Gespräch zwischen Barbara Buchmaier und Thomas Fischer

/ „Welche Freizeit …?“

2011:Aug // Barbara Buchmaier

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07-2011











Barbara Buchmaier  /   Thomas, Mitte April, also vor genau sechs Wochen hast Du Deine eigene Galerie eröffnet. Wie kam es dazu?

Thomas Fischer  /   Die Idee gab es schon länger, immer in einer diffusen Form, aber doch schon mindestens zwei Jahre. Ich habe immer wieder nach Räumen gesucht, jedoch eher nach temporären. Dass es das geworden ist, was es jetzt ist, ging dann Knall auf Fall. Ausschlaggebend war, dass ich diese Räume im ehemaligen Tagesspiegel-Areal gefunden habe – und das im letzten Herbst. Dann musste ich sehr schnell entscheiden. Fündig geworden bin ich im Zusammenhang mit der Raumsuche für Andreas Murkudis, der ja hier im Hof im Juli seinen neuen Laden aufmachen wird. Wir haben damals das ganze Areal besichtigt, mit all den unterschiedlichen Räumlichkeiten und dann war klar, wenn nicht hier, dann nirgends: die Räume sind perfekt, wobei sie damals für meine Vorstellung eigentlich zu groß waren (190 qm, davon ca. 100 qm Ausstellungsfläche), auch wenn der Mietpreis hier gerade im Vergleich zu Mitte nicht hoch ist. Ja, letztlich waren die Räume der Auslöser, es komplett anzupacken.

Barbara Buchmaier  /   Wann hast Du den Mietvertrag unterschrieben?

Thomas Fischer  /   Im Dezember. Dann folgte die Renovierung, das Licht... Bis ca. 2003 saß hier die Berliner Traditionsfirma R. Goetze [Gold- und Silberscheideanstalt, Goldschmiedebedarf, Edelmetall An- und Verkauf], die haben hier u.a. ihre Sicherheitsanlage, Teppichböden und Tapeten hinterlassen, auf die ich noch gestoßen bin. Ich vermute, dass die Mietfläche von 2003–2010 leer stand.

Barbara Buchmaier  /   Du hattest angedeutet, dass Dir die Räume erst als zu groß erschienen?

Thomas Fischer  /   Ich hatte nie Angst vor der Größe, aber ich habe mir meine Galerie erstmal nicht so groß vorgestellt. Aber architektonisch haben wir es hier ja nicht mit einer großen Halle zu tun, sondern mit verschiedenen Einzelräumen, das macht es auch wieder einfacher. Sogar der Flur, den ich eigentlich als Schaulager nutzen will, wird bisher von den Künstlern als Ausstellungsfläche vor allem für Videoprojektionen genutzt. Was ich eher meinte, ist, dass die Räume einen Einfluss auf das Programm haben. Denn Leute, die ich mit einer 50-qm-Galerie nicht hätte ansprechen brauchen, zeigen jetzt Interesse, hier auszustellen, weil das für Ihre Arbeit attraktiv ist. Zum Beispiel der in Graz lebende japanische Fotograf Seiichi Furuya, dessen umfangreichen tagebuchartigen Werkkomplex „Mémoires“ aus den 80er-Jahren ich im Herbst zeigen werde.

Barbara Buchmaier  /   Was hast Du eigentlich genau gemacht, bevor Du Deine Galerie eröffnet hast und inwiefern hat Deine Entscheidung auch damit zu tun? Gerade weil Du ja vorher nicht in einer Galerie gearbeitet hast, wie viele Deiner Kolleginnen und Kollegen, scheint mir diese Frage interessant.

Thomas Fischer  /   Die Eröffnung einer eigenen Galerie war für mich eine logische und irgendwie auch zwingende Konsequenz. Das, was ich bei Andreas Murkudis gemacht habe, nämlich das Betreuen und Organisieren von Ausstellungen, lag ja schon ganz stark auf meiner Linie. Da ging es vor allem um Fotografie und es gab Berührungspunkte mit dem Laden, auch weil die Ausstellungen im Laden stattgefunden haben, aber es ging eben vor allem um die Vorlieben von Andreas. Gleichzeitig gab es den ernsthaften Versuch, in einem Laden, in dem es Mode gibt, Design und Objekte, trotzdem eine Kunst-Ausstellung zu machen, die funktioniert. Und das gelang einmal über die Räume, weil die das zugelassen haben und zum anderen, weil die Kunst – anders als in anderen Concept Stores – nicht nur irgendwo dazwischen gehängt wurde. Außerdem gab es immer einen thematischen Anknüpfungspunkt.

