Preis der Nationalgalerie

Hamburger Bahnhof

2009:Nov // Thomas Wulffen

Startseite > Archiv > 11-2009 > Preis der Nationalgalerie

11-2009











Das Diktum ‚Junge Kunst‘ in dem Titel „Preis der Nationalgalerie für junge Kunst“ bezieht sich auf den jeweiligen Geburtsjahrgang der Künstler. Denn die Kunst, die in diesem Rahmen zu sehen ist, ist professionell. Wäre sie das nicht, wäre es ein Kunstgriff der beteiligten Künstler. Tatsächlich aber kann man den Begriff auch anwenden auf die Spezifika einer Öffentlichkeit, die kaum mehr als homogen zu bezeichnen ist. Als Kunstkritiker ist man Teil einer sehr spezifischen Öffentlichkeit und übersieht dabei, dass es auch ein ‚unprofessionelles‘ Publikum gibt, dass die Künstler im Rahmen des Preises der Nationalgalerie für junge Kunst tatsächlich als solche sieht. So kann man, wenn man will, die Präsentation dieser jungen Kunst auch als Einübung in die zeitgenössische Kunst verstehen. Die kennt heute ganz andere Medien und Vermittlungsformen und diese Formen werden sich 2011, bei der nächsten Preisverleihung, schon wieder geändert haben. Je nach Publikum bekommt der Begriff der ‚Jungen Kunst‘ eine andere Bedeutung. Und wenige werden nach ‚Mädchen Kunst‘ fragen.

Diesmal findet das Ereignis zum fünften Mal statt und in einem spezifischen Sinne ist es keine Überraschung mehr: Alle zwei Jahre verleiht die Nationalgalerie den Preis für junge Kunst. Und alle zwei Jahre geht ein wenig der Aufregung um diesen Preis verloren. Das kann man als ein Zeichen der Professionalisierung sehen. Oder man hat sich einfach an das Procedere gewöhnt und Überraschungen sind nach zehn Jahren auch nicht mehr zu erwarten. Rechtzeitig hatte man schon die Kandidaten benannt und auch der Öffentlichkeit zu Kenntnis gegeben. Diese breite Öffentlichkeit wird mit den Namen kaum etwas anfangen können, während der Inner-Circle beinahe mit abwinkender Geste antwortet. Eine derartige Reaktion lässt sich konkret auch bei den diesjährigen ‚Mitstreitern‘ darlegen. Danh Vo hatte einen Artikel im Kulturspiegel und fand sich auf dem Cover der Beilage abgebildet. Annette Kelm war vor der Präsentation im Hamburger Bahnhof schon großzügig in einer Gruppenausstellung in den KunstWerken vertreten, wo jetzt gerade das Werk von Ceal Floyer zu sehen ist. Ceal Floyer war im Jahre 2007 die Preisträgerin. Keren Cytter wird mit ihren Arbeiten überall herumgereicht.

Klassisches Format nimmt dabei vor allem das fotografische Werk von Annette Kelm an, das man genau studieren muss, um es goutieren zu können. Sogenannte Live-Speaker in der Ausstellung helfen dem Publikum, in die Materie einzutauchen. In der Bilderfolge „Michaela, Coffee Break“ von 2009 wird Michaela abgebildet, vor einem Raster. Ist es das Raster, dass einen die Fotografie so seltsam erscheinen lässt. Warum hängt das eine Foto etwas aus der Reihe?

Danh Vo ist das Scharnier zwischen Annette Kelm und Keren Cytter sowie Omer Fast. Danh Vo lebt und arbeitet in Berlin, was im Übrigen auch für die anderen beteiligten Künstler gilt. Er lässt den Kronleuchter aus dem Pariser Hotel Majestic nach Berlin verfrachten und zeigt ihn als eine Art unvollendete Skulptur. Bei der Besetzung von Paris diente das Hotel als Unterkunft für die Nazis. Im Jahre 1973 wurde unter dem Licht des Leuchters der Pariser Friedensvertrag zum Friedensschluss zwischen Nord- und Südvietnam unterzeichnet. Auf dem Dach lässt sich ein vom Künstler angelegter Garten mit verschiedenen Rhododendren erblicken, deren Samen Missionare aus Vietnam mitbrachten, der Heimat des Künstlers. Das ist zuweilen etwas dick aufgetragen und Omer Fast ist eine gelungene Korrektur.

Sein Filmwerk „Nostalgie“ ist wohl die beste Arbeit in der Ausstellung, sowohl in der professionellen Machart als auch vom Inhalt her: Er zeigt Medien im Medium selbst, ohne diese Selbstreflektion in den Vordergrund zu stellen. Omer Fast ist ein würdiger Preisträger für das Preisgeld von 50.000 Euro, das mit einem Ankauf einer Arbeit verbunden ist.

Keren Cytter arbeitet ebenfalls im Medium Film, wobei bei ihr das zu einer Art von (Schüler-)Theater wird. Ausgangspunkt für die Filme in der Ausstellung waren drei unterschiedliche Kriminalfälle, die alle auch etwas Absurdes beinhalten. Präsentiert werden die Filme nicht nur im eigentlichen Ausstellungsraum, sondern auch im sonst unzugänglichen Nebenraum und Treppenhaus, was die Klaustrophobie im Film durch Realität ergänzt. Die Schauspieler entstammen Cytters eigener Tanztruppe mit dem Namen D.I.E. Now (Dance International Europe Now).

Diesmal wurde der Publikumspreis vom Kunstmagazin „art“ ausgelobt und es erhebt sich natürlich die bange Frage, wer wen wählt und ob es zwischen Volkes und Experten Stimme noch eine Differenz gibt. Schön wär’s.

„Preis der Nationalgalerie für junge Kunst“
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin
Invalidenstraße 50–51
10557 Berlin
11.09.09–3.01.10
Annette Kelm „Michaela, Coffee Break“, 2009 (© Courtesy Annette Kelm / Johann König, Berlin)
Microtime für Seitenaufbau: 1.2418589592