Städelschule

2014:Mar // Barbara Buchmaier, Vera Palme

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03-2014
















Dunkle Röhrenjeans und schwarzer Rollkragenpullover
/Ein Emailaustausch mit Vera Palme von Barbara Buchmaier
 
Als ich vergangenen Sommer bei einem Frankfurt-Besuch mal wieder durch die Gänge der Städelschule gelaufen bin, habe ich mich gefragt, wie viel Einfluss die (Innen)Architektur einer Kunstschule – neben den Professor/innen – wohl auf das hat, was dort entsteht und welche Diskurse geführt werden. Die Städelschule unterscheidet sich in ihrer tendenziell abgefuckten und postmodern ergänzten (Innen)Architektur stark von den großräumig und prachtvoll angelegten Hauptgebäuden der Kunsthochschulen etwa in Berlin (UdK), Düsseldorf, Dresden oder München. Und trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb? – funktioniert sie als Kaderschmiede für zeitgenössische Künstlerkarrieren, inhaltlich wie kommerziell. Um diese Überlegungen, aber auch um die Frage, welche Rolle „Mode“ an der Städelschule spielt, dreht sich der folgende Emailaustausch.
 
Barbara Buchmaier   /      Vera, Du hast vier Semester an der  Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert und bist jetzt seit kurzem als Gaststudentin an der Städelschule bei Monika Baer, die dort für circa zwei Semester die ehemalige Malereiklasse von Christa Näher leitet, welche später von Amy Sillman übernommen wird. Da Du selbst aus Frankfurt stammst und auch Freund/innen hast, die dort studiert haben, kanntest Du die Schule ja gewissermaßen schon vorher. Wie ist nun Dein erster Eindruck, nachdem Du selbst dort studierst? Welchen Einfluss hat die Architektur der Schule auf Dich? Welchen Beigeschmack verleiht sie der Stimmung?
Vera Palme   /      Die Städelschule kann ein wunderbarer Ort zum Arbeiten sein. Die großzügige Befensterung, die kurzen Wege und die Asymmetrie schaffen eine Lockerheit, in der man sich leicht bewegen kann, körperlich wie geistig. Dazu kommt die besondere soziale Struktur der Schule. Die ist sehr wichtig. Durch die geringe Studierendenzahl wird es schnell persönlich, dem kann man sich kaum entziehen, aber darum geht es hier ja auch: Austausch und Kontakte. Dies kann jedoch den versprochenen Freiraum auch schnell wieder einengen. Eiserne Nerven können ganz nützlich sein. Der Treibsand der Städel-Elite kann da schon mal die furchteinflößenden und dunklen Gänge mit überdimensionierten Türen anderer Kunsthochschulen ersetzen. Aber da muss man durch, mitspielen! Love it or leave it! Wenn man das alles nicht so ernst nimmt, dann macht es sogar Spaß.
Dazu kommt, dass Frankfurt als Stadt, anders als z. B. Berlin, nicht so viel von dir fordert, im Gegenteil: hier kann man, wenn man nachts die Schule verlässt, das Gefühl der Erhabenheit konservieren, bzw. lässt die Depression dann sofort spürbar nach …
Buchmaier   /     Wie stark kokettiert man mit dem positiven Image der Schule? Wie stark baut man bereits während des Studiums auf zukünftigen Erfolg?
Palme   /      Die meisten kommen hierher, weil sie um die besonderen Möglichkeiten der Schule wissen, die Qualität der so genannten Lehre und den Karriereanschub.
Man will was, und im besten Fall bekommt man das auch auf dem Silbertablett serviert. Aber dafür muss man eben auch funktionieren und nicht so viel in Frage stellen. Die Schule sorgt dabei für einen reibungslosen Ablauf und unterstützt die Höhenflüge der Studierenden. Während des Studiums nicht vorschnell in die ausliegende Falle zu tappen und – gewollt oder nicht – im Städel-Stil zu produzieren, um vermeintliche Erwartungen zu erfüllen, ist nicht so einfach. Das gilt für die Kunst genauso wie für das Auftreten und den Look.
Buchmaier   /     Spricht man denn miteinander auch über erfolgreiche Absolvent/innen der Schule?
Palme   /      Sicher. Die sind ja Teil der eigenen Genealogie, die ja gerade an der Städelschule natürlicher Teil der Lehre ist. Die Jüngeren kennt man vielleicht noch persönlich. Und an den runden Geburtstagen kommen dann alle zusammen und man tauscht Erinnerungen aus …
Buchmaier   /     Wie ist das Outfit der Studierenden, welche Brands laufen da so?
Palme   /      Ich glaube, Mode ist nicht mehr oder weniger wichtig als irgendwo anders. Man trägt halt, was man mag, und natürlich wissen alle, was angesagt ist. Understatement. Ausgewähltes, betonte Nachlässigkeit und gerne mal etwas daneben. Nike. H&M. Barbour. Dries van Noten. Flohmarkt oder so. Was man aber nicht unbedingt sofort sieht. Das meiste wird gefunden, geerbt, getauscht oder geklaut. Ein bisschen Vice, ein bisschen Vogue. Weiße Sneakers, Basecaps, Vintageblusen, Trenchcoats, Funktionsjacken und Leggins so weit das Auge reicht. NewEngland vs. WindowsMediaPlayer. 90s big time. Aber das ist ja gerade generell Trend. Mich würde interessieren, ob Du den Eindruck hast, dass Kunststudent/innen heute so sind/sein müssen? Wird das von uns erwartet?
Buchmaier   /     Das ist eine schwierige Frage. Ich habe dazu während meiner Lehrveranstaltungen zwei hier selbstkritisch formulierte Beobachtungen gemacht:
Gerne erscheinen einem die „richtig“ Gekleideten auch als „richtig“ gebildet, da man vermutet, sie wüssten nicht nur auf der Kleiderebene genau, was und wie gerade diskutiert wird. Manchmal sind dann jedoch die unauffällig zum Beispiel im Öko-, Worker- oder Outdoor-Style Bekleideten die interessanteren Diskussionspartner/innen. Es kommt aber natürlich auch darauf an, was und wie man etwas besprechen möchte. Und oft erlebt man da auch völlig Unerwartetes.
Palme   /      Ich ertappe mich immer öfter dabei, eine Art Uniform anzulegen. Die besteht aus dunklen Röhrenjeans und schwarzen Rollkragenpullovern. Im Ernst.
Buchmaier   /     Das kann ich total nachvollziehen. Bei mir sind es seit langem auch nur noch wenige unauffällige Kleidungsstücke, auf die ich immer wieder zurückgreife, egal, wo ich arbeite oder bin, in der Hochschule, in der Bibliothek oder auf Eröffnungen. Hast Du denn den Eindruck, dass Deine Kommiliton/innen ähnlich agieren?
Palme   /      Viele Kunststudent/innen studieren Kunst, weil sie gerne Künstler/in sein möchten. Dann sehen sie eben auch so aus wie Künstler/innen. Ganz einfach. Die Klamotte ist Behauptung, Teil der Arbeit, auch das vermittelt sich spätestens an der Kunsthochschule. Aber wieso sind Galerist/innen oft viel modebewusster als ihre Künstler/innen?
Buchmaier   /     Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Galerist/innen immer noch öfter repräsentieren müssen und in Kontakt treten zu Sammler/innen, Kurator/innen etc., die oft selbst die Codes genau kennen und bedienen, auch was die Preisfragen und finanzielle Werte angeht. Ich habe aber auch beobachtet, dass gerade junge Künstler/innen, die viel mit Galerist/innen und Kurator/innen zu tun haben, sehr teure Brands tragen und dies auch zeigen. Hier noch eine letzte Frage: Welche Rolle spielen Drogen an der Schule?
Palme   /      Elvis has left the building.
 
14-5.JPG (© Christina Zück)
14-palme.JPG (© Christina Zück)
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