Barbara Buchmaier  /   Und im Laden, was waren da sonst deine Aufgaben?

Thomas Fischer  /  Ich habe Kunden betreut, ich habe Bestellungen gemacht, Produktrecherche betrieben... eigentlich alles.

Barbara Buchmaier  /   Wie schätzt Du die Überschneidungen zwischen dem Mode- und Galeriebusiness ein, gerade in Hinblick auf das Publikum und mögliche Kunden? Das wird ja schon bald ganz akut, wenn Murkudis unten im Hof seinen Laden eröffnet. Was schätzt Du, wie wird das zusammenlaufen?

Thomas Fischer  /   Ich bin mir sicher, es wird super zusammenlaufen. Meiner Ansicht nach ist es folgerichtig, dass sich Murkudis im Kunstkontext ansiedelt. Denn viele Künstler und Galeristen haben bei ihm eingekauft. Ich habe eher den Eindruck, dass es andersherum nicht so funktioniert, also dass die Modeleute sich weniger im Kunstkontext aufhalten. Ohne Andreas hätte ich hier wahrscheinlich nicht aufgemacht, und das gilt sicher auch für andere Galerien. Wenn man hört, dass Murkudis kommt, hat das schon eine Sogwirkung und spricht für ein langfristiges Engagement. Interessant ist ja, dass zum Zeitpunkt, als Murkudis’ Entscheidung für den Standort fiel, Florent Tosin mit seiner Galerie der einzige war, der bereits hier war und einen Mietvertrag unterschrieben hatte.

Barbara Buchmaier  /   Hast Du schon etwas gehört, ob weitere Boutiquen folgen?

Thomas Fischer  /   Nein, da ist mir nichts bekannt.

Barbara Buchmaier  /   Will Andreas Murkudis denn auch weiterhin Ausstellungen machen?

Thomas Fischer  /   Das wird man sehen. Die Räume sind riesig. Ob und wie sie sich für Ausstellungen eignen, ist noch unklar. Vielleicht wird dafür dann auch ein neuer Ort entstehen.

Barbara Buchmaier  /   Hattest Du für Deine Galerie auch mal einen Standort außerhalb Berlins in Erwägung gezogen?

Thomas Fischer  /   Ich komme aus Ulm, und natürlich gab es irgendwann mal die Überlegung: gehe ich nach Ulm zurück und mache das da …? Aber ich lebe seit 14 Jahren in Berlin und meine Verbindungen sind alle hier. Zurück zu gehen würde keinen Sinn machen.

Barbara Buchmaier  /   Und es war auch nicht abschreckend zu wissen, dass es hier in Berlin schon so und so viele Galerien gibt?

Thomas Fischer  /   Der Standort hier auf dem Hof, der ist mein Segen. Dass es viele Galerien gibt, das ist eh klar und dass es schwierig wird, ist auch klar. Das ist und war aber kein Grund für mich, die Galerie nicht zu machen. Klar, im Kunstbusiness ist es oft nicht so einfach zu durchschauen, wie die Dinge funktionieren. Aber das war kein Grund, es nicht zu wagen.

Barbara Buchmaier  /   Wie wählst Du Deine Künstler/innen aus, und: verfolgst Du eine bestimmte Programmatik? Schaut man sich Dein bisher feststehendes Ausstellungsprogramm an (Laetitia Gendre, Sebastian Stumpf, Seiichi Furuya), könnte man auf eine Konzentration auf Fotografie, Film und Zeichnung schließen.

Thomas Fischer  /   Klar gibt es Vorlieben und ich setze jetzt tendenziell erstmal auf Künstler, die ich schon lange kenne. Bei Laetitia Gendre war es immer klar, dass ich mit ihr zusammenarbeite, wenn ich eine Galerie mache. Ansonsten schaue ich mir einfach wahnsinnig viel an, und das noch mal ganz anders als früher.

Barbara Buchmaier  /   Möchtest Du etwas zu Deiner kuratorischen Tätigkeit für den Ausstellungsraum Souterrain sagen?

Thomas Fischer  /   Bei Souterrain habe ich seit 2007 ein- bis zweimal im Jahr eine Ausstellung gemacht. Das Format war dann aber irgendwann ausgereizt. Im letzten Herbst habe ich dort meine letzte Schau kuratiert, mit Rapedius/Rindfleisch und theoretisch bin ich auch jetzt noch dabei. Von 2001 bis 2008 habe ich auch Führungen durch die Sammlung Hoffmann gegeben. Das hat meinen Umgang mit Kunst sehr stark geprägt.

