Klischeefrauenbilder, dreigeteilt

/ Nadira Husain in der PSM-Gallery

2011:May // Melanie Kalb

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03-2011












„The Assassination of G. Hearst“ lautete der Titel der Ausstellung von Nadira Husain in der PSM Gallery an der Straßburger Straße in Berlin. Beim Betreten der Galerie mit diesmal ausschließlich schwarz gestrichenen Ausstellungswänden, fiel die Farbigkeit der Arbeiten ins Auge, die auf dem Boden, an der Wand und in Schaukästen gezeigt wurden. Für eine „Ermordung“ ziemlich farbenfroh.

Die Protagonisten der Ausstellung sind Frauenfiguren, dargestellt in diversen Medien, sprich: neben Collagen, Zeichnungen und Plastiken fanden sich auch Keramikobjekte, eine Vitrine und ein Paravent als Objektträger von Dekoration. Schön ästhetisch arrangierte Objekte und harmonisch abgestimmte Farben wollten dem Betrachter gefallen. Dabei ließ sich das Wollen erweitern mit dem Zusatz: Um jeden Preis und bar jedweder Grundlage. Denn:

Beim Herantreten an das Triptychon „Trixie“ (2010), fiel einem neben dem bunten Reigen von Form, Farbe und Material vor allem die perspektivische Verzerrung der selbst gezeichneten Hände der Frau auf, die hier innerhalb der comicartigen Darstellung eine Waffe auf den Betrachter richtete. Wenn ästhetisch, dann doch bitte keine Hand, bei der mangelndes zeichnerisches Talent sichtbar wird. Denn die ausgeschnittenen Formen der Frauen und die Hintergrundkonturen zeigen eine gewisse Detailverliebtheit und Akribie, die schön sein will. Also könnte es nicht ein eigenwilliger Duktus sein, den die Künstlerin hier zeigt, sondern vielleicht schlichtweg mangelndes Talent?

Schon das Format Triptychon präsentiert den Comic und seinen Inhalt, die Erschießung, weitaus dramatischer und aufgeladener, als die einzelnen Teile dies inhaltlich und gestalterisch einlösen. Die Leiche und die Flucht sind formal so komponiert, dass sie den Klischees der Kameraeinstellungen eines B- oder C-Movies entsprechen. Sie eröffnen also selbst inhaltlich (wenn schon formal zeichnerisch kein Genuss) keine neue oder andere Sicht auf die Genre Krimi und Thriller.

Das Triptychon wurde hier als Präsentationsform verwendet, die den klischeebeladenen Inhalt und die vermeintlich ästhetische Umsetzung aufwerten soll. Im Sinne seiner klassischen Verwendung, zum Beispiel für Nebenfiguren auf den Seitenflügeln wurde es hier nicht genutzt.

Es spricht ja heutzutage auch nichts mehr dagegen, ist ja alles erlaubt. Allerdings steht dem ein dann nicht konsequent eingehaltener Bruch dagegen. Im Gegensatz dazu: Eine Graphic Novel, Thema Rache, Thriller, wie sie von den Marvel-Zeichnern und Stephen King umgesetzt worden ist: „Der dunkle Turm“-Zyklus setzt hier Maßstäbe, um Kunst und Comic zu vereinen. Dagegen wirkt das Zusammensetzen von Bildgut bei Husain lapidar und beliebig. Farbige Akzente sind bloß gesetzt worden, um ein oberflächliches Komplettarrangement zu erhalten. Geschichten erzählen oder keine Geschichten erzählen, das ist hier die Frage, und für Nadira Husain lautet die Antwort: Dann besser nicht. Zudem ist das Tryptichon auch das einzige Exponat, dass sich mit dem Titel der Ausstellung verbinden lässt.

Da aber der Fokus offenbar nicht auf der „Assassination“ lag, betrachtete man die übrigen Arbeiten unter anderen Gesichtspunkten. Frauenfiguren, Frauenfiguren und – Frauenfiguren, dies würde das Thema der Arbeiten in Gänze umfassen. Stattdessen bot der Text zur Ausstellung eine esoterisch-mystische Einleitung, die einen konkreten Bezug zur Ausstellung vermissen ließ. Griechische Mythologie und Sagen müssen für Zeichenversuche und Collagen herhalten. Gut, Frauenfiguren können ja spannend sein.

Wenden wir unserem Blick dem „Paravent“ (2010) zu. Hier werden einzelne Frauenfiguren gemischt mit Mustern, die einen Retrogeschmack verraten, in unterschiedlichen, dennoch irgendwie passenden Farben und mit Kugelschreiber gezeichneten Portraits von einer lachenden Frau und einer Frau mit Turban gezeigt.

So weit, so oberflächlich. Viel mehr lassen die zweidimensionalen Fragmente nicht zu. Stehen die Frauen miteinander in Beziehung? Ist hier ebenfalls eine Geschichte vorhanden? Werden innerhalb der Materialsprache andere Deutungen oder Betrachtungsweisen ermöglicht oder gar fokussiert?

Schnell stellte man fest: Etwaige Fragen, ob die Frauenfiguren eine einzige Frau darstellen sollen, die tanzt, oder ob unabhängig voneinander mehrere Frauen tanzen, ob die Materialien weitere Ebenen enthalten, schienen nicht relevant. Denn Tatsache ist, dass der Paravent ein Gebrauchsgegenstand ist und historisch den klassischen japanischen Wandschirm ablöste, so wie er dort auch heute noch als Sicht- oder Windschutz genutzt wird.

Ebenso ist es üblich, den selbigen mit Schmuckdekor zu verzieren – ob als Hochzeitsschirm, als Langlebigkeits-Gedicht-Träger mit kalligrafischen Strichen oder als Trennwand für Räume. Außer ihrer Verwendung als moderne Trennwand, wurden Paravents häufig auch als Symbole oder als Schutz gegen etwas verwendet. Da sich Husains Kunst einer inhaltlichen Aussage verweigert, scheint – hier die These – Kunst vor allem Dekoration zu sein.

Aus jedem Genre bedient sich Husain, um dann ihre Collagen zu formen. Comic, Mythologie, Paravent, Triptychon, unterschiedlichste Materialien… Aber es scheint, um mit einer Plattitüde zu antworten, dass weniger mehr gewesen wäre Die klassischen Formen Paravent und Triptychon als dreigeteilte Elemente, eine sich immer wieder wiederholende Geste des Collagierens, sich permanent wiederholende Themen: Das alles könnten interessantere Aspekte sein, wenn sie explizit thematisiert worden wären. Es könnte aber auch interessant sein, würde Nadira Husein in erkennbarer Weise das Frauenbild in der Kunst hinterfragen oder Frauenbilder in der Gesellschaft jenseits von Klischees vorstellen. Als bewusster Trash der durch absurdeste Kombinationen eine unfreiwillige Komik erzielt und in einer gewissen Subgruppe Kultstatus genießt, lässt sich Nadira Huseins Kunst auch kaum lesen.

Wer zukünftig also selbst gestaltete Objekte für Wohnraum und Interieur braucht, kann sich an Nadira Husain wenden. Am besten jedoch nicht gezeichnete, sondern ausgeschnittene und beklebte. Mit dem Zeichnen, da war ja was.

Nadira Husain „The Assassination of G. Hearst“, PSM Gallery, Straßburger Straße 6–8, 10405 Berlin, 5. 11.–18. 12. 2011

Nadira Husain, „Paravent (Triptychon)“, 2010 (© PSM Gallery)
Nadira Husain, Ausstellungsansicht (© PSM Gallery)
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