Gregor Schmoll

Kuttner Siebert

2009:Feb // Florian Rehn

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02-2009












Der Galerieraum von Tobias Kuttner und Mathias Siebert in der Rosa-Luxemburg-Straße ist seit jeher wunderbar. Zweiteilig ist er, und so arrangiert, dass weder Büro noch arbeitende Mitarbeiter einem den Blick auf die jeweilige Ausstellung vermasseln. Für die Schau von Gregor Schmoll hat sich dieser Raum nun in einen seriösen, beinahe stillen verwandeln lassen, der sich als zurückhaltende Bühne erweisen soll. Der vordere, vom Eingang erstere und größere Teil des Raumes ist dabei flankiert von zwei Dreierreihen, bestehend aus Portraits unterschiedlicher Genealogie. Die Hälfte der Portraits (und hier könnte man ruhig einfache Gänsefüße setzen), sind solche von Pflanzen – fokussiert auf Stengel und Blüten – ihren erotisch besetzen Teilen, ja, man dankt auch an Mapplethorpe, wie uns der Text zur Ausstellung nahelegt. Die andere Hälfte besteht aus Portraitaufnahmen von Gregor Schmolls Vasen, sechs an der Zahl, die sich im hinteren Teil des Ausstellungsraumes tummeln. Dort hinten ist die Wand der Galerie bis auf einen relativ schmalen Rand in Grau gehalten und rahmt die Vasen, die auf unterschiedlich hohen Sockeln und schwarzen Unterstellern ruhen und vor allem durch ihre leicht vergrößerten Stellflächen an antike Säulen erinnern. Hier, also vorne, vollzieht Schmoll eine Rückübertragung der raumdimensionalen Vasen ins Zweidimensionale und übersetzt sie so in die gängige Lesart des Portraits, die flache Abbