Vanity-Fairytales-Spezial

/ Paced in Berlin

2011:Aug // Elke Bohn

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07-2011











Pressekonferenz, im Bundesrat. Man gönnt sich ja sonst nichts. Für ‚seine‘ Ausstellung, eine Show der Leistung, nicht des Scheiterns, fährt Klaus der Regierende Wowereit das richtig große Kaliber auf. Quasi als Heimspiel, war er doch auch hier mal Chef im Haus. Das ist er hier ja sowieso beinahe überall, auch und gerade in der Kunst. Spätestens seit er auch noch das Amt des Kultursenators bekleidet.

Prinzipiell ist eh schon, wieder einmal – zumindest in Berlin – alles gesagt, und auch geschrieben. Wowereit, ein erfolgreicher Verweigerer Bestehendes zu unterstützen, will hier in Berlin weiter leben und arbeiten und muss daher etwas am Beliebtheitskalenglücksrad drehen. Da eine Kunsthalle so schnell nicht gebaut, finanziert oder herbeiregiert werden kann also erst mal eine Ausstellung. Da Wowereit zwar schwierig aber nicht blöd ist, kuratiert er nicht selbst, sondern rief gute alte Freunde an, den Biesenbach Klaus aus New York, den Obrist Hans-Ulrich, der schon länger in London wohnt und die Macel Christine aus der Stadt der Liebe. Da diese drei viel arbeiten müssen, viel in Flugzeugen sitzen und auch sonst so wenig Zeit haben, wurden für die Arbeit vor Ort und ein paar der Lorbeeren auch noch vier, fünf Vor-Ort-Kuratoren bestellt.

Hier und jetzt merkt man davon aber nichts. Der Wowereit sitzt alleine auf dem hier provisorisch anmutenden Podium, guckt blechern und redet. Er redet, nach kurzer Begrüßung, das muss man zugeben, recht deutlich und doch komisch daher. Er redet von langen Spaziergängen durch seine Heimatstadt West-Berlin, das obligatorische Raunen zieht durch die Reihen, durch die Galerien und Kunsträume in Ost-Berlin, dem Raunen mischen sich Lacher, Zischer und Rufe bei, durch Parks und Cafés. Spätestens jetzt, oder eher schon – die Sache läuft noch keine fünf Minuten – wundern sich die Leute entweder oder schon gar nicht mehr und lauschen gebannt:

„Das hier ist mein Leben, und ich – wie wir alle, alle, die wir uns hier und heute versammelt haben – haben nur dieses eine. Das hier ist die Wirklichkeit.“

„Ich habe erkannt, dass ich tun muss, was ich tun muss; nicht immer nur das, was ich tun kann, tun soll, was opportun ist. Zumal es das ist, was ich auch tun will.“

„Manchmal, da laufe ich durch die Straßen, einfach so, und merke das richtiggehend körperlich– nicht als Ergebnis eines Denkens, und dann muss ich weinen. Ich laufe an einer Kirche vorbei, höre die Orgel, laufe durch den Tiergarten und denke an Scharoun und all die Konzerte in seiner Philharmonie, die ich nie erlebte und die für mich für immer vorbei sind. Vergangenheit für immer, aktuell und grausam. Oder seine Staatsbibliothek, mit all den Büchern. Die könnte ich noch lesen, nur nicht mehr alle. Und das, das ist noch grausamer. Alles ist noch da, wartet und harrt Tag für Tag. Auf mich, auf Sie, auf den der kommt. Den Büchern ist das egal, auch das ist hart für mich in solchen Momenten. Die Demut der Dinge ist für mich manchmal das härteste Menschengemachte.“

„Auch die Kunst. Warum ist sie so geheimnisvoll für mich? Und für andere Genuss, für manche Arbeit? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich sie meist nicht verstehe. Das gebe ich selten zu, vielmehr doziere ich etwas dazu, was ich aufgeschnappt habe oder für mich geschrieben worden ist. Aber das ist normal, ich bin schließlich ein Vorbild. Das ist besonders wichtig, da gerade heute viele Menschen ihr Erleben von Kunst über das Geld erden. Und besonders Menschen mit viel Geld sind, auch hier, oftmals besonders hemmungslos. Sie kaufen sich einfach Kunst, sie kaufen sich gerne auch das Verstehen gleich mit dazu.“

Nach diesem Satz steht Wowi auf, vergräbt seine Rechte Hand im Revers. Erst jetzt ist zu erkennen, dass er einen Zweireiher trägt. Staatsmann gibt. Er produziert eine Zigarre, steckt sie tatsächlich genüsslich zwischen die Lippen und mit einem silbrig glänzenden Feuerzeug an, Fehler zwar, doch als Geste doch sehr stark. Denn natürlich herrscht hier Rauchverbot. Nur dessen Übergehung durch diesen Mann und sein Amt lässt dasselbe völlig demissieren.

Clegg & Guttmann „Allegory of Government“, 2011 (© After the Butcher, Berlin, Foto: Ralf Lutter (Ausschnitt))
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