„Sweet Bird of Youth“, Gruppenausstellung kuratiert von Hedi Slimane

Arndt & Partner

2007:Nov // Francesca Lacatena

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11-2007
















Hedi Slimane präsentierte eine Zusammenstellung von Kunstwerken in der Galerie Arndt & Partner, die den Betrachter durch kontextuelle Hinweise auf eine untergründige Idee in eine Richtung lenkte und schließlich in einem gemeinsamen Ausdrucks-Code mündete. So reagierten dann kleine Andeutungen – ein Style, ein Statement, eine bestimmte Art mit Konzepten umzugehen – mit dem Thema, dem Publikum und sich selbst. „The feeling is mutual“ – dies ist gleichsam der Titel einer Arbeit von Mathew Cerletty, welche in ihrer Haltung perfekt in die Ausstellung passte. Slimane weiß längst, wie man sich geschickt auf bröseligem Kunstparkett bewegt – rein technisch, indem man Taktiken und Codes des Glamours, inklusive dessen permanentes Auf-dem-Sprung-sein nutzt, um sich auf eine formale Ebene zu schwingen, wo Referenzen und Bedeutungen so flüchtig werden, dass sie sich jeglicher Kritik zu entziehen scheinen. Die daraus resultierende, fantastische Bildhaftigkeit – mit Akzenten fröhlicher Positivität – entwickelt schließlich die Kraft, Aufregung und Konfusion zu erzeugen.

Ging man durch die Ausstellung und näherte sich dieser eher über Stimmungen und nicht über konkrete Inhalte, spürte man den Connaisseur – hier liebt es jemand, auratische Effekte hervorzurufen. Die Gefühle desjenigen, der sie in die Kunstwerke hineinliest sind ipso facto gültig – etwa beim Betrachten der elektrisierenden Momente, eingefangen durch den Bleistift von Paul P., die alle Ausstellungsräume durchdrangen – in etwa so, als ob Kunstbetrachtung ein fortlaufender Prozess gemeinsamer Freizeitbeschäftigung wäre. Interessant auch: „Flute“ (2007) – so der Titel einer weiteren Zeichnung von Mathew Cerletty: auf den ersten Blick nicht besonders bemerkenswert, dennoch war diese Arbeit in der Lage, für den Bruchteil einer Sekunde den ganzen Kern dieser Veranstaltung zu erwischen: das Portrait eines Mädchens, das Flöte spielt. Kein pindarischer Sprung versuchte jemals eine Anspielung auf das Zentrum dieser Phantasie; denn: alles dreht sich um die Flöte, nicht um das Mädchen.

Die Ausstellungseröffnung brachte einen Schwung gut aussehender Jungs zusammen, jeder für sich schon mit dem Schein eines Superstars: makellose Outfits, bemerkenswert elegante Frisuren, geliehene Schatten, genau wie in den zwei großen Portraitfotografien von Slimane selbst, die im Zentrum des Hauptausstellungsraumes hingen. Von dort aus führte ein Teppich aus Leichtmetallstaub – „Glitter“ (2007) – die Besucher zum zentralen Ausstellungsstück des Abends: „Sweet Bird of Youth“. Eine subtile Architektur mit einem Neon-Spot auf der Spitze und einer beschleunigten Folge von Cut-Out-Bildern, gewonnen aus Indie- Magazinen, Privatalben und Fantastic-Men Bildern. Um es kurz zu machen: es war die Komposition eines Tagebuchs der  Aufmerksamkeit, die sich auf die  Aufmerksamkeitspolitiken innerhalb moderner Medienkultur bezog und diese beschrieb – dort wo die konstruierte Intimität einer Pop-Star-Welt das sein sollte, was für uns die letzte Glückseligkeit sammelt.

In einem separaten schwarzen Raum war ein zurückgeschlagener Kaschmir-Vorhang eine weitere unausgesprochene Einladung zur nächsten schwindelerregenden Erfahrung: eine blinkendes Licht in der Dunkelheit ist das Einzige, was Orientierung bot. Schließlich fanden sich zwei Videoloops, an gegenüberliegende Wände projeziert. Das eine war „Intermission“ (2005), des amerikanischen Künstlers Slater Bradley, das andere „Ice Cream Fantasy“ (2007), wiederum von Slimane. Es versteht sich von selbst: eine Ausstellung mit seinen Lieblingen zu kuratieren und jedem noch die eigene Kunst beizustellen ist schon mehr als nur eine gute Idee. Aber aus irgendwelchen Gründen hatte ich auf dem Nachhauseweg vor meinem inneren Auge das lebendige Abbild des Dichters Siegfried Loraine Sassoon, portraitiert von Cecil Beaton. Und was als Sediment der Ausstellung erschien, eher als die Illusion von Mitleid, war das Gefühl von Sympathie. Modernität, andererseits, kann man nicht immer leicht von reiner Neuheit unterscheiden, seit Ästhetizismus zu oft die Gegenwärtigkeit von Veränderung verschwimmen lässt.

„Sweet Bird of Youth“, Gruppenausstellung kuratiert von Hedi Slimane
mit Saadane Afif, Slater Bradley, Mathew Cerletty, Dan Colen, William Cordova, Gardar Eide Einarsson, Gregor Hildebrandt, Terence Koh, Douglas Kolk, Nate Lowman, Ryan McGinley, Paul P., Matt Saunders, Steven Shearer, Hedi Slimane, Dash Snow.

Galerie Arndt & Partner,
Zimmerstraße 90– 91,
30.06.–24.08.2007

Die englische Originalfassung dieses Textes erschien in MAT #2, Berlin, October 2007 (mail@mat-magazine.de). Übersetzung und Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen, Megan Sullivan (Foto) und Francesca Lacatena (Text).
Publikum bei Arndt & Partner (© Foto: Megan Sullivan)
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