Interview mit Ben Kaufmann

/ „Ich finde es nun mal gut, wenn sich Leute auch mal zoffen“

2011:Aug // Wayra Schübel

Startseite > Archiv > 07-2011 > Interview mit Ben Kaufmann

07-2011
















Aus den Untiefen gemeinen Gassen-Gossips war mir zu Ohren gekommen, dass die Galerie Ben Kaufmann schließen wird, was mir eine gute Gelegenheit schien, Lästereien aus dem Berliner Kunstgeschehen abzufassen. Um nicht plump mit der Tür ins Haus zu fallen, leierte ich das Gespräch damit an, dass ich über ein Zitat auf ihn aufmerksam wurde, das sich so herrlich kritisch über den verschwundenen Ai Wei Wei äußerte.

Ben Kaufmann  /   Ja, ich hatte in einem Interview gesagt, dass Ai Weiwei bei Neugerriemschneider ein „No-Go“ zum Gallery-Weekend sei. Das war nicht despektierlich der Galerie gegenüber gemeint, sondern hierzu muss ich sagen, dass ich Ai Weiwei 2007 auf der Documenta kennengelernt habe. Ein Oligarch, der mit einem Tross von zehn bis zwölf Leuten im Schlepptau unterwegs ist. Ein bis zwei Jahre später kurvte er mit einem Rolls-Royce durch Miami-Beach. China ist ein totalitäres System, aber die Chinesen im Ausland, selbst wenn sie sich mit ihrem Vaterland beschäftigen, da artet der Erfolg dann total kapitalistisch aus. Sei ihnen ja gegönnt. Aber die Kunst, also was ich 2008 im Haus der Kunst gesehen habe, mit den Rucksäcken an der Fassade – das ist so eine Größe, so überdimensioniert, so polemisch. Auch das Anliegen, kritisieren zu wollen, ist absolut legitim – aber muss es gleich diese Opulenz sein? Inhalt wird nicht gemindert durch eine kleinere Präsentation.

Diese Gesprächstaktik bricht zwar meine Einstiegs-Intention erstmal auf, jedoch gefällt mir die Richtung ganz gut und ich lasse mir Funktionsweisen von Netzwerken erläutern.

Ben Kaufmann  /   Die „Welt am Sonntag“ hat eine Rubrik: Tischgespräche. Ich erinnere mich an eines, das war „Tischgespräche mit Samuel Keller“, geführt von Hans-Joachim Müller. Da waren sie beide in der Fondation Beyeler, plaudern über ihr delikates Süppchen, trinken exquisiten Grauburgunder. Das war kurz bevor die Ausstellerliste der Art Basel rauskam, die Sache mit Lybke und Giti Nourbakhsch und so. Jedenfalls erzähle ich das, weil das ein Paradebeispiel ist, wie das alles immer funktioniert: Der Keller kritisiert ganz leicht an seinem Nachfolger herum, er hätte z.B. dem Lybke auch im Vorfeld klar machen können: „Hör mal zu, wie Du Deine Stände machst, das geht halt nicht … usw.“ Aber so hat man das nicht kommuniziert, sondern ihn einfach exmatrikuliert. In der Fondation Beyeler zeigten sie derzeit den Schweizer Landschaftsmaler Giovanni Segantini – das sei ja so ein tolle Ausstellung in der Fondation, sagt der Keller zum Müller, grad war der Tim Neuger hier, der war so begeistert von Segantini und von seiner Bedeutung, und hat gleich gesagt: Das MUSS ich dem Billy Childish erzählen, dass er sich das anschauen kommen soll. Der muss unbedingt die Ausstellung sehen. Childish hatte gerade bei Neugerriemschneider ausgestellt, eigentlich Musiker aus den 1960er/1970er, der hatte letztes Jahr in Basel eine Einzelkoje. Die war sofort ausverkauft, außerdem mit Bianca Jagger als Kojen-Besucherin, super galamäßig aufbereitet. Und so involviert also der Sam Keller den Tim Neuger und der den Billy Childish und der Hans-Joachim Müller notiert sich das dann alles und der Kreislauf nimmt seinen Lauf.

