Artur Żmijewski

NBK

2007:Jul // Nikolai Franke

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07-2007
















"Ausgewählte Arbeiten", in Kooperation mit dem Video-Forum der NBK für die Ausstellung produziert, zeigen dem Anschein nach nichtprekarisierte (in die polnische Büglerin scheint in einem festen Angestelltenverhältnis zu stehen, und die deutsche "Putzfrau" ist vor allem "Hausfrau", ihr Mann geht Arbeiten, und alle leben in kleinbürgerlichen Verhältnissen; mit Abstrichen gilt das auch für die mexikanische Imbißköchin; insgesamt also eher spät- als postfordistische Arbeit), nichtwiderständige, in keinen akut sichtbaren Konflikt verwickelte Arbeiterinnen und Arbeiter, deren Alltag sie 24 Stunden lang (im Schlaf mit nightshot) begleiten. Der Eingriff des Künstlers auf mehreren Ebenen wird schnell deutlich. Subtiler im Versuch der Gefilmten, der Kamera eine würdige Erscheinung zu bieten, in Körperhaltungen, in den meisten Videos fast völligem Schweigen. Manifest, oder auch nur vermutbar, in der Auswahl: Fast alles findet in geschlossenen Räumen statt, isoliert und ohne Öffnung, die sozialen Aktivitäten sind in sich nochmal isolierend: fast überall ohne Gespräch; es gibt, auch wenn einige Arbeiten anstrengend sind, kaum einen Moment der Herausforderung, keine Situation, die Entscheidung und Lösung erfordert. Das so gezeichnete scheindokumentarische Bild gibt über die Wirklichkeit kaum Auskunft (und bleibt so an Einsicht weit hinter Dokumentationen wie hinter literarischen Verdichtungen zurück). {1} In seinem Gehalt entspricht es einem ­ nicht dem einzigen ­ in den privilegierteren Klassen gängigen vom in entgeistende Routinen, Tristesse und Monotonie gezwängten Arbeiter. (Alternative Bilder betreffen beispielsweise die hemmungslosere proletarische Sinnlichkeit.) Es entsteht eine Reibung zur sich aussetzenden, der Intention Zmijewskis vermutbar ungewärtigen Intimität der Gefilmten. In seinen Texten wiederholt Zmijewski unablässig, seine Filme seien Argumente und haben sich einer Überprüfung, und zwar möglichst durch Experten des thematisierten Gebietes zu unterziehen.{2} Vielleicht muß auch unter diesem Vorsatz der Einsatz der Kunst nicht der wissenschaftlicher Beschreibung sein. Der Tradition der polnischen Avantgarden, der Kritischen Kunst etc., in die Zmiewski sich stellt, entspräche es, Publikumsreaktionen zu kalkulieren. Da diese Reaktion, der Beschaffenheit der Arbeiten nach aber weder Zustimmung zur Beschreibung und nachfolgende Kritik am Bestehenden sein kann, fürchtet man, es könnte darum gehen, Abscheu vorm häßlichen Proleten und seiner Uninteressantheit {3} zu provozieren und so den Dünkel des Publikums zu “entlarven”, so daß auch die Bürde der Demütigung nicht mehr auf Zmiewski fiele. 

