Fischl, Sillman, Rama

Jablonka, Carlier Gebauer, Bortolozzi

2009:Jun // Stefan Heidenreich

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06-2009
















Die drei Gestalten, die draußen vor der Tür rauchten, waren nicht zuzuordnen. Wohl deshalb bin ich an der Galerie vorbeigefahren. Das soll keine Entschuldigung sein. Sie standen im Schatten. Den Galeristen habe ich nicht gleich erkannt. Auch wenn er sich wohl nicht verändert hat. Jedenfalls wenn man einige Bartflausen nicht als Veränderung ansehen mag.

Es gibt gerade keinen Grund, Galeristen zu beneiden. Sie haben sich keine einfache Aufgabe vorgenommen. Wer nicht vom Betrieb lebt, geht von einer Ausstellung zur anderen, nörgelt hier und da, findet das meiste mal so mal so und entscheidet sich selten, etwas wirklich Großartiges gesehen zu haben, nie sicher, ob die Ansicht Sinn macht. Galeristen dagegen müssen verkaufen wollen, was sie in ihrem Laden führen. Gegen Geld, wie Kartoffeln, wie ein Auto. Immer wieder ist es befremdlich, dass Werke nicht nur Titel, sondern auch Preise haben.

Eric Fischl, Jablonka

Hundert Meter nördlich gab es einen Käufer zu sehen. Es war ein älterer Herr in passablem Zustand, sein Rentenalter mochte er gerade erreicht haben, noch Tennis spielen und sich die überzählige Zeit mit gelegentlichen Einkaufstouren vertreiben. Er schien noch nicht ganz vom Kauf überzeugt. Wie um Maß zu nehmen, ob das Ding an der Wand sein Format hätte, entfernte er sich vom Bild bis in die Mitte des Raumes. Ich weiß nicht, ob er sah, was es dort zu sehen gab. Das Gemälde ist Teil einer Serie mit dem Namen „Corrida“. Sie zeigt Szenen eines Stierkampfes. Hier hebt ein Bulle sein Haupt gegen einen blutigen Abendhimmel. Dort hampeln einige Stiertöter um ihn herum und traktieren ihn mit Gerätschaften, behängt mit Fummeln, Fähnchen und Tüchern. Der Stoffe sind so schlecht gemalt, dass sie steif wirken wie Körperteile oder Rohre. Das wäre nicht weiter bedenklich, würden sie nur nicht auf zwei Bildern gerade wie übergroße Phalli zwischen den Beinen des Toreros baumeln. Der Herr hatte nun die Hände in die Hüften gestemmt und näherte sich dem Bild, gerade so als wollte er selbst ein Stück vom Stierkampf aufführen. Über kurz oder lang wird der phallische Schinken einen Platz über seiner Ledersofa-Landschaft finden.

Amy Sillman, Carlier Gebauer

Es lohnt sich kaum, auf das etwas eigenartige Gespräch zurück zu kommen, das ich mit dem erst unerkannten Galeristen führte. Ich dachte, seine Galerie sei weiter unten in der Ladenzeile, sagte ich, um mich wegen des Vorbeifahrens herauszureden. Ich erinnere mich nicht genau an die Bemerkung, die er mir zurückgab. In seinem Saal zeigt auch er Öl auf Leinwand, sehr schön ausgeleuchtet, tatsächlich was das Licht anbelangt, eine der schönsten Situationen für Kunst weit und breit. Aber was für eine weitere unsinnige Ausstellung, denke ich. Ein Blick genügt, um mir zu versichern, dass ich von den Bildern nichts verstehe. Und genau genommen will ich davon nichts verstehen, sie nicht einmal erklärt haben. Es gibt diese Art von Gesprächen, bei denen wir ja und ja und ja antworten, weil alles, was erklärt wird, nicht von der Hand zu weisen ist. Schon einen Augenblick danach, vielleicht gar beim Zuhören wird klar, dass es Unfug ist. Also wäre ich mit der Ausstellung schnell fertig gewesen, wenn nicht am Ende, neben dem Tisch beim Ausgang eine kleine Zeichnung gehangen hätte. Sie zeigt als Diagramm in Aufsicht die Tischordnung eines Dinners. Die versammelten Gäste, samt und sonders Akteure der Kunstszene, sind in gekritzelten Bemerkungen detailreich und privat geschildert, doch unbestimmt genug, um wie die Schablone eines Horoskops überall zu passen. Es gibt eine ganze Menge möglicher Zuordnungen. Dann versucht der Galerist, mir zu erklären, was die Gemälde mit der Skizze zu tun haben. Das war zu befürchten, aber ganz wie zu erwarten, hat er recht. Es gibt den Zusammenhang. Nur dass sich die großen Bilder neben der kleinen Skizze wie unfertige Vorstudien ausnehmen. Tatsächlich ist es vielleicht gerade das Gewicht der Gemälde, das der Skizze ihre Wirkung gibt, gerade so als seien sie bloßer Schmuck, wenn auch etwas überdimensioniert.

Carol Rama, Bortolozzi

Das ist eine wirklich gute Ausstellung, die ich mir noch einmal ansehen sollte. Ich müsste hingehen, um mehr schreiben zu können. Aber es macht Sinn, etwas zu Ausstellungen zu sagen, die auf der Kippe stehen.

Eric Fischl, Jablonka Galerie,
Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin, 01.05.–15.07.2009
Amy Sillman, Carlier Gebauer,
Markgrafenstraße 67, 10969 Berlin, 02.05.–30.06.2009
Carol Rama, Isabella Bortolozzi, Schöneberger Ufer 61,
10785 Berlin, 01.05.–20.06.2009
Amy Sillman „Seating Chart“, 2009 (© Courtesy Carlier Gebauer)
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