In Gedanken finde ich die Vorstellung, wie sich die Titanen beim Grauburgunder die Asse in den Ärmel schieben, ganz verführerisch machiavellistisch. Als ich hier nachbohre, komme ich zwar irgendwo anders raus, es bleibt aber spannend.

Ben Kaufmann  /   Es ist spannend zu sehen, wie sich die Heroen der Dekade entwickeln. Werden sie sich überhaupt halten? Wer davon? So wie die „Neuen Wilden“ oder „Neo Geo“ an Status verloren haben und viel später wieder eine Aufwertung erfahren. Ich sehe das nach wie vor zyklisch, in 10–20 Jahren kann sich alles vehement drehen, verändern. Wo ist Anselm Reyle in 20 Jahren? Wie wird der dann gesehen werden? Ein Neo Rauch, der hat einen festen Sockel, amerikanische Sammler haben das angeschoben, die haben ein starkes Interesse, dass die Sachen nie an Wert verlieren. Rauch ist in einem egalitären Preissegment, bei Reyle sind die Preise erschwinglich – das können sich auch Monopol-Leser zulegen, ist ja auch schick. Neo Rauch ist nicht schick, weil den können sich die meisten eh nicht leisten, mit ner halben Million. Zwanzigtausend für einen Reyle – das hat so eine Mittelschicht eher mal übrig.

Dann will ich an dieser Stelle aber doch wissen: Wie wird aus seiner Sicht ein Künstler aufgebaut? Welches System steckt dahinter?

Ben Kaufmann  /   Natürlich heißt einen Künstler aufzubauen auch, einen Künstler zu verkaufen: Der Kunstmarkt ist wahnsinnig wichtig. Natürlich gibt es viele Künstler, die für den Kunstmarkt keine Rolle spielen, die aber dennoch tolle Arbeiten machen, aber ein Schattendasein fristen müssen. Wenn sie Glück habe, vielleicht mal eine Professur bekommen. Es gibt auch Parallelsysteme, Kunstvereine zum Beispiel. Leute, die institutionell sehr erfolgreich sind, aber z. B. auf Messen Null präsent sind, weil ihre Arbeit einfach nicht messekompatibel ist. Man kann schon sagen, eine Honorierung hat sich wahnsinnig pro Kunstmarkt verlagert. Auch weil der Fokus extrem von den Medien auf junge Kunst gerichtet worden ist, was für eine jüngere Galerie wie mich auch super war, das hat viele Steine aus dem Weg genommen. Zwar in einer lapidaren Form, aber es wird mehr über Messen berichtet, als über gute oder wichtige Ausstellungen.

Und die Rolle von Sammlern bzw. Sammlungen?

Ben Kaufmann  /   Christian Boros, sein Bunker und jetzt sein Distanz Verlag – das ist ja auch wieder so ein System  – wegen der stereotypen Überblicksschauen junger Kunst, so die Kerbe, in die reingehauen wird. Denn es ist natürlich legitim, dass alle ihre Steckenpferde haben. So ist das halt. Das ist freie Wirtschaft. Mit dem Zeigefinger der zu kurz Gekommenen da drauf zu zeigen… das bringt es halt nicht, also dagegen anzustänkern, weil es in jedem anderen Job und jedem anderen Bereich auch so ist. Warum sollte das in der Kunst dann anders sein?

Sofort leuchtet mir ein, der Wurstfinger der zu kurz Gekommenen ist gar nicht mutig und nicht an meiner Hand – aber um was geht es dann?

