Georg Baselitz

CFA

2007:Mar // Barbara Buchmaier

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04-2007








Seit kurzem zeigt und bespricht man die Werke von Georg Baselitz, dem man nachsagt, immer auf der Suche nach dem Deutschen in der Kunst zu sein, auch gerne in der trendbewussten jungen Mitte Berlins. In der Galerie Contemporary Fine Arts (cfa) und in der kürzlich mit sichtlich hohem Aufwand gelaunchten „Vanity Fair“, deren Chefredakteur programmatisch ein wieder erstarktes Deutschland ausruft, gibt es Gelegenheit für überraschende Begegnungen mit dem inzwischen 69-jährigen Künstler, seinen Werken und dem Marketing um seine Figur. Dabei scheint es vor allem die neue Werkgruppe der „Remix“-Arbeiten zu sein, die dem Ex-Rebellen dazu verholfen hat, wieder salonfähig zu werden. Bereits große Museen haben den Ergebnissen dieser Neuproduktion seit 2005, in der Baselitz im Sinne einer Selbsttherapie Motive seiner bekanntesten Gemälde wieder auflegt und unbeschwert farbenfroh auf weiße Leinwände setzt, kürzlich aufwendige Ausstellungen eingerichtet.

Unter diesen Vorzeichen steigt die inzwischen vor allem im hochpreisigen Segment agierende Galerie cfa in den Baselitz-Markt ein und präsentiert mit dem einigermaßen kuriosen Titel „The Bridge Ghost’s Supper“ (dt. „Abendmahl der Brücke-Geister“) erstmalig Exempel aus dem (Alters-)Werk des „deutschen Malerfürsten“: Ein neues, großformatiges „Remix“-Ölbild und 38 Tuschezeichnungen. Nach Jörg Immendorff relauncht die Galerie also strategisch einen weiteren, international in den letzten Jahren in Vergessenheit geratenen deutschen Künstler um ihn mit den eigenen, noch etwas jüngeren Zug- und Zuchtpferden Meese, Richter und Pettibon in eine Riege zu stellen.

Das zentrale Exponat der Ausstellung, das man in der Galerie erst suchen muss, weil es erstaunlicherweise hinter einer großen Stellwand hängt, ist das 305 x 450 cm große Ölbild „Nachtessen in Dresden (Remix)“ (2006), eine Neuauflage von Baselitz bekanntem Werk „Nachtessen in Dresden“ (1983), welches in der Ausstellung leider fehlt. Darauf zu sehen sind markenmäßig auf dem Kopf stehend, mehrere zeichnerisch-karikaturhaft dargestellte Männerfiguren in schludrig gemalten blauen Anzügen und schwarzen Schuhen. Die zentrale Figur ist hier genau wie im Ausgangsmotiv Edvard Munch, umrahmt von drei bekannten Brücke-Künstlern. Kirchner mit Pickelhaube und Stiefeln (laut Pressemitteilung „Cowboystiefel, die an Karl Mays Winnetou und Old Shatterhand denken lassen“), außerdem Schmidt-Rottluff und Nolde. Ab dem Gesäß lässt Baselitz die beiden letztgenannten zu einer Figur verschmelzen, vermutlich weil er sie im Vergleich zu Kirchner als künstlerisch weniger stark bewertet. Im Aufbau dieser Bildneuauflage fehlt der Tisch, an dem die Figuren im alten Bild angeordnet waren. Die Betonung scheint stattdessen auf den schwarzen Schuhen der Protagonisten zu liegen.

Die Feststellung, dass das „Remix“-Ölbild sehr schnell gemalt worden sein muss, gilt auch für die vielen mittelformatigen, in hellem Holz gerahmten Tuschezeichnungen mit Porträt-, Halbschuh- und Stiefelmotiven. Dieses Qualitätsmerkmal ist typisch für alle „Remix“-Werke. Vor allem die Tuschezeichnungen wirken hier, unterstützt durch die banale Standardrahmung, weniger wie hochwertige Originale, sondern eher wie flüchtige Studien oder auflagenstarke Kalendermotive.

Vertieft man sich nur ein wenig in die neuere Baselitz-Literatur, stößt man rasch auf eine für Baselitz’ aktuelles Schaffen offensichtlich zentrale Fotografie. Sie zeigt den Künstler Edvard Munch in einer ähnlichen Physiognomie und Körperhaltung wie im besprochenen Ölbild auf einem Stuhl sitzend in seinem Atelier. Dieses Foto ist jedoch so beschnitten, dass man seine bekleideten Unterschenkel und Schuhe nicht sehen kann. Liegt hierin möglicherweise ein Schlüssel für Baselitz’ aktuelles (jedoch nicht ganz neues) Interesse an Schuhen? Die in den ausgestellten Werken gemalten Hosenbeine und Schuhe wirken allesamt wie mögliche Verlängerungen der abgeschnittenen Beine von Munch.

Passend zum allgemeinen Baselitz-Revival und terminlich ausgerichtet auf die Ausstellung bei cfa präsentierte auch die allererste Ausgabe von der deutschen „Vanity Fair“ einen auffällig langen, reich bebilderten Bericht über Georg Baselitz. „Schorsch-Daddy, was geht?!“, lautete der bescheuert-überdrehte Titel. Gezeigt wurden auch Atelieraufnahmen mit einem flippig inszenierten Künstler. Er trägt ein knallbuntes Outfit, inklusive einer weinroten, nagelneu-leuchtenden Adidas-Trainingsjacke. Analysiert man dieses auffällige Styling, dauert es nicht lange, bis einem Zweifel kommen: Ist die Adidas-Jacke nicht das Markenzeichen des Galeriekollegen Jonathan Meese? Und wieso trägt auch Baselitz jetzt so plakativ diese Marke?

Leider bleibt es für uns im Verborgenen, wie Baselitz an seine Jacke gekommen ist, ob er sie im Sinne von Product-Placement für das Fotoshooting tragen wollte oder sollte, oder ob sie bereits in die Garderobe seines (möglicherweise von Adidas gesponserten) Remix-Revival-Outfit gehört. Ein verdächtiger Moment liegt auf alle Fälle darin, dass ein im Adidas-Originals-Store in der Münzstraße an Kunden verteilter Berlin-Guide unter der Rubrik „art galleries & museums“ die Galerie cfa als einzige kommerzielle zeitgenössische Galerie listet und empfiehlt. Und da diese ja bekanntlich bald ins „Galeriehaus Hinter dem Gießhaus  1“ an die prestigeträchtige Museumsinsel ziehen will, kann man allen Beteiligten an diesem „Cross-Marketing-Product-Placement“-Coup nur gute Vertragskonditionen und eine stetige Performance wünschen.

Georg Baselitz „The Bridge Ghost’s Supper“
Contemporary Fine Arts
Sophienstraße 21
10.2.–24.3.2007
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