Art Berlin Contemporary

Gleisdreick

2008:Nov // Peter Lang

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10-2008


Armer Berliner Chic  / 

Nach der Messe ist vor der Messe; Und so ist man auch aufgeklärter nach dem Event ABC. Der Titel, der etwas gespreizt „Art Berlin Contemporary“ lautet, und damit unfreiwilligerweise einer landesweiten Lebensmittelkette in Polen namensgleich ist, sollte als Schlagwort der Kampagne der Berliner Galeristen voranwehen. Ganz Neues war versprochen, ein hoher Anspruch der Macher. Alexander Schröder, Galerist und Geschäftsführer sowie Organisator der ABC-Show, nannte in einem Gespräch Ende Juli die Müdigkeit, die sich bei der Teilnahme an klassischen Kunstmessen eingestellt hat, als einen der wesentlichen Gründe für die Initiative, obwohl man doch nur neue Messekonkurrenz vermutete. Nach der Veranstaltung und Gesprächen mit Galeristen erscheint die Zielrichtung hinter der Fassade klar. Hier wird versucht, ein Label zu platzieren, was aber letztlich nur in Zusammenarbeit mit dem Art Forum Berlin funktionieren kann. Im Moment sieht das Produkt aus wie eine Art ‘Unlimited Basel light’. Oder für Arme, was ja zu Berlin passen würde, ebenso wie der Charme der ausgewählten Industriehallen. Die unprätentiöse Atmosphäre, die großen Räume und Installationen, all das bunt gemischt, wurde von den Galeristen und Besuchern als erfrischend empfunden. Der Kunstmarkt geht 20 Jahre später in die Orte und Formen der damaligen Ausstellungspraxis zeitgenössischer Kunst über. Ob sich allerdings in verlassenen Industrieanlagen mit dem haut goût des Armen die gewünschten Preise erzielen lassen, das wird sich zeigen. Das ganze Projekt bewegt sich auf eine Zusammenarbeit mit dem Art Forum zu. Nächstes Jahr schon hat man den Zeitraum der Präsenz gemeinsam gebucht. In dieser ersten, zwar offenen, aber nicht stringenten Fassung wird es also so wohl nicht weitergehen. Aber man kann sich sehr gut eine Berliner Variante der Art Basel Struktur vorstellen. Hier die klassische Kunstmesse, dort der großzügige Raum für neue Präsentationsformen.  Die aus der Sommerpause wiedererwachte Kunstwelt traf sich im großem Umfang zur Eröffnung. Ein erster Erfolg. Die Stimmung war ausgesprochen locker und unterhaltsam. Zweiter Erfolg. Wieviel letztlich kommerziell erzielt wurde, darüber kann man nur spekulieren, da sich die Veranstalter von dem allgemeinen Erfolgsbulletin (abgesehen, verständlicherweise wie üblich bedeckt hielten. Aber schneller ökonomischer Erfolg war realistischerweise auch nicht geplant. Man zeigte Flagge, setzte ein Zeichen der Erneuerung und wurde wahrgenommen. Ob dies auch in Basel, London oder jenseits des Ozeans ankam, wird man aber spätestens nächstes Jahr sehen. Denn um das Format zu platzieren, wird man noch zwei bis drei Jahre brauchen und man wird bestimmt kuratorisch besser vorgehen müssen. Dass jeder Galerist zeigen kann, was er will, führt nur zu einem gequirrlten Durcheinander; da fehlte eindeutig Struktur. Neben großartigen einzelnen Werken, die man sonst eher selten in Berlin sieht, wie zum Beispiel die große plastische Arbeit von Olaf Holzapfel, traf man auf grandiose Fehlstellen. Von uralten Installationen, die man besser bis zu einem Museumsankauf am Sankt-Nimmerleins-Tag im Archiv gelassen hätte, über Banalitäten und vom Maß verfehlten, bis hin zu einfach schlecht platzierten Arbeiten, war die Halle als Acchrochage gefüllt. Mittags sah es noch bei hellem Licht grausig aus, am Abend, bei entsprechender Illumination und Masse der Besucher war die Sache unterhaltsam und nett anzusehen. Insgesamt darf man also auf das nächste Jahr und eine Weiterentwicklung des Formats gespannt sein.

abc – Art Berlin Contemporary
Postbahnhof am Gleisdreieck
Luckenwalder Straße 4–6
4.–7.9.2008  
Olaf Holzapfel „Das abseitig Freie“, 2008, Courtesy Galerie Johnen (© Foto: P. Lang)
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