Tilo Schulz

Jan Winkelmann

2007:Mar // Doreen Mende

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04-2007
















„I learned my politics at the Museum of Modern Art.“ wird der ehemalige Gouverneur von New York und frühere Präsident des Museum of Modern Art in New York – Nelson A. Rockefeller – in einer Biografie zitiert. Die Familie Rockefeller steht als einzigartiges Beispiel für die Verschränkung von Kunst und Politik in den usa des 20. Jahrhunderts. Schaut man sich die Art und Weise der Präsentation von Ausstellungen im MoMA zwischen 1942 und der Frühzeit des Kalten Krieges an, fallen nicht nur propagandistische Themen auf (z.B. „Road to Victory“ oder „The Family of Man“), sondern vermittelt das Ausstellungsdesign (u.a. realisiert durch den deutschen Bauhausmeister Herbert Bayer) eine suggestive Inszenierung von politischer Geschichtsschreibung und Wissensproduktion. Spätestens hier ist klar, dass die Präsentation von Kunst nicht nur aus dem ausgestellten Objekt im realitätsfernen, kontemplativen Raum besteht. Im Gegenteil: Das komplexe Gefüge aus Inhalt, Form und Kontext des Exponats sowie des Ausstellungsorts transportiert ein Zusammenwirken von künstlerischer Formfindung, institutioneller Programmatik und gesellschaftlichen Zuständen. 

Sowohl die Politik der Repräsentation in Form eines spezifischen Ausstellungsdisplays als auch die Konstruktionen und Abbildungen der Kultur einer weißen, heroischen us-amerikanischen Männlichkeit sind immer wiederkehrende Themen in den raumbezogenen Arbeiten des Leipziger Künstlers Tilo Schulz. Seine dritte Einzelausstellung „back stage (in memory of Julius and Ethel Rosenberg)“ bei Jan Winkelmann / Berlin nimmt zudem bestehende räumliche Bedingungen des Galerieraums unmittelbar auf: Im hinteren Teil deuten eine grau-blaue Wandtapete und ein grüner Wohnzimmer-Sessel im Design-Stil der 50er Jahre einen Privatraum dieser Zeit an, der jedoch durch die gewölbte niedrige Backsteindecke und vor allem durch die vorhandene Vergitterung der Fenster zum Hinterhof keine Geborgenheit, sondern Enge, Unwohlsein und Beklemmung erzeugt. Man kommt nicht umhin, an einen Zellenraum zu denken, verstärkt durch eine fotografische Abbildung auf der Wandtapete. Die Aufnahme zeigt das us-amerikanische jüdische Ehepaar Julius and Ethel Rosenberg in einem Gefängniswagen nach dem Urteilsspruch im Jahr 1951. Die Rosenbergs wurden der Spionage für die Sowjetunion über den Bau der Atombombe bezichtigt, in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und 1953 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Dieses politische Ereignis steht exemplarisch für die Kalte-Kriegs-Hysterie und anti-kommunistische Hexenjagd unter dem damaligen Senator Joseph McCarthy, bekannt geworden als McCarthy-Ära. 

Die Aufhebung der Trennung zwischen privat und politisch verschwindet zur Gänze spätestens durch eine den gesamten Raum dominierende Sperrholzwand, die sowohl das abstrahierte Wohnzimmer räumlich begrenzt als auch zum Informationsträger wird: Wie auf einer Wandzeitung sind einerseits plakatgroße Seiten aus dem Roman „The Public Burning“ (1977) von Robert Coover angeschlagen. In Form eines „Dramatic Dialogue by Ethel Rosenberg and Dwight Eisenhower “ – der 1953 Präsident der usa wurde – ist ein Gnadengesuch nachlesbar, das fiktiv-dokumentarisch die kommunikationslose Konfrontation zwischen der Anhörung der nachweislich unschuldig Verurteilten und der Personifizierung („Uncle Sam“) der souveränen Macht des ideologischen Staatsapparats abbildet. 

Zwischen Skulptur und Display changierend lässt sich der Raumteiler andererseits auch als werbendes Billboard lesen: Baumarkt-übliche Gehweg-Platten aus Beton bilden den Träger für die Wörter iron und curtain – in seinen großen Futura-Lettern wirkt der Schriftzug des Kalten Kriegs nunmehr wie ein marketingwirksames Logo, mit dem der Besucher beim Betreten der Galerie empfangen wird. Die offensichtliche Überlagerung von Referenzen und Formalismus-Bezügen wirkt bei back stage durch eine starke narrative Struktur im Raum weniger hermetisch als in früheren Präsentationen von Tilo Schulz. Stärker auch als bisher bearbeitet er einen konkreten politisch-historischen Zustand mittels eines politisch-ästhetischen Instrumentariums. Da­durch analysiert Schulz eindringlich, was Rockefeller Jahrzehnte vorher aus der Perspektive eines Vertreters der Staatsmacht für sich beanspruchte – Repräsentation durch Präsentation.

Tilo Schulz „BACK STAGE (in memory of Julius and Ethel Rosenberg)“
Galerie Jan Winkelmann
Brunnenstraße 185
10.3.–21.4.2007

Tilo Schulz, Ausstellungsansicht (© Galerie Jan Winkelmann)
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