Bedeutende Männer, gute Stimmung

Das Design kommt diesen Herbst ganz groß raus in Berlin

2011:Dec // Jasmin Jouhar

Startseite > Archiv > 12-2011 > Bedeutende Männer, gute Stimmung

12-2011
















Erinnert sich noch jemand? Vor ein paar Jahren verkündete der Senat stolz, Berlin sei von der UNESCO als erste Stadt in Europa zur „City of Design“ erklärt worden. Als Anerkennung der wirtschaftlichen Bedeutung, die das Design für die Stadt hätte. Und dann passierte: nichts. Wie das so ist mit politischen Initiativen: Die oben wollen was, die unten machen einfach weiter wie bisher. Auch die UNESCO konnte nicht ändern, dass Produkt- und Möbelgestalter in dieser Stadt meist auf provinziellem Niveau vor sich hin basteln. Kaum interessante Designer, keine erfolgreichen Hersteller, kaum internationale Ausstrahlung. Berlin, eine Kunst-Stadt: klar. Eine Musik-Stadt, eine Party-Stadt, eine Stadt des Films, der Mode und der Architektur – meinetwegen. Aber auch noch Design? Können wir gernegroßen Hauptstädter nicht irgendetwas Nettes, Schönes, Kreatives den anderen überlassen?

Können wir nicht. In diesem Herbst stieg das Design in Berlin gleich ganz groß ein: mit einer neuen Messe und einem neuen Museum. Die Möbelmesse namens „Qubique“, Untertitel: „Next Generation Tradeshow“, konnte als Kulisse die spektakulären Hangars des Tempelhofer Flughafens bieten. Das Museum ist zwar wieder mal nur eine Initiative, dieses Mal allerdings vertreten von etlichen Großkopferten aus Gestaltung und Kunst, die in Berlin irgendwie irgendwo irgendwann ein „Deutsches Design Museum“ eröffnen wollen. Aber nur, weil Messe und Museum jetzt in der Welt sind, heißt das ja nicht, dass die Welt darauf gewartet hätte. Oder, um die Gretchenfrage des Designs „Brauchen wir noch einen weiteren Stuhl?“ zu variieren: Brauchen wir noch eine Messe und noch ein Museum?
Eine Messe wohl kaum, denn der Messekalender im Möbelund Produktdesign ist voll: Von Köln, Paris, Stockholm über Mailand nach Frankfurt und London reist die Szene übers Jahr und macht vielleicht noch Zwischenstopps bei einem der vielen Designfestivals von Istanbul bis Helsinki. Kein Wunder, dass die Aussteller für die „Qubique“ keine Neuheiten mehr übrig hatten. Dabei sind Produktpremieren die Währung, nach der die Branche die Bedeutung einer Messe bemisst. Die Mailänder Schau liegt seit Jahren unangefochten vorn. Unwahrscheinlich, dass sich die Berliner Messe da auf Dauer behaupten kann, zumal in der Stadt die Basis fehlt: Zwar konnte die „Qubique“ gleich beim ersten Mal zahlreiche innovative und etablierte Aussteller aus dem Inund Ausland vorweisen, aber Berliner waren kaum darunter. Wieder einmal gilt: Das Geld wird woanders verdient. Im Übrigen gibt es bereits ein Designfestival in Berlin: Es heißt DMY und ist ebenfalls in Tempelhof zu Hause. Doch diese Konkurrenz müssen die Macher der „Qubique“ am wenigstens fürchten: Obwohl seit Jahren propagiert, ist es dem DMY bislang nicht gelungen, die Industrie für das Festival zu begeistern. Und als Nachwuchsplattform ist es auch nur leidlich erfolgreich.