Ben Kaufmann  /   Natürlich geht es auch hier um Geld und es geht auch um Überleben, auch für die Künstler geht es darum. Mag ja sein, dass Berlin eine Produzentenstadt ist. Aber es ist klar ein Markt, und vor allem dieser Kunstmarkt, der ist global zu sehen. In welcher Stadt auch immer Du bist, Du musst immer global verkaufen. Und Berlin ist gerade die heiße Drehscheibe. Wenn ein Kurator aus London oder sonst wo herkommt, der fliegt dann halt nach Berlin, weil da kann er die fünf Leute abgrasen, die er will. Ob Galeristen, oder Künstler, die ja die Vorhut gebildet haben, die wollen hier nicht den Wettstreit, die wollen hier vor allem zusammen sein und auch zusammen feiern. Das nervt mich auch manchmal an Berlin, diese ewige Petersburger Hängung, mit Positionen, die sich nichts zu sagen haben, aber menschlich wird zusammen gekuschelt, also hängen die Arbeiten auch zusammen. So ist das auch mit Galerien. Mir fehlt die Abgrenzung, mehr Politik in der Kunst. Um Fragen, warum habe ich dieses, und der andere jenes Programm? Das ist auch marktstrategisch eine wichtige Frage, aber darum geht es mir nicht. Aber es gibt kaum mehr Unterschiede. Vielleicht war das früher auch nicht anders, vielleicht verkläre ich die Realitäten aus meiner Studienzeit, wo wir den Studenten vom gehassten Prof auch mal Gülle vor die Tür gekippt haben. Ich finde es nun mal gut, wenn sich Leute auch mal zoffen. Gerade in Berlin, mit dem Ost-West damals, der Mauer. Aber es gibt zwischen den Künstlern und den Galerien keinen Stolperstein, das verwundert mich einfach. Diese Umarmungszeremonien – das ist auch alles ziemlich körperlich. Es ist auch gut, aber es muss sich nicht immer in Harmonie ergießen, das wird dann schnell zum Brei. Die Etablierten, die Galerien vom Gallery Weekend, sind von anfangs 30 auf mittlerweile über 44 angewachsen. Da ist alles viel offener geworden. Ist zwar teuer für eine jüngere Galerie, die achttausend Euro, aber es ist trotzdem auch gut, im Kreise der Großen dabei zu sein. Und wir sind seit 2006 dabei, das ist dann schon wie ein Ritterschlag, so wie früher, wo es noch wahnsinnig schwierig war, in den Index reinzukommen. Das hat sich vor ein, zwei Jahren extrem geändert, auf einmal werden ganz viele Galerien aufgenommen.

Also Geld, klar, aber erstaunlich: Hier fordert jemand mehr Politik, mehr Ausgrenzung, mehr Konflikt..

Ben Kaufmann  /  Ich schließe ja die Galerie Ende des Jahres.

Na endlich. Nach all der Vorrede. Mir ist gar nicht klar, wieso eigentlich?

Ben Kaufmann  /   Berlin ist für manche das Friede-Freude-Eierkuchen-Programm, und für andere ist es das vielgefürchtete Haifischbecken. Aber das nimmt man vermehrt an Kollegen wahr: Warum ist er da und warum kommt er da nicht rein? Finanziell wäre es woanders viel einfacher, sicher, aber wenn man ehrgeizig ist und oben mitspielen will, muss man schon in Berlin sein. Die Künstler wollen auch in Berlin präsent sein. Dieses Jahr mache ich alles mit, ich habe uns noch richtig viel aufgehalst. Aber zu Weihnachten ist es vorbei.

Soweit also mein Gespräch, das mir immer besser gefiel, je mehr Abstand dazwischen kam. Als dann eine Woche später die Nachricht über das Ende des Art Forums publik wurde, bat ich noch um die Beantwortung einiger Fragen per E-mail.

Wayra Schübel  /   Die Meldung, das Art Forum findet nicht mehr statt: Fühlst Du Dich in Deiner Entscheidung, Deine Galerie zu schließen, bestärkt?

Ben Kaufmann  /   Nein, ich sehe das in keinem Zusammenhang. Das Art Forum war für die Messegesellschaft nicht rentabel, dies begründete auch das Aus für die Frankfurter Kunstmesse, sowie für die dc in D’Dorf 2008. Ich für mich persönlich will etwas Neues, nicht weil das Alte nicht lief.

Wayra Schübel  /   Warum hat Berlin das Art Forum gebraucht? Was fehlt jetzt?