Barbara Buchmaier  /   Du wolltest nochmals auf die Programmatik Deiner Galerie zu sprechen kommen …

Thomas Fischer  /   Ja, vielleicht kann man es so sagen: Es gibt keine Festlegung auf ein Medium. Vielmehr interessiert mich eine Uneindeutigkeit. Bei Laetita ist es ein Wechseln zwischen installativem Arbeiten und Zeichnung; nicht ein klassisches Zeichnungsformat, sondern die selbstreflexive Arbeit mit Film. Es geht um den Prozess, wie entstehen Zeichnungen, unter welchen Umständen, und wer macht das – es geht nicht zwangsläufig um ihre eigenen. Diesen sehr weit gefassten Begriff von Zeichnung finde ich spannend. Und das gilt auch für Sebastian Stumpf, denn da geht es eindeutig um die wechselseitigen Bedingungen von Aktion/Performance auf der einen und Fotografie/Video auf der anderen Seite. Das eine existiert nicht ohne das andere.

Barbara Buchmaier  /   Diese Auswahl der Künstler …

Thomas Fischer  /   … ist eine sehr persönliche Sache. Und das hat wenig mit nachvollziehbaren Dingen zu tun.

Barbara Buchmaier  /   Gibt es für Dich Vorbildfiguren im Galeriegeschäft?

Thomas Fischer  /   Ich würde nicht von Vorbildern sprechen, aber es gibt natürlich Galerien, deren Programm ich sehr schätze, wie z.B. KOW.

Barbara Buchmaier  /   Planst Du, Deine Ausstellungen durch Künstlergespräche zu ergänzen?

Thomas Fischer  /   Ehrlich gesagt, das kommt ganz auf die künstlerische Position an. Ich werde das nicht generell machen, gerade mit den jüngeren Künstlern erstmal nicht. Bei anderen habe ich aber schon daran gedacht. Projekträume hingegen sollen das auf jeden Fall machen. Dafür müssen sie ja nicht von Dienstag bis Samstag geöffnet haben, wie eine Galerie das meiner Meinung nach sollte. Ich kann nicht anfangen, meine Galerie nur von Donnerstag bis Samstag aufzumachen, sonst würde es sich für mich wie ein Projektraum anfühlen.

Barbara Buchmaier  /   Was denkst Du über das Aus des Art Forums bzw. die abc?

Thomas Fischer  /   Das ist schon ziemlich krass. Mich betrifft das Aus des Art Forum jetzt aber nicht wirklich negativ, obwohl ich mich im Huckepack-System über eine andere Galerie mit für einen Stand beworben hatte. Dadurch, dass sich jetzt alles hier um die Potsdamer Straße konzentriert und durch die positive Erfahrung, was das Galeriewochenende an Leuten gezogen hat, geht es für mich aber jetzt erstmal auch ohne Messe in Berlin. Aber grundsätzlich weiß ich nicht, ob es gut ist, eine Messe und die Internationalität, die sie mitbringt, einfach so zu streichen.

Barbara Buchmaier  /   Abschließend die Frage: Was machst Du in Deiner Freizeit?

Thomas Fischer  /   Welche Freizeit …? Also sonntags habe ich inzwischen Email- und Galerie-Geh-Verbot, denn ich bin immer wieder versucht, doch noch mal hinzufahren. Ich wohne in Mitte und die Wege zu machen, das empfinde ich momentan als extrem wichtig. Ansonsten suche ich jetzt einen neuen Boxclub, am liebsten natürlich hier in der Nähe. Mein jetziger Club befindet sich in Weißensee und das ist einfach zu weit weg.

Barbara Buchmaier  /   Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch fand am 31. 5. 2011 statt

Thomas Fischer, geboren in Ulm, 36 Jahre alt, abgeschlossenes Studium der Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte in Berlin. Bereits parallel zum Studium arbeitete er mit Andreas Murkudis zusammen, damals noch im Museum der Dinge. Später dann war er als Mitarbeiter in den Läden von Andreas Murkudis tätig (www.andreasmurkudis.net). Parallel dazu gab er Führungen in der Sammlung Hoffmann und kuratierte Ausstellungen im Ausstellungsraum Souterrain. Am 15.4. 2011 eröffnete er seine Galerie in der Potsdamer Straße 77–87 mit einer Einzelausstellung der französischen Künstlerin Laetitia Gendre. Noch bis 23.7.2011 läuft die Ausstellung „Highwalk“ von Sebastian Stumpf (www.galeriethomasfischer.de).

Thomas Fischer (© mit freundlicher Genehmigung von Thomas Fischer)
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