Vanity Fairytales

2009:Jun // Elke Bohn

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06-2009
















„Kunst ist schön, macht aber viel Pressearbeit.“

 

„Das Licht hier drin macht uns etwas komisch, waage- und wankelmütig.“ sollen Mona Hatoum und Tacita Dean zitiert worden sein, als die Künstler-Kolleginnen für ihr gemeinsames Projekt „projected/detected/expected“ das noch leere Neue Museum inspizieren. „Deshalb werden wir mit scheinbar alten Mitteln arbeiten, die in ihrer Zeit die absolute Technologie waren, auch wir werden alt und neu auf ihre Scheinbarkeit hin überprüfen.“ berichtet man weiter.

Sie werden, so verraten uns undichte Stellen der Staatlichen Museen, Overhead-Projektoren nutzen, um diejenigen Wände, an denen Spuren der Geschichte deutlich sind, mit leicht changierenden Projektionsflächen zu bespielen. Nicht etwa angelehnt an das jüngst realiter an gleicher Stelle gastierende Spiel von und mit Sasha Waltz, werden junge Tänzerinnen und Tänzer, gehüllt in Anzüge aus lichtschluckendem Molton mit ihren Händen, die sich ebenfalls nur umhüllt zeigen werden, alle der Wissenschaft heute bekannten Arten der Mimikry vorführen. Nur mit den Händen, als Schattenspiel.

Auf der eigens anberaumten Pressekonferenz hat Heiner Bastian zum Thema referiert, wie man hört ohne Projektor, vielmehr in freier Rede, und sich elegisch zum Themenkomplex von angedrohter Gewalt durch visualisierte Wehrhaftigkeit ausgelassen. Bastian argumentierte, dass die Mimikry, bei der harmlose Tiere ihre Feinde dahingehend täuschen, sie seien ungenießbare und/oder gar wehrhafte Zeitgenossen, durch die potentielle Androhung von Gewalt und auch Macht eine unweigerliche Gegengewalt auslösen würden. Niklas Maak, Zeilenzauberer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, entgegnete keck, dass die Intelligenz der Fauna doch per se ohne derartiges Geplänkel auskäme und somit die Mimikry allemal eine gewaltfreie(re) Welt würde ausrufen können.

Mit dem Hinweis auf die Mittagspause, die durch Bastians fehlende Zeitdramaturgie bereits weit nach hinten gerutscht war, merkte Maak beinahe bissig an, dass die Mimikry lediglich die Nahrungsaufnahme durch eine notwendig werdende Ausdehnung der Suche nach derselben verzögern würde. Frenetisch wurde er für diesen Seitenhieb mit teilweise stehenden Ovationen gefeiert und die versammelte Presse ließ Heiner Bastian auf dem Podium zurück und drängte geschlossen in Richtung Kantine. Dass die Pressekonferenz in der gerade wegen Renovierung geschlossenen Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stattfand, tat dem Appetit keinen Abbruch. Es reichte auch für alle, da einige der Einladung gar nicht gefolgt waren, zu sehr dachte man an einen Scherz und ward der Renovierungsarbeiten hörig.

Beim Essen, es gibt Risotto mit Auberginenmuß und einen Steckrübensalat, sowie leichte Schorle vom Grauburgunder, wird angeheitert über das Verhältnis von Gewalt und Macht im Kunstzirkus spekuliert. Einhellig ist man der Meinung, dass es Berlin und gar der Kunst im Besonderen nur gut tun kann, für ein Ausstellungsprojekt an historischem Ort einmal keine Farbe aus ihren Pinseln spritzenden Malerfürsten zu beauftragen, sondern zwei Künstlerinnen und ihren Euvres „freies Feld und Geleit“ zu gewähren. Auf diese Formulierung ist Georg Diez besonders stolz, reflektiere sie doch Visualisierungen der Gewaltbereitschaft an einem Ort, der reelle Gewalt erfahren habe und diese noch immer im Stande sei zu reflektieren in ebenfalls strategischem Chargon. Bravo Georg.

Holger Liebs hält sich nicht mit offensichtlichen Deutungsspielchen auf und versucht sich sogleich an einer feministischen Interpretation. Für ihn ist es ein Attest, dass die Kunst schlichtweg ein Schwanzproblem habe, dass es Künstlerinnen sind, die mit einer Arbeit über Mimikry Gewalt und Macht als Problem in der Kunstwelt offen legen. Als ihm Gerhard Matzig zuflüstert, dass so oder so ähnlich die Interpretation von Heiner Bastian bei dessen ellenlangem Vortrag gelautet habe, wird Liebs ziemlich rot und flüchtet sich und sein Gesicht in den ‚Death by chocolate’, der zum Abschluss des Essens gereicht wird. Das Essen, als auch das austeilende Personal, stammen aus den Küchen und Beständen von Cathay Pacific, die jüngst zur besten Fluglinie dieser Welt gekürt worden sind. Das Essen war zwar der Hammer, aber dieser zirkusreife Einsatz der Stewards und Stewardessen sei der Gipfel der Geschmacklosigkeit, raunt man einstimmig.

Da hat Herr Bastian nicht nur tief in die Tasche gegriffen.

Das Mimikry-Projekt wird auf der After-Conference-Party in der Bar Barbette von den Autorinnen selbst derart treffend wie sympathisch beschrieben, dass sie ganz wunde Hälse kriegen, so oft wie sich die geladenen Gäste ihnen da dran schmeißen.

Sie woll(t)en einfach nur gute Kunst machen.

Neues Museum, Berlin, Mosaik (© 2009 Collage von hundert)
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