Kommando Hölderlin

Max Hetzler

2007:Mar // Andreas Koch

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04-2007
















Friedrich Hölderlin war Schwabe und verbrachte die Hälfte seines Lebens entmündigt in Pflege. Zudem gilt er als einer der bedeutendsten Dichter der Romantik. Jetzt diente er als Motto für eine Max-Hetzler-Ausstellung an zwei Orten. Während dessen Jannowitzstandort scheinbar den musealen Ansprüchen der Galerie nicht mehr genügte und geschlossen wurde, konnte der kuratierende Künstler André Butzer immerhin das Stammhaus in der Zimmerstraße sowie die nur ein Stockwerk über seiner Entdeckergalerie Baudach liegenden Räume „Max Hetzler Temporary“ nutzen. Das macht Sinn, denn Butzer wird nicht nur von beiden Galerien vertreten, sein Konzept für die Ausstellung war es eben auch, Künstler aus beiden Galerien zu zeigen. Während die ausgewählten Hetzler-Künstler allesamt in den 80er Jahren Karriere machten, starteten die Baudach-Jungs buchstäblich aus dem „Dirt“ kommend erst in den letzten Jahren ihre Karriere.

„Eine Staffelübergabe? Oder nur ein Aufwertungsmechanismus, bei dem die neuen Namen ein wenig mehr schillern, weil die andern schon historisch verbürgten Glanz besitzen? Oder umgekehrt: eine Frischzellenkur für Künstler, die in die Jahre gekommen sind? Nichts von alledem“, schreibt Katrin Wittneven im Tagesspiegel.

All dies ist aber der Fall. Das zeigt schon das Beispiel Butzer, der natürlich einen Karriereschub durch die Übernahme von Max Hetzler erfahren hatte und die gesamte Baudach-Galerie mitzog, denn Hetzler unterstützt seinen jüngeren Kollegen nach Kräften, könnten doch noch mehr Frischzellen auf diesem Weg bei ihm landen. Die institutionellen Verstrickungen sind offensichtlich. Nicht umsonst haben sich Jung und Alt nahe beieinander liegende Räume in Weddinger Randlage neben Aldi, Schlecker und Polizei und über einem Möbelladen mit Restbeständen aus Insolvenzen gesucht.

Schaut man sich zuerst das mottospendende Hölderlin-Bild des Künstlerkurators André Butzer an, sieht man in butzertypischen, großgestischen, kindhaften Pinselstrichen einen vierohrigen Munch-Schreikopf auf einem vage an Jonathan Lasker erinnernden Linienkorpus vor einem brennenden Haus. Alles so wild und schnell gemalt wie hingekritzelt. Was Butzer mit Hölderlin verbindet, ist außer der gemeinsamen schwäbischen Herkunft das scheinbare Leiden, also die vermeintliche Urzelle aller Kunst. Hölderlin ist durch seine Krankheitsgeschichte so etwas wie der Van Gogh unter den Dichtern geworden und hat ein hochsensibles, komplexes, romantisches Werk hinterlassen.

Butzer kokettiert mit diesem Geisteszustand ohne ihm jedoch näher zu kommen. Er reduziert seine Bildsprache auf das Grundvokabular der malerischen Expression, zitiert daraus eine weitere Ikone, eben den berühmten Schrei von Munch, und kopiert ähnlich wie Jean Dubuffet vor fünfzig Jahren das Klischeebild einer „psychiatrischen“ Malerei. Und genau wie bei Dubuffet entsteht nach einem offensichtlich rasenden Schaffensprozess etwas, was so aussieht wie kraftvolle Malerei, was es aber nicht ist.

Die Bilder funktionieren nach jahrzehntelang eingehämmerten Klischeemustern und damit auch im Markt. Dieses „es sieht aus wie“ bleibt aber das eigentliche Problem. Seine Form von explizit expressivem Farbauftrag setzt immer auch auf den Betrachter und dessen Erwartung von Authentizität. Ob dabei ein gutes Bild entsteht, bleibt eher dem Zufall überlassen, denn nicht das Bild scheint bei Butzer im Vordergrund zu stehen, sondern seine Haltung. Hier ähnelt er Jonathan Meese, der die Rolle des „artist terrible“ aufrecht hält und zudem vermehrt echtes Theater spielt.

Genau dieses Gefühl lässt einen beim Gang durch die Ausstellung nicht los. Da wird Kunst gespielt. Alles ist Inszenierung. An den museumstauglichen Stellwänden hängt Kulissenkunst, auf verschiedenartigsten Sockeln stehen Bühnenskulpturen. Thomas Helbigs Gothic-Fantasy-Objekte stehen auf lose angepinselten Kuben, die genauso schick wirken wie die eichenholzfurnierten Sockel von Thomas Zipp, auf denen ein sockelübergreifendes Gebilde so aussieht, wie man sich den Prototyp einer Nuller-Jahre-Skulptur vorstellt – schwarz, formal, historisch.

Künstlerinnen stellen übrigens nicht mit aus. Auf gekachelten Sockeln befinden sich die einzigen weiblichen Teilnehmerinnen der Ausstellung, dralle Holzskulpturen von Werner Büttner in allen erdenklich devoten Stellungen, inszeniert als Damenbad. Die Jungs hingegen spielen weiter Kommando Kunst. Thilo Heinzmann lässt es nicht bei seinen zwei, vom Material her interessanten, aufgeflexten Alubildern, das dritte Bild zeigt eine Sammlung aufgeklebter Holzdildos mit einem großen Schwung weißen Farbsafts. Erwin Kneihsl fotografiert Düsenflugzeuge und Naziarchitektur und Georg Herold inszeniert auf Baulatten einige Boxhandschuhe mit dem Titel „lost intolerance“(2004) oder klebt Bauklötze auf eine Leinwand („Ziegelbild 1“ 1984).

Die Jungen und die Alten, die Baudach- und die HetzlerKünstler nehmen sich nur wenig, die Sprache ist ein wenig roher geworden, die Metaphern ausgeleierter, die Gesten etwas banaler, die Haltung bleibt aber die Gleiche – Kommando Bimberle statt Friedrich Hölderlin.

„Kommando Friedrich Hölderlin“ Galerie Max Hetzler Werner Büttner, André Butzer, Björn Dahlem, Günther Förg, Thilo Heinzmann, Thomas Helbig, Georg Herold, Andreas Hofer, Erwin Kneihsl, Albert Oehlen, Markus Selg, Thomas Struth, Thomas Zipp
Zimmerstraße 90/91 und OsramHöfe
Oudenarder Str. 16–20 27.1.–17.3.2007
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