In 80064 befindet Zmiewski sich mit Józef Tarnawa, einem ehemaligen Auschwitzgefangenen, in einem Tätowierstudio, um dessen Lagernummertätowierung zu erneuern. Als er abwehrt, beginnt Zmiewski, Druck auf ihn auszuüben und sich auf ihre Abmachung zu berufen; Art und Plötzlichkeit des Widerstands zeigen, daß auch die Abmachung schon auf Druck hin zustandegekommen ist: man spürt, daß Tarnawa sich selbst gestattet hat, dem Druck auszuweichen, indem er sich gesagt hat, daß das Ereignis noch eine Weile aussteht; jetzt, da es bevorsteht, widersteht er zunächst und gibt dann nach, indem er die Verantwortung wieder von sich schiebt, diesmal auf die ja bereits getroffene Verabredung. Zmiewski fragt ihn nach Widerstand im Lager; Tarnawa erklärt, es habe da, um zu überleben, nur Unterordnung gegeben. Unterordnung ist keine Einordnung in ein Gemeinsames, sondern Unterwerfung unter die Macht des Feindes. Zmiewski appelliert an Vertragstreue. Vertragstreue setzt ein Gemeinsames voraus, das in den Lagern wesentlich radikal zurückgewiesen wurde. Erneuert werden in der Nummer als ihrem Emblem Gewalt und Unterordnung. Sie machen die obszöne Grausamkeit dieser Arbeit aus. Von Santiago Sierra sagt Zmiewski: “Er zeigt, wie die Kultur der Niedertracht, die er an den Tag legt, einen hohen Stellenwert verschafft.” {4} Tatsächlich: Sierra stellt den Kunstbetrieb aus, implizit also auch das Mißverständnis, Sierra liefere Bilder für kapitalistische Niedertracht, während er tatsächlich Bilder dafür liefert, daß diese Niedertracht im Kunstrahmen real wiederholt und belohnt wird. Zmiewski läßt seine Arbeit aussehen, als solle sie ein Bild für die Mechanismen der Unterordnung und davon geben, wie sie sich in der Wirklichkeit anfühlen. Viel höher aber ist hier das Gewicht des wirklichen Geschehens; es zum Bild zu instrumentalisieren, macht auch hier den eigentlichen Sinn der Arbeit aus. Zum Bild der Grausamkeit tritt ihre Wirklichkeit.

Die scheinbare Affirmation eines Verbrechens, auch nur eines Mißstandes, in der Kunst hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, wenn sie einen Protest provoziert, der sich dann als falsch herausstellt, weil er als Kunst, also als öffentliches Bild angreift, was er in der Realität akzeptiert, und so ungewollt unter Beweis stellt, daß es ihm um die Abwehr, geradezu das Verbot des Bildes, also des Bewußtseins des Mißstandes geht. Das Bewußtsein des Mißstandes zu verdrängen schützt den Mißstand. Das ist der Spiegel. Er ist am Platz, wenn das Thematisierte sonst unthematisiert ist; auch wo er am Platz ist, macht er die Reflexion der Beziehung von Darstellung und Verwirklichung eines (gelegentlich eben auch nur vorgeblich, oder auch: vermeintlich) kritisierten Verhältnisses nicht überflüssig. Zwar is die Wirkung der persönlichen Konfrontation durch eine verdichtende Erzählung nicht zu ersetzen. Ob der Umgang mit Opfern auch der polnischen Geschichte eine solche Arbeitsweise nötig macht, muß von hier aus nicht beurteilt werden; Zmiewski, der insistiert, der Künstler habe sich um die Rezeption seiner Arbeiten zu kümmern, und der selbst für ihre Präsentation in Berlin gesorgt hat, hätte diese Basisinformationen mitliefern können. Ohne sie ist auch diese Arbeit schwer hinnehmbar. 

Artur Zmijewski, "Ausgewählte Arbeiten"
NBK
Chausseestraße 128/129
19.5.-24.6.2007


{ 1 Ob Zmiewski das so sieht, ist allerdings fraglich. Beispielsweise behauptet er allen Ernstes: “Diese Damen gehören zur Unterschicht und schweigen als solche”. Artur Zmijewski, Ausgewählte Arbeiten, Berlin 2007 (Katalog zur Ausstellung, Revolver Verlag), S. 71, 138 }

{ 2 op. cit., S. 71, 138 } 

{ 3 vgl. op. cit. S.19f }

{ 4 op. cit. S. 75 }

Artur Żmijewski, Filmstill, „Dorota, Supermarktverkäuferin“ (© 2006 the artist)
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