Alte Hasen

KW

2009:Nov // Fiona McGovern

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11-2009











Unter dem Motto „Alte Hasen“ starteten die Kunst-Werke im Juni eine fortlaufende Gesprächsreihe mit Kuratoren, Sammlern und Kunstkritikern der letzten Dekaden. Während die Sammlerin Ingvild Goetz zwischen den fünf geladenen Gästen als einzige Frau die Ehre hatte, waren es auf der Seite der Fragenden immerhin drei: die Leiterin der Daimler Kunst Sammlung Renate Wiehager, sowie die Kunstkriterinnen Amine Haase und Isabelle Graw. Nur bei letzterer wurde dieser Umstand dann auch zum Thema; ein Umstand, den die veranstaltende Kuratorin, Susanne Pfeffer, neben ihrer tatsächlichen Unterpräsenz in dieser Generation auch mit der Scheu der angefragten Frauen vor dem Rampenlicht begründete. Jenseits der Genderfrage verliefen die öffentlichen Gespräche meist im ruhigen Plauderton, oftmals war das jeweilige Duo bereits im Vorfeld miteinander vertraut und zu kritischen Nachfragen seitens des Publikums kam es selten. Schon der Flyer machte deutlich, dass die „alten Hasen“ hier grundsätzlich als „weise Eulen“ gehandelt wurden, denen man mit Respekt vor ihrem Erfahrungsschatz begegnete. Das Früher-war-alles-besser wurde zwar nicht ausgesprochen, lag teilweise aber doch in der Luft – und das ganz ohne den spießbürgerlichen Beigeschmack. Die Anekdoten, das gemeinsame sich Erinnern an frühere Zeiten, an erste Atelierbesuche im New York der 1970er Jahre, an zufällige Begegnungen im Flieger und das Entstehen von Ausstellungsideen gaben ein vielfältiges Bild unserer Vorgängergeneration, die wenig gemein zu haben scheint mit dem heutigen Alltag der hiesigen Kunstwelt.

Von dem wiederholt geschilderten Engagement für die Kunst, dem sich ständigen Behaupten gegen Lokalpolitik, Zoll und Polizei sowie den geschmacklichen Mainstream, ist nicht zuletzt bedingt durch eine stetige Professionalisierung, Überangebot und leere Kassen nur noch wenig zu spüren. So traten die geladenen Gäste eben nicht nur als prägende Persönlichkeiten, sondern vor allem als Zeitzeugen auf. Meist allerdings fehlte bei aller Plauderei die Überleitung zur Frage nach dem heutigen Stand der Dinge, die laut Ankündigung als ein Grundanliegen der Reihe gedacht war. Dabei zeigte sich an den gut besuchten Veranstaltungen durchaus ein nicht zu leugnender Bedarf nach einem klareren Blick auf die gegenwärtige Lage der Kunstwelt, nach Erfahrungswerten, dem Blick hinter die Kulissen und somit Zugang zu überwiegend ungeschriebenen Geschichten des Galerie- und Ausstellungswesen, der Kunstkritik und des Sammelns.

Das Wissen, das hier in Form von Dialogen als eine Art Oral History vermittelt wurde, bleibt bestenfalls als Transkription nach den Gesprächen bestehen, wird aber selten weiter aufgearbeitet. So werfen die Gespräche auch ein Licht auf die Problematiken solcher Historisierungsversuche: Meist sehr erhellend und pointiert bleibt das Anekdotische aus wissenschaftlicher Sicht ein Zwitterwesen, kaum brauchbar als verlässliche Quelle. Mangelndes Dokumentationsmaterial macht die Rekonstruktion von Ausstellungen zunehmend schwieriger, die persönliche Erinnerung gewinnt demgegenüber an Gewicht. Für Hans Ulrich Obrist Grund genug, die Aktion „Join the Protest Against Forgetting“ ins Leben zu rufen, die Ende August auch Anlass zum Gespräch mit Elena Filipovic in „The Building“ bot. Seine jüngst publizierte Anthologie „[A]brief History of Curating“ führt auf ähnliche Weise den Mangel einer Geschichte des Kuratierens vor. Auch hier kein Fließtext, sondern elf Interviews die er mit einer Riege internationaler Museumsdirektoren und Kuratoren führte. Selbst in der Rolle des Befragten, befragt von jemandem, die bei ihm in die Lehre ging, wurde im Gespräch mit Filipovic deutlich, dass auch in der kuratorischen Praxis eine Art Ahnengalerie existiert, die Aufschlüsse über methodische Grundsätze heutiger Kuratoren bietet. Natürlich formt eine Auswahl immer auch einen bestimmten Kanon.

Die Gespräche sind bestimmt von subjektiven Eindrücken, ihre Verläufe abhängig vom jeweiligen Gegenüber und der Gesamtsituation. Diesen Materialfundus unkommentiert als „kurze Geschichte“ des Kuratierens zu verkaufen, wirkt daher etwas irritierend, hat Obrist selbst als Interviewer nicht unwesentlich Anteil an der Produktion eben dieser Quellen. Die Fragen, die sich daraus, bezogen auf einen adäquaten wissenschaftlichen Umgang mit diesem Tätigkeitsfeld und seinen bisher existierenden Quellen, ergeben, rücken gerade in Hinblick auf die nun auch hierzulande entstehenden Kuratoren-Studiengänge verstärkt in den Fokus. So laut Obrist die Alarmglocken gegen das Vergessen auch schlagen mag, an methodischem Handwerkszeug zum Schreiben einer Geschichte des Kuratierens, scheint es überwiegend noch zu fehlen.

„Alte Hasen“, Gesprächsreihe
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Postkarte „Alte Hasen“ (© KW)
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