Vanity Fairytales

The Secrets Of My Success

2012:Aug // Elke Bohn

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08-2012

















Im China-Club, dem Berliner Tempel derer, die es haben,
treffen sich im Sommer 2015 sechs in Berlin lebende, aktuelle und ehemalige Kunst-Stars, um sich beim Gespräch über Erfolg belauschen zu lassen.

 
Mit dabei:
Anselm Reyle,
mittlerweile Kunstlehrer und Inneneinrichter
Olafur Eliasson,
mittlerweile Herr über 300 Angestellte und
sein eigener Flugkapitän
André Butzer,
mittlerweile Professor an der Kunsthochschule Kassel
Marc Brandenburg,
mittlerweile Mitarbeiter der Kunstspedition Tandem
Annette Kelm,
mittlerweile Investmentbankerin
Gregor Hildebrandt,
noch immer Künstler der Galerie Wentrup (mittlerweile Wentrup & Partners, Berlin)

Moderiert wird diese illustre Runde von Marcus Steinweg, noch immer Philosoph.
Es beginnt Herr Reyle. Er macht einen gesunden und sehr zufriedenen Eindruck, spricht zunächst von Glück. Von seinem eigenen, kleinen und persönlichen Glück. Von seiner wunderbaren Frau, den beiden Kindern und den weiteren zwei adoptierten. Und von dem Tag, an dem er beim Kunstunterricht in deren Schule erschien. Am Sommerfest habe ihn der Schulrektor gefragt, ob er dazu nicht einmal Lust hätte und so. Toll und irgendwie erfrischend spontan sei das gewesen, würden sich die Leute, die sich auskennen, doch nie so etwas trauen. Einfach toll. Nebenbei betreibt er, wirtschaftlich äußerst erfolgreich, einen Laden mit Beraterschreibtisch in Zehlendorf, und einen in Neukölln. Dort verkauft er das als Möbel, was er die vielen Jahre zuvor als Kunst hatte anbieten müssen.

Als nächster möchte sich André Butzer äußern. Er beschreibt, in direkter Ehrlichkeit, wie es mehr geschah denn passierte, dass sein Werk nicht mehr recht die Abnehmer fand. Hatte er nach seiner figürlichen, seiner abstrakten, seiner hoch abstrakten „N-Bilder“-Phase eine solche der Landschaftsmalerei zu etablieren gesucht, scheiterte er hiermit kläglich am Markt, jedoch lediglich auf dem monetären. Auf dem theoretischen fand es Anspruch, Befürworter und Unterstützer. Als ihm dann die Professur, der RUF, wie er es so schön schwer betont, aus Kassel ereilte, da griff er überaus beherzt zu. Und mit der BahnCard 100, da kann er beinah pendeln; seine Familie hätte nicht umziehen wollen. Und in Kassel, da kann er sich auch drei Zimmer für unter der Woche leisten, da kostets nicht so viel.
Hierauf fühlt sich wohl Marc Brandenburg aufs Besondere angesprochen, musste er doch den wirtschaftlich größten Sprung nach unten von allen, von ALLEN Anwesenden ausbaden, wie er nicht müde wird zu betonen. Auch er wird erstaunlich, und vielleicht auch etwas unangenehm direkt, als er sagt, dass ihn die Kunst, sein eigenes Werk nicht mehr interessiert zu haben scheint. Und das, was ihn am meisten erstaunt, von beinah einem Tag auf den anderen. Er wachte auf, eines Tages, und hatte keine Lust mehr. Einfach keine Lust mehr. Da traf es sich gut, dass er mit den Leuten sehr gut konnte, die es zuvor noch abgeholt, verpackt und umhergefahren haben. Da gab ein Wort das andere und er war engagiert, vom Fleck weg. Und sei nicht unglücklich, im Gegenteil. Er habe ja am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Geld zu haben und eben nicht nur darüber zu reden.

Das wiederum scheint die Kelm zu amüsieren, die sich ein, selbst für ihre Klientel, sehr arrogantes Lächeln antrainiert hat. Sie verweist Brandenburg auf die Plätze und argumentiert, dass es ja lächerlich sei, das eigene wirtschaftliche Scheitern mit einem derart billigen (gesagt hat sie ‚billigem‘ – falsch, vielleicht jedoch den vielen Lampies geschuldet) psychologischen Kniff vor sich selbst und dem Rest der Welt zu rechtfertigen. Am Ende des Tages zählten eben die Abschlüsse, die Zahlen und die Schwere der Schwärze der Tinte. Auch wohlwollende Kritiker ihrer früheren künstlerischen Jahre kommen, leider, nicht umhin, eine deutliche und fahle Leere in ihrem Ausdruck zu erkennen.
Das scheint ein gefundenes Fressen für Gregor Hildebrandt zu sein, doch weit gefehlt. Zwar gibt er den ‚Spring ins Feld‘, doch schlicht einfach nur so (wie es eben seine ART ist, raunen nicht wenige) und nicht gegen die Kelm. Er argumentiert klug, mit der Weisheit der eigentlich viel Älteren und auch väterlich. Er sagt schlicht, „Hauptsache gesund – mitnehmen können wir alle nix!“ Da von diesem Abend niemand der Anwesenden die zweite Erfindung des Rades erwartet hat, ist man dennoch verblüfft über die Schlagkraft, die jener Satz zu entfalten vermag, da er alleine stehen bleibt und somit etwas wirken kann. Ein leicht unruhiges Umherrutschen und verstohlenes Gläserbetrachten bricht sich Bann.
Bleibt noch der Olafur, der das geschmeidigste und konstanteste Lächeln des Abends managt, was wohl Ursache und Wirkung ist. Sein vormals mittelständischer Betrieb hat sich zum handfesten Produktionsunternehmen gemausert, und da nichts mehr außer Haus gegeben wird, verdient er an jedem Schritt jeder Arbeit. Auch sitzt er nicht mehr dauernd am Telefon, im Grunde gar nicht mehr. Das erledigen seit einigen Monaten zwei Assistenten. Sie sitzen, mit kleinem Computer auf dem Schoß und Headset am Ohr, am Rand. Er verströmt, obgleich nicht nennenswert erdickt, die leider verblassende Aura richtiger Industrieller.
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