer den Autoimmunisierungsimpetus jedes geschlossenen Systems aus: Schleifenhafte Montagen aus geschichteter Selbstreferenz, Taumel und Schwindel angesichts der Unmöglichkeit, nicht nicht in die Falle zu treten. "Not Right, But Wrong" fokussiert so aber auch letztlich genau den Punkt an dem die Auseinandersetzung mit Fehlern politisch wird, den Punkt, an dem die Mechanismen sichtbar werden, die Devianz und Abweichung in Variation und Selektion im Sinne einer selbstreferentiell strukturierten Systemreproduktion transformieren.

"Not Right but Wrong. Fehler #4"
Famed, Katrin Mayer, Michael S. Riedel
Jet, Memhardstraße 1, 17.5.-23.6.2007
Michael S. Riedel (© Dominikus Müller)
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