Arbeit, Arbeit …

Kunst und Kunstkritik

2014:Jul // Thomas Wulffen

Startseite > 07-2014 > Arbeit, Arbeit …

07-2014














Einen Text zu verfassen, der sich mit dem Thema ‚Arbeit‘ befasst, hat seinen Reiz.
Ist diese Aussage trivial oder von besonderer Tiefe? Einen Text dazu zu schreiben, ist in diesem Sinne eine Trivialität besonderer Güte. Schließlich entsteht er ‚aus freien Stücken‘ und ein Honorar steht auch nicht an. Dabei ist der Konnex zwischen Arbeit und Entlohnung die Basis eines entwickelten Kapitalismus. Der Arbeiter bzw. die Arbeiterin sind jene Figuren, die dem frühen Kapitalismus ein ‚Gesicht‘ gaben. Eine Ikone dafür ist die Zeichnung einer Mutter, die für ihr Kind um Brot bettelt. Das sieht heute anders aus, wenn wir überhaupt die Frage nach dem ‚Antlitz‘ des zeitgenössischen Kapitalismus stellen wollen. Wer zeichnet jene ausgemergelten Gesichter von Kindern und hält ihre Gesichter mit einer digitalen Kamera fest? Die Arbeitsweisen unterscheiden sich je nach Längenbreiten und … Der hiesige Kapitalismus weiß sehr wohl, wie er einen guten Leumund vorspielen kann, ohne dass die Werktätigen aufmucken. Die Regularien bei Gehaltsverhandlungen gleichen sich. Wer hier wen über den Tisch zieht, ist ein lustiges Spiel, aber zumeist ist es ein Spiel von kurzer Dauer… Die wirklichen Kämpfe scheinen alle vom Nebel der Geschichte verschluckt. Die Befriedungsstrategien zeigen Wirkung. Und was im Nachbargarten gerade passiert, interessiert kaum einen, auch wenn diese Welt dort die Fehler wiederholt, die der entwickelte Kapitalismus hier und dort überwunden hat.
Nichts stellt sicher, dass frühere Stadien wieder eine Wiedergeburt erleben. Die Masse der Arbeitslosen in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat ein eingewanderter Österreicher wohl genutzt. Schließlich kann man das ‚Ornament der Masse‘ bei jedem Bundesliga-Spiel sehen. Es ist ja auch ein schönes Bild, wie die arbeitende Klasse sich amüsiert… Und darüber amüsiert sich wieder die Hautevolee: „vornehme Gesellschaftsschicht; bessere, feine Gesellschaft“, wie uns der DUDEN aufklärt (http://www.duden.de/rechtschreibung/Hautevolee).
Das Ornament der Masse in der heutigen Arbeitswelt kann kaum noch unter einem Begriff dargestellt werde. Die Arbeitswelt hat sich grundlegend gewandelt. Den Heeren der ‚Arbeitsberechtigten‘ stehen jene gegenüber, die ihre Arbeitsstätte in der eigenen Wohnung haben. Das neue Prekariat findet hier seinen Haushalt, sein Büro und seinen Entertainmentbereich, sei es das WWW oder der hochgelobte Filmkanal. Und gleichzeitig ist das Zimmer eine Produktionszelle, in der sich Buchstaben zu lesbaren Sätzen zusammen finden und Sinn ergeben sollen.
Am Ende steht der Autor allein mit seinem Vermittlungsangebot, weil er eine Reaktion nicht erwarten kann. Der Autor steht einem Kunstwerk gegenüber, das er in seiner Art und Weise vermitteln soll. Die erste Barriere für diesen Vermittlungsversuch ist das Werk selbst – und der Text, der ihm antwortet. Wenn es gut geht, entsteht ein Spiel zwischen Werk, Autor und Leser, das eine Fortsetzung findet, die erst sein Ende bestimmen kann.
Zwischen Text und Kunst-Werk aber gibt es eine Kluft, die überwunden werden will.
Der visuelle Eindruck sucht nach einem Äquivalent im Text. Und umgekehrt, möchte man hinzufügen. Der visuelle Eindruck besitzt gegenüber dem Text, dass er ebenso gut ohne Text auskommt. Gilt das auch für den Text? Ja, wenn er selbst als Kunstwerk auftaucht. Der Autor hat dafür ein Triptychon entwickelt, dessen einzelne Teile das Layout dreier damaliger Kunstschriften kopierten und im Text das Verfahren erläuterten. Herausgegeben als Edition mit drei unterschiedlichen Layouts, waren die ‚Textbilder‘ direkt an der Wand aufgehängt. Die Edition war käuflich zu erwerben. Sie fand keinen Käufer, auch nicht bei den ‚kopierten‘ Kunstmagazinen.
Also wird es weiterhin darum gehen, eine ‚Übersetzung‘ zu finden, die sich als Möglichkeit verstehen lassen will. Im Alltagsgeschäft eines deutschen Feuilletons aber muss sich die ‚Bildende Kunst‘ behaupten. Diese Tatsache wird gern übersehen. Der Platz wird immer kleiner und wenn man nicht gerade Platzhirsch oder -kuh ist, ist es aussichtslos. Der Markt kennt auch seine Pappenheimer, die die Hände offen halten oder mal vom Galeristen eine Einladung bekommen. Für Entdeckungen oder Übertretungen und Überraschungen gibt es da keinen Platz.
Und die älteren Semester werden ‚entlassen‘, weil eine jüngere Generation langsam an die Kunst herangeführt werden will … Gedanken über die Übersetzbarkeit der Bildsprache in einen Text des zeitgemäßen Feuilletons werden dann zumeist Zeitverschwendung, weil sie keiner mehr hören will.
Reziprok, 1993 (© Thomas Wulffen)
Microtime für Seitenaufbau: 1.25116109848