Vanity Fairytales

2009:Nov // Elke Bohn

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11-2009
















„Nein, so sah die nicht aus!“ quillt es sehr bestimmt aus dem Mund von Monica Bonvicini, die sich in der Maske des Berliner Schauspielhauses zur Audrey Hepburn machen lassen möchte. „So muss man die Perücke machen!“ wird sie energisch und greift selbst zur Bürste, um das Werk des Lockenwicklers zu vollenden und die Tolle am Oberkopf mit einer Spange zu befestigen.

Die Bonvicini hat vor, die Ausstellung „60 Jahre 60 Werke“ im Martin-Gropius-Bau zu besuchen. Doch da ist ja viel los, und die Ausstellung ist ja auch nicht unumstritten, weshalb sie mit einem Besuch als Privatperson zuwenig Möglichkeit hätte, sich ausreichend zu äußern. Und einen Brief schreiben, wie sie die Schau fand, das möchte sie nicht. Nun macht sie aus ihrem Besuch nicht etwa eine Arbeit, sondern hat viel Arbeit, sich unkenntlich und dennoch als Ikone zu staffieren.

Vor dem Bau angekommen, mit einfachem Taxi, Mercedes immerhin, schwingt sich die Künstlerin, elegant und des kürzeren Rockes geschuldet, ganz pragmatisch aus dem Fond des tuckernden Wagens, um die Sonnenbrille zunächst gerade zu rücken, um sie sogleich abzunehmen.

Am Eingang wird ihr erklärt, dass sie ihre Tasche, und sei sie auch gar so klein, nicht mit hinein nehmen dürfe. Sie fragt mich, heimelig tuschelnd, ob der echten Bonvicini und /oder der echten Hepburn das gleiche widerfahren wäre. Sicherlich, einigen wir uns, es wäre weder die eine erkannt, noch hätte man die andere hier und heute als lebend gewähnt.

In der Ausstellung, ich gehe nicht mit ihr hindurch, zuwenig könnte ich dabei beobachten, wird sie dann doch öfter angeguckt. Sicher, weil die Hepburn berühmt ist und die Leute sich fragen, warum sie hier dargestellt wird. Monica wird hin und wieder aber ein bisschen nervös. Vielleicht, weil sie denkt, jemand hätte sie erkannt – vielleicht aber auch, weil sie nicht erkannt wird. Genau kann ich das von meiner Warte aus nicht sagen.

Sie wandelt und schreitet durch die Räume und Stockwerke dieses per se ja recht gut geeigneten Baus, und gibt beinahe jeder Arbeit die gleich Zeit, die gleiche Muse und die gleiche Haltung. Nicht etwa, weil die Initiatiorenriege sich so etwas wünschen würde, sondern scheinbar aus einer Notwendigkeit heraus, sich alles in diesem Arrangement wenigstens kurz anzusehen, obgleich man es schon oft und auch szenographisch besser gesehen hat. Bonvicini und / oder Hepburn gibt sich statisch, ist es sicher auch, und damit hat sie Recht. Mir, die hier mit dabei ist, weil sie eingeladen wurde diesen Besuch zu dokumentieren, ginge es sicher ebenso. Aber ich habe ja etwas zu beobachten, ich bin hier die absolut einzige, die mehr weiß als alle anderen, und sich das nicht nur einbildet.

Als wir in den Neunzigern ankommen, treffen wir auf Marius Babias. Monica läuft, die Arme lässig neben sich schwenkend, auf ihn zu. Gleich passiert es, gleich enttarnt sie sich und macht die ganze schöne Idee kaputt. Gleich gibt sie sich Preis, und nur für ein kurzes Gespräch, dass sie jeden Abend in jeder Bar in jeder Stadt führen kann. Ich weiß mir und uns nicht anders zu helfen und löse Alarm aus. Ich lehne mich auf einen Sockel und sofort prasseln die Trompeten von Jericho auf mich herunter. Ein Wärter eilt herbei und droht bereits von weitem mit erhobenem Zeigefinger. Ich täusche ein Taumeln vor, den Handrücken an der Stirn und atme flach und schwer. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass mein Hüftschuss ins Ziel ging. Bonvicini / Hepburn ist aufgeschreckt, in einen anderen Raum gelaufen und Babias schaut in meine Richtung. Ob er mir zu Hilfe kommen wollte? Das ist nun nicht mehr nötig, da der Herr Wärter sich meiner annimmt und sich zwar nach meinem Befinden erkundigt, jedoch sehr deutlich macht, dass auf solchen Sockeln sich nicht ausgeruht wird.

Ich denke, nein, ich weiß genug gesehen zu haben und begebe mich zu Kaffee und Kuchen. Ich sitze bei akzeptablem Kirschkuchen und mittelmäßigem Cappuccino, beobachte andere und denke, als mein Telefon piepst. Es ist die Hepburn. Sie ist in der Zwischenzeit auch hier erschienen und schlägt vor, sich per SMS über die Ausstellun zu unterhalten. Ich entgegne, das könne man doch gleich draußen oder später sonst wo machen – oder eben hier. Sie äußert Sorge über meinen letzten Vorschlag und bringt ihr akutes Bedürfnis der Mitteilung zum Ausdruck – ersteres nicht vehement genug und zweites doch erkennbar, so dass ich ihrem einen Wunsch widerspreche, meinen Platz mitsamt meiner Verpflegung und Kommunikation verlasse und neben ihr einen Neuen finde.

Historisch, autistisch, machoid geschmäcklerisch und brüllend langweilig habe sie die Ausstellung erlebt. Ich hatte meinen Spaß, kann ich ihr entgegnen. Ich war in der glücklichen Lage, hier etwas gesehen zu haben.
Monica Bonvicini (Montage) (© the authors)
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