Andererseits: warum eigentlich keine neue Messe? Schließlich sind große Messen wie die in Mailand oder Köln eigentlich unattraktive Veranstaltungen: architektonisch belanglose Hallen, zugestellt mit Wänden, zwischen den introvertierten Ständen: Niemandsland. Quantität geht vor Qualität. Die „Qubique“ dagegen überzeugte mit ungewohntem Erscheinungsbild. Statt abgeschotteter Messestände dominierten offene Präsentationen in den drei hohen Hangars, manche Firmen stellten ihre Stühle, Sofas und Tische einfach auf den blanken Boden. Dazwischen ansprechende Gastronomie. Auch dank dem rauen Charme der Tempelhofer Hallen herrschte eine lockere, sympathischere Atmosphäre als auf anderen Messen. Und die Mischung der Aussteller bot trotz einiger Fehlgriffe viel Qualität und ein gutes Bild dessen, was im Design gerade wichtig ist, auch ohne Neuheiten. Die mag das vielreisende Fachpublikum vermissen, für alle anderen wohl kein Problem. Über die Zukunft der Messe wird aber vor allem die Geduld der Geldgeber entscheiden. Denn Geld verdient wurde dieses Mal sicher nicht in Berlin. Mancher namhafte Hersteller konnte in allerletzter Minute gewonnen werden – es darf bezweifelt werden, dass sie viel für ihren Stand bezahlt haben. Nach vier Tagen zeigten sich viele Aussteller zufrieden, manche sogar enthusiastisch, die Stimmung war positiv, es hätten sich gute Kontakte ergeben. Aber ob das reicht, um nächstes Jahr wieder zu kommen, darauf wollte sich noch keiner festlegen.

Und wie sieht es aus mit einem neuen Museum? Das müsste zumindest kein Geld verdienen. Der „Rat für Formgebung“ aus Frankfurt, der Designförderung bislang vor allem als Wirtschaftsförderung begriffen hat, will jetzt auch kulturelles Kapital schlagen und hat öffentlichkeitswirksam die Gründung eines „Deutschen Design Museum“ angeregt. Dass der Rat dafür Berlin statt Frankfurt auswählte, passt perfekt zu den Städte-Klischees – da Geld verdienen, hier ausgeben. Um den Ernst des Anliegens zu demonstrieren, wurde eine Stiftung gegründet und ein „Roundtable“ mit lauter bedeutenden Männern und Isabelle Graw einberufen. Frau Graw und die Herren Grcic, Boros, Brock, Poschardt, Liebs, Albus, Rehberger, Horzon, Murkudis usw. usf. ließen sich nett fotografieren und gaben ein paar nette Statements ab (nachlesen und mitreden unter www.deutschesdesignmuseum. de). Auch hier offensichtlich allseits gute Stimmung. Ansonsten aber: alles offen. Mit wessen Geld, wann und wo ein Museum eingerichtet und was dort gezeigt werden soll, das wusste auch der Runde Tisch nicht. Vielleicht hätte sich die versammelte Kunstkompetenz mal kurz an die Berliner Kunsthallen-Debatte erinnern sollen. Denn auch in Sachen Designmuseum läge es nahe, die vorhandenen, zugegebenermaßen etwas blassen Institutionen wie das Museum der Dinge/Werkbundarchiv in Kreuzberg, das Bauhaus-Archiv oder das Kunstgewerbemuseum in ihrer Arbeit zu stärken, anstatt in ein neues Haus zu investieren. Immerhin saß mit Andreas Murkudis auch der langjährige Geschaäftsführer des Museums der Dinge am Runden Tisch.

Rafael Horzon, der Nicht-Künstler aus Mitte, hat die Sache bereits präzisiert: Kurz nachdem das „Deutsche Design Museum“ in de r Welt war, schickte er seine Vision des Museumsbaus an die Presse: eine riesige Glaskugel auf dem Schlossplatz, anstelle des Schlosses, das „niemand wirklich will“. Die Kugel soll einen Durchmesser von 500 Metern haben. Étienne-Louis Boullées Entwurf für eine 150 Meter große, nie realisierte Grabmalkugel für Isaac Newton von 1784 sähe dagegen mickrig aus. Und zu den Ausstellungsthemen hat sich der Unternehmer und Bauingenieur Horzon auch schon Gedanken gemacht: „Ich persönlich würde der Kulturgeschichte des Regals in Deutschland großen Platz einräumen, mit einem Schwerpunkt auf Berlin-Mitte von 1999 bis 2012 .“ Sicher ein ergiebiges Thema, könnte man doch seine mittlerweile aus dem Programm genommenen Regalmodelle „Attraktiv“ und „Interessant“ mit seinem Klassiker „Modern“ in vier Varianten vergleichen. Aber Vorsicht! Schließlich verhält es sich mit Regalen auch nicht anders als mit Stühlen, Messen oder Museen. Wir haben schon ziemlich viele davon und dürfen erwarten, dass jedes neue Modell auch wirklich etwas Neues mitbringt. Nicht, dass nachher im gut sortierten Designmuseum plötzlich das ein oder andere Regal auffällt, weil es doch nicht so neu und anders ist als bislang gedacht.

Entwurf (© Ingenieurbüro Horzon & Partner)
Microtime für Seitenaufbau: 1.22750711441