60 Jahre, 60 Werke (II)

Martin-Gropius-Bau

2009:Jun // Thomas Wulffen

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06-2009
















Auf der Suche nach der richtigen Art und Weise, den Lesern der „Bild“ die vergangenen sechzig Jahre der Bundesrepublik Deutschland nahezubringen, verfiel Chefredakteur Kai Dieckmann auf die Idee, diese Geschichte in Bildern zu zeigen, in Gemälden: für jedes Jahr ein Gemälde, „weil ,Bild‘ ein Bildermedium ist, weil wir ,Bild‘ und nicht ,Text‘ heißen“, äußert sich der Chef dazu. Walter Smerling, Initiator des Ausstellungsprojekts „60 Jahre. 60 Werke“, wird das vielleicht ein bisschen anders sehen, aber die Medienbegleitung ist ihm sicherlich willkommen. Was man nun im Martin-Gropius-Bau, einst in unmittelbarer Nähe zur Mauer, zu sehen bekommt, ist ein Sammelsurium höchst unterschiedlicher Gemälde, Skulpturen, Fotos und mehr.

 

Aus der anfänglichen Idee, ein Kunstwerk für jeweils ein spezifische Jahr auszustellen, wurden dann doch plötzlich viel mehr als nur ein Werk. Als Besucher steht man in einer Koje und sieht sich mehreren Gemälden gegenüber. Wenn er aufmerksam schaut, wird er am unteren Teil der Wand eine Jahreszahl entdecken. Diese Zahl weist dann auch auf das zentrale Werk für das spezifische Jahr hin – auf das man sich doch besser beschieden hätte. Indem man weitere Werke zeigt, vom selben Künstler oder von Zeitgenossen, wird eine Idee verwässert bis zur Unkenntlichkeit. Das liegt auch wohl daran, dass man der simplen Idee, durch ein Beratergremium noch mehr Glaubwürdigkeit zugestehen wollte. So setzt man eine These in die Welt, um sie im gleichen Moment wieder zu relativieren. Zwar wird betont, das Gremium habe um jedes Bild kräftig gestritten, aber den Streit will man nicht glauben.

Und es hilft der Glaubwürdigkeit des Projekts in keiner Weise, dass es noch durch zwei weitere Räume für die Geschichtsschreibung erweitert wird. Hier kann der Besucher an interaktiven Tischen mit Projektionen arbeiten, eingerichtet vom Gestaltungsbüro Art + Com, und sich auf kleinen Bildschirmen die jeweils wichtigen Ereignisse eines jeden Jahres anschauen. Damit aber entfernt man sich noch weiter von der ursprünglichen Idee. Der Katalog wiederum lässt ahnen, was geplant war. Dort wird ein Ereignis, zum Beispiel der Mauerbau 1961, mit einem Werk verknüpft, in diesem Falle einer Raumplastik von Norbert Kricke. Was wäre möglich gewesen, wenn man auch in der Ausstellung konsequent dem anfänglichen Ansatz vertraut hätte? Das hätte bedeutet, die jeweilige Geschichtsbeschreibung mit einem Bild des Jahres zusammenzubringen. Damit hätten die Veranstalter dann auch wohl den heftigsten Vorwurf gegen diese Ausstellung entkräften können, den der Blindheit gegenüber einer Kunst der ehemaligen DDR. Die findet man erst nach der Wiedervereinigung gebührend präsentiert. „Überläufer“ wie Gerhard Richter, A. R. Penck oder Imi Knoebel sind gut vertreten, aber als bundesrepublikanische Künstler. Was hier zu sehen ist, ist die Kunst der Bundesrepublik Deutschland, eines Landes, das es nach der Wiedervereinigung so nicht mehr gibt. Es wäre ehrlicher gewesen, das Projekt mit den Jahreszahlen 1949 bis 1990 zu kennzeichnen. Aber eine Ausstellung unter dem Titel „41 Jahre. 41 Werke“ wären dann dem Jubiläumsjahr kaum gerecht geworden. Die Ausstellung wurde innerhalb sehr kurzer Zeit realisiert – von der in Bonn ansässigen Stiftung für Kunst und Kultur. Da allerdings muss die Frage erlaubt sein, warum ein derartiges Jubiläum erst im Jubiläumsjahr zur Kenntnis genommen wird.

Am Ende steht dann doch die Einsicht, dass es sich bei der Ausstellung um ein Ergebnis eines ‚Old Boys Network‘ handelt, die noch einmal ihre Sicht der Dinge vorstellen wollen. So wundert es dann auch kaum, wenn Bazon Brock aus Anlass dieser Ausstellung seine „Besucherschule“ wieder belebt hat. Und so wie man mit den Ostdeutschen umgegangen ist, so geht man auch mit Frauen in dieser Ausstellung um, sie sind eine vernachlässigte Größe. Aber wie wir aus dem Kreis der Organisatoren erfahren, freuen sich die Künstler über ihre Präsenz in der ‚Bild‘. Und diese Präsenz lässt dann auch die Besucherzahlen in die Höhe schnellen. Und die Bild wird das neue Intellektuellen-Blatt. Warten wir noch ein paar Jahre… dann wird die Geschichtsschreibung endlich die notwendige Klärung herbei bringen. Aber dann wird wohl auch das ‚Old Boys Network’ nicht mehr seine Stimme erheben können.

„60 Jahre. 60 Werke“ Ausstellungsansicht (© Foto: Stefan Lucks, Berlin)
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