Matias Faldbakken

Giti Nourbakhsch

2008:Jul // Andreas Schlaegel

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07-2008






Kann man Teil von etwas sein – und gleichzeitig das Gegenteil für sich beanspruchen? Die Tagespolitik macht es einem tagtäglich vor, und inszeniert sich selbst als einziges Spektakel, dessen einziger Zweck zu sein scheint, einen Medienapparat zu unterhalten, der seinerseits der Ablenkung von schlimmeren gesellschaftlichen Problemen dient. Hier kommt eine Naturmetapher ins Spiel, der Mainstream, die Strömung in der Mitte des Flusses, dort, wo er besonders tief ist, und die alles vom Rand des Flusses in sein Zentrum spült. Wie kann man dieser Macht entrinnen, und ist es möglich?  

Faldbakken scheint da einen Ausweg für sich gefunden zu haben, sein Credo ist: um dem Mainstream zu entgehen, vergrabe Dich darin. Im Erdgeschoss der Galerie Nourbakhsch hat er insgesamt acht weiß gerahmte, schwarzweiße Computerausdrucke artig an die beiden Stirnwände der Galerie gehängt. Die große leere Seitenwand wird nur von einer locker rotzigen Text-Wandinstallation bespielt: In wackeligen, mit spiegelndem Klebeband geschriebenen, in einander verschränkten Wörtern kann man mit einiger Mühe einen Satz entziffern: „TO ESCAPE HORROR — BURY YOURSELF IN IT“, (um dem Schrecken zu entfliehen, vergrabe Dich selbst darin). Die Zeile fand der Künstler auf einem Foto, das einen Punk Club in L.A. zeigt. Fasziniert von der Aussage im strategischen Kontext von Punk fragte er beim Club an, ob er die Zeile benutzen dürfe. Mach ruhig, wurde ihm beschieden, haben wir selber geklaut, bei Jean Genet. Praktisch wird sich der Künstler gedacht haben, verkörpert doch Genet als Ikone des „sexual outlaw“ ein nahezu perfektes Beispiel für den Umgang mit Subkulturen, die Faldbakken thematisiert.  

Fast schon zu cool ist das, und sowieso wirkt alles sehr abgeklärt was in der Galerie zu sehen war. Das ist in jedem Fall der erste Eindruck, wenn man die Räume der Galerie betritt, um die doch mit Spannung erwartete, immerhin erste Einzelausstellung des norwegischen Künstlers in Berlin zu sehen, der spätestens mit seiner Beteiligung an der internationalen Wanderausstellung „Populism“und der 51. Biennale in Venedig als einer der bekanntesten und meist diskutierten norwegischen Künstler seiner Generation gelten darf. Dies nicht zuletzt aufgrund seiner Aktivität auch als Autor, der geradezu zwangsläufig mit Brett Easton Ellis, Irvine Welsh oder Michel Houellebecq verglichen wurde, und dessen Roman „Macht und Rebell“, bereits an der Volksbühne für das Theater adaptiert wurde. Aber von den skandalösen Machtspielen, die stets auch eine besonders graphisch dargestellte sexuelle Dimension haben, sieht man in seinen Arbeiten streng genommen wenig. Und wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man auf den acht gehängten Computer Ausdrucken eigentlich gar nichts. Die abfotografierten Ausschnitte von Abbildungen schwelgen in der ganzen Retro-Pop-Schönheit ihres schmuddelig wirkenden, grob vergrößerten Rasterdrucks. Wenn überhaupt, so ist eines deutlich zu erkennen: Die Abbildungen waren von Anfang an nicht besonders gut. Nach langer Prüfung erkennen man zudem, dass sich Text von der Rückseite der Bildvorlage abzeichnet. Da sind eindeutig Buchstaben. Aber wie die Bilder lassen sie sich nicht genau entziffern.  

Die Andeutung von abgedruckten Bildern, die unlesbare Anmutung eines Textes – die Ahnung einer Pulp-Publikation, die möglicherweise für ein spezielles Interesse ausgelegt ist: sicherlich ein Pamphlet aber geht es um Pornographie, Politik – oder versteckt sich darin eine Anleitung, wie zum Moped frisieren oder Bomben bauen? Oder sind dies einfach moderne Rätselbilder, die perfekt in ein kühl gestaltetes Design- Ambiente passen würden?

Kein Bild ist auch ein Bild. Und hinter jeder Negation steckt potentiell eine mögliche Affirmation, die in letzter Konsequenz wiederum in die Hände der Autorität spielt. Pop-Allegorien als politische Kommentare einzusetzen, ist Teil eines linguistischen Spiels, dass Wertvorstellungen und damit verbundene Ideologien ganz schön ins Schlingern bringen kann. Eine frühere Arbeit es Künstlers, ein überdimensionierter Prachtband á la Taschen-Verlag liegt auf einem schicken Kaffeetisch, er heißt: „The Coffeetableization of Everything“ aus dem Jahr 2000. Kann man sich noch darüber aufregen, dass es nichts mehr gibt, über dass man sich aufregen kann? Faldbakken macht es einem einfach seine taktischen Negativismen als ebenso coole wie bekannte rhetorische Figuren einer Pseudo-Rebellion zu sehen. Aber dahinter werden die komplexen Beziehungen zwischen Subkultur und Mainstream offensichtlich: was hier und heute zur Mittelklassen-Subkultur wird, muss zwangsläufig Mainstream werden, weil es im System bereits enthalten ist. Auch im nein sagen, tragen wir zu einer Entwicklung bei, wir sitzen im Boot. Das System ist zyklisch und die Mengenlehre überschaubar. Oder wie der Künstler formulierte: „Die Eskimos haben zweihundert Worte für Schnee, ich will drei Millionen für: nee“

Matias Faldbakken „Empty Glass“
Galerie Giti Nourbakhsch
Kurfürstenstraße 12
8.3.–26.4.2008 
Matias Faldbakken „untitled (to escape horrror)“, 2008 (© Courtesy Galerie Giti Nourbakhsch, Berlin)
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