Huldigung des Prozesses

Über den Film „Gerhard Richter Painting“

2011:Dec // Anne Marie Freybourg

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12-2011
















 Der bundesweit im Kino laufende Film „Gerhard Richter Painting“ tut so, als sei er ein Dokumentarfilm. Aber in Wahrheit ist der Film ein Denkmal. Ein Denkmal für einen ohne Zweifel bedeutenden deutschen Künstler. Gerhard Richter wird im nächsten Jahr achtzig Jahre alt und aus diesem Anlass gibt es eine große Museumsretrospektive, augenblicklich in London, bald in Berlin zu sehen. Dass aus selbigem Anlass ein Film produziert wird, ist auf Grund des exzessiven Verwertungsdrucks, wie er bisher nur aus der Film- und Musikbranche bekannt war, aber mittlerweile auch in die Bildende Kunst eingezogen ist, nicht überraschend. Vielleicht ist auch deshalb der Film kein aufschlussreiches Porträt geworden. Trotzdem die Frage: Warum geriet der Film zum Denkmal, zur distanzlosen Huldigung? Vor einem klassischen, monumentalen Denkmal stehend, wird man als Betrachter ganz klein. Der hohe Denkmalsockel ist aus zurückhaltendem Sandstein oder Granit, um den Glanz der Marmor- oder Bronzefigur nicht zu schwächen. Im Film wird die Sockelfunktion von der Regie übernommen. Corinna Belz, die Regisseurin, ist offenbar von Gerhard Richter so beeindruckt gewesen, dass es ihr fast die Sprache verschlagen hat und sie in ihrer Dokumentation äußerst zurückhaltend und gelegentlich fast ehrerbietig ist.

Der Film zeigt kein Zwiegespräch zwischen dem Porträtierten und der Porträtierenden. Dafür sind die Fragen, wenn überhaupt welche gestellt werden, zu sehr in kindlichem Ton und mit banalem Inhalt. Diese Herangehensweise kann man nicht als vornehme Zurückhaltung verstehen. Denn die Regisseurin kann es wiederum nicht lassen, als Fragerin doch präsent zu sein; statt sich konsequent im Film als Fragende zu löschen, ganz herauszunehmen, wie es minimalistische Dokumentarfilmer, Hartmut Bitomski oder Harun Farocki, tun. Corinna Belz agiert, wie es heute im Fernsehjournalismus Mode geworden ist. Claus Kleber zum Beispiel setzt sich in seinen Reisereportagen durch seine Zwischenfragen immer gerne als der entscheidende Mann vor Ort in Szene. Aber das sind fast schon dokumentarfilm-immanente Aspekte, die allein nicht für die Kritik dieses Films ausschlaggebend sind.

Ärgerlich ist, dass durch das Gefälle zwischen dem Gestus der Fragenden und der Interessantheit des Befragten, durch das Fehlen zupackender Nachfragen eine Chance vertan wurde. Wie viel wäre doch von und über Richter zu erfahren, wenn jemand wie der Kunstkritiker Benjamin Buchloh fragen würde. Seine Interviews mit Gerhard Richter sind kenntnisreich und auf gleicher Augenhöhe mit dem Künstler. Hier, in diesem Film aber scheint sich Richter nicht äußern zu wollen über Malerei, über Kunst und Gesellschaft, nicht darüber sprechen zu wollen, wie er die Kunstgeschichte und die gegenwärtige Kunst einschätzt. Aber eigentlich ist Richter kein rätselhafter, verschlossener Künstler. Aus den zahlreichen Veröffentlichungen, die es über Richter gibt, und aus Richters eigenen Texten weiß man zudem, dass er ein analytischer und meist scharfer Kritiker der Kunst und seines Berufsumfeldes ist. Und dass er für ein breites Publikum verständlich und anregend seine eigene Kunst reflektiert.
In diesem Film erscheint Richter in einem Licht, als sei er vor - nehmlich ein freundlicher, kaum sprechender, sich auf seine Arbeit, das Malen konzentrierender älterer Herr. Man sieht über lange Strecken, wie im Atelier ein Zyklus von großformatigen Bildern entsteht. Entweder steht die Kamera weit entfernt hinten im Atelier und nimmt starr die Bewegungen des Künstlers auf. Oder die Kamera hält in Nahaufnahme auf das Gesicht, auf die Augen des Künstlers und zeigt im Wechsel dazu in Großaufnahme das Leuchten des Farbmaterials. Diese Magie suggerierenden Formate des Close-up tragen gleichfalls zum Denkmalcharakter des Films bei.

Die eigentliche Zielsetzung einer dokumentarischen Hommage gerät dem Film schließlich aus dem Visier und der Film wird zur Plattform für die Selbstinszenierung des Künstlers. Dass der eigentliche Regisseur Gerhard Richter selbst ist, dieser Gedanke entsteht nicht allein durch die im Laufe des Films zunehmend enervierende Unterwürfigkeit der Dokumentaristin. Auch die immer wieder eingeflochtenen Szenen mit Richters beiden Ateliermitarbeitern vermitteln diesen Eindruck. Die Mitarbeiter betonen, dass die neu entstehenden Bilder keineswegs kommentiert werden dürfen, weil sonst der Schaffensprozess gestört würde. Gerhard Richter setzt ganz klar die Bedingungen, denen sich alles in seinem unmittelbaren Umfeld unterzuordnen hat. Verständlich für einen Künstler, da das künstlerische Arbeiten ein fragiler Prozess ist. Corinna Belz hätte jedoch mit Gerhard Richter vermehrt noch andere Räume, andere Situationen aufsuchen können, in denen sie sich freier hätte bewegen können. Stattdessen versucht die Regisseurin immer beim Malen möglichst dicht dran und dabei zu sein. Das ist ihr zum methodischen Verhängnis geworden.
Überraschend ist, dass Gerhard Richter für seine öffentliche Selbstdarstellung das Bild eines zurückhaltenden, älteren Herrn wählt. Es ist zwar bekannt, dass Richter für sein künstlerisches Selbstverständnis es nicht als erforderlich ansieht, in theatralische Rollen zu schlüpfen. Richter trat nie in so ausgesuchten Rollen auf, wie beispielweise Georg Baselitz, der gerne den markigen und ruppigen Landmann gibt, oder Markus Lüpertz, der als Attrappen-Künstlerfürst auftritt. Dass aber Richter nur ein aufrechter Kerl mit guten Manieren sei, ist für diesen Künstler doch ungewöhnlich. Geschickt werden dabei die Kritik und der Sprengstoff, die in seiner Kunst stecken, verdeckt. In Richters Selbstinszenierung werden die interessantesten Aspekte seines künstlerischen Selbstverständnisses, sein Anspruch, dem Selbstzweifel nicht auszuweichen, oder seine kontinuierliche, fast systematisch zu nennende Auseinandersetzung mit der Frage ‚Was ist ein Bild‘ ausgeblendet. So ist mit diesem Film ein mit dem Weichzeichner gezeichnetes Monument entstanden. Ohne Kanten und ohne Schärfe wird Richter zu einem netten, niemand verstörenden, allen gefallenden Kunstonkel.

Corinna Belz „Gerhard Richter Painting“, Deutschland 2011, 97 Minuten

"Gerhard Richter Paintings", 2011, Filmstills, zero one film GmbH (© Corinna Belz)
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