Vanity Fairytales

/ „Ich bin {(ein)} (K-){(-unst)}- ein Star, holt mich hier raus!“

2011:May // Elke Bohn

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03-2011












Unser aller Freund, Samuel – oder, wie wir, als seine Freunde, ihn nennen dürfen – „Sam“ Keller, tat sich bislang nicht gerade als Connaisseur derber Späße hervor. Das ist nun anders, warum jedoch weiß keiner – aber, und zum Glück, ist das ja auch egal. Ich nehme an, er hat auf einen ganz fuchsigen und derbe nachgefragten Berater gehört; wie andere Leute mit den Ohren sammeln, Kunst oder alte Spider-Man-Comics zum Beispiel, geht es hier um ’nen gleißenden Stern am Coolnessfirmament. Aber, das ist ja alles nur nichts als Speculatíon.

Also zurück zu Thema und Sache, und dieses Mal etwas über den Teller-, äh, Stadtrand von Berlin hinaus. So begab es sich, dass Samuel „Sam“ Keller groß einlud, und zwar ins Tropical Islands. Ehrlich wahr, in diesen Inbegriff von Feistigkeit, von gebäudegewordenem Großindustriellenwunschtraum, in diesen Münchhausen von einem Hangar, aber eben echt, wie ein Unikat, ohne Signatur, dafür mit Grundstein.

Kollege Keller lud ein zum Spektakel, zum Dschungelcamp der Kunstszene und deren Stars und Sternchen. So mussten sich, ganz nach privatwirtschaftlichmedialsendendem Vorbild diese KuratorInnen, GaleristInnen, KritikerInnen, SammlerInnen und, hey, KünstlerInnen dort für 48 Stunden einsperren und eklig behandeln lassen, während Florian Mayer Eichen (be-)ständig den Sonnenauf- und wieder -untergang photographisch festzuhalten bemüht war. Natürlich analog. Natürlich.

Die wahren Highlights sind schnell erzählt: Klaus Biesenbach musste die ganze Zeit eine riesen Brille aufhaben, in die Videos von Katharina Sieverding projiziert wurden, mit den Händen abwechselnd Leinwände für Albert Oehlen und Julian Schnabel grundieren und schleifen, die er beide eigentlich gar nicht leiden kann – nur als Künstler, versteht sich – und hernach Steinplatten für den Cragg Tony abziehen. Mit den Füßen rührte er, um nicht zu schnell zu ermatten, in den Pausen Farben aus Pigmenten aus dem Piemont. Für wen, das wurde ihm fieser Weise nicht verraten. Obrist H.U. musste im Dunst zweier Fritteusen ackern, die das ganze reale Eckelzeug produzierten, das bei so was dazugehört, Spinnen im Speckmantel, Kakerlaken im Bierteig, Hammelhoden am Erdbeerschaum und so weiter. Dennoch wurde er danach verdonnert, unangefochten stinkend, Champagner an all die Zuschauer zu verteilen. Giti Nourbakhsch, Mehdi Chouakri und Gerd Harry „Judy“ (Ohoh, die Sache mit den Freunden!) Lybke durften die gar bösen Vertreter der Galeristenfront mit Stromschlägen, Schüssen aus der Matscheschleimkanone und den Fischkadaverschwallduschen traktieren und drangsalieren, erfuhren dann jedoch, im Gegenzug, nie, warum sie „dieses Mal“ nicht bei der Art Basel mitspielen dürfen. So möchte keiner der Außenvorstehenden in einer dieser Häute stecken. Clever gemacht, Herr Keller. In einem noch verruchteren Teil der Halle ringen eingeölt Holger Liebs mit Niklas Maak, Swantje Karich mit Laura Weißmüller und Michael Kimmelman mit dem Nachwuchstalent Antje Stahl. Wer auch immer als Erste(r) zu Boden geht, würde und wird mit Hühner-, Enten-, Straußen-, Gockel- und/oder Pfau­en­federn bestreut werden. Noch nie, schwärmt das Publikum, das hochverehrte, sah man derlei viele KritikerInnen auf einem Haufen – und das im wahrsten möglichen Wortsinne, und keiner wollte der, respektive die, Erste sein. Ein Wahnsinnsbrüller!

Schwergewichtig geht es weiter in der Sammlerecke. Ihre königliche Hoheit, Francesca von Habsburg und so weiter, sowie Ihre Durchlaucht, die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis spielen Memory; europäischer – um die Sache machbar zu halten – Hochadel des 17. Jahrhunderts und Kunststars des 20. Easy eigentlich. Nur blöd, dass die Karten auf einem Teich schwammen, in dem das selbe gelbe Piranhas taten. Die Adelsdamen haben daher Kettenhandschuhe ange­habt, und alle diejenigen, welche sich an selbiges heran­trauten ganz nah, berichteten, dass das wohl auch besser oder gut so war. Schiedsgericht der Party war Patrizia Sandretto Re Rebaudengo. Last, but not least – und wie immer ein Schelm, der sich das Böse herbei dabei denkt – die KünstlerInnen. Die müssen dafür auch gar nix machen. Nur dasitzen, 48 Stunden, oder zwei Tage und die Nächte, was als schlimmste und schrecklichste Prüfung, wie die Eingeweihten und alten Hasen dazu sagen, gilt. Nur dahocken und begafft werden, schlimmer als im Zoo. Nur zum kacken und/oder pissen aufstehen.

Der eigentliche Sieger der Partie jedoch ist Marc Spiegler, der ein richtiges Vermögen draußen am Parkplatz an den Reisebussen verdient. Er vertickt dort nämlich T-Shirts mit dem Aufdruck „Spielen wir’s nochmal, Sam!“. Elke Bohn

Tropical Islands, Collage, Kopf: Klaus Biesenbach (© the authors)
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