Ben Kaufmann  /   Ich glaube nicht, dass Berlin unbedingt eine Messe braucht, zumindest nicht in der bestehenden Form. Das Art Forum hat das allgemeine Problem gehabt, dass es gegen die Konkurrenz der Privatsammlungen und Galerien in Berlin nicht bestehen konnte. Auch war die Kaufbereitschaft der Sammler einfach zu schwach, was die internationalen Messeaussteller am härtes­ten getroffen hat und oft nur zu einer einmaligen Teilnahme am Art Forum ohne Fortsetzung geführt hat. Die angestrebte Fusion mit abc hat letztlich die schwache Position des Art Forums verdeutlicht. Wobei es zu bezweifeln ist, dass das abc zu einem Messeformat wachsen kann, es ist vielmehr eine distinguierte Kuratorenshow. Interessant ist die Frage, ob abc ohne einen angebundenen Messekontext bestehen kann.

Wayra Schübel  /   In unserem ersten Gespräch meintest Du, in Berlin hätten sich die entscheidungstragenden Galerien alle untereinander sehr lieb. Findest Du Berlin immer noch zu relaxt und friedlich?

Ben Kaufmann  /   Was auffällig ist, ist dass sich inhaltliche programmatische Unterscheidungen im Berliner Kunstbetrieb gesellschaftlich zusammenkuscheln, sie dem Interessenverbund ‚Kunst‘ unterliegen, und dass sie alle dabei sein wollen. Das trifft auch auf die Künstler zu. Es ist doch völlig egal, welche Arbeit auf den unendlichen Gruppenausstellungen gezeigt wird und für was diese Arbeit und Ausstellung stehen soll.

Wayra Schübel  /   Die zwei Plätze, die bald frei werden im Index (Deiner und der von Arndt) – wen siehst Du da bald stehen? Warum?

Ben Kaufmann  /   Das interessiert mich nicht, dieser ganze Juryklüngel. Ich denke, die reinkommen, werden sich freuen, denn Index ist eine Hürde, bzw. dieses Standing erhält der Index aufrecht.

Wayra Schübel  /   Freust Du Dich auf den Berliner Sommer? Oder fährst Du lieber weg?

Ben Kaufmann  /   Beides, ich werde mit dem Velo die Tour München—St. Tropez abstrampeln.

Wayra Schübel  /   Wirst Du dieses Jahr noch Basel-Venedig- London-Paris besuchen, oder bist Du froh, damit nichts mehr zu tun haben zu müssen?

Ben Kaufmann  /   Venedig ohne Trubel im Herbst, Basel ja, Frieze nein, Paris? Ich bin mit Bruce Haines aus London in der Planung, ein Festival in Wales zu organisieren, dies soll im Herbst 2011 stattfinden.

Wayra Schübel  /   Wenn Du in der glücklichen Lage wärst, jetzt für den Rest Deines Lebens ausgesorgt zu haben – was würdest Du am liebsten machen ?

Ben Kaufmann  /   Geld hilft nicht unbedingt, vereinfacht vieles, gerade im Kunstbetrieb. Ich habe keine Antwort darauf, sorry.

Wayra Schübel  /   Die gute Fee fragt Dich, an welchen Punkt Deiner Vergangenheit sie Dich mit Ihrer Zeitmaschine bringen darf, um an dieser Stelle was anderes zu machen – was sagst Du ihr da?

Ben Kaufmann  /   Ich würde einen Drink mit der Fee vorziehen.

Wayra Schübel  /   Welche verstorbene Person möchtest Du wieder treffen und warum?

Ben Kaufmann  /   Keine, besser die Toten ruhen lassen.

Wayra Schübel  /   Was wolltest Du unbedingt schon immer bei einem Interview gefragt werden? Und wie lautet die Antwort?

Ben Kaufmann  /   Wer wird Fußball Weltmeister 2014? Argentinien.

Danke, Ben Kaufmann und Gut Lack!

Ben Kaufmann (© mit freundlicher Genehmigung von Ben Kaufmann)
Trikot des Fußballvereins SV Westgartshausen, sponsored by Ben Kaufmann (© the authors)
Microtime für Seitenaufbau: 1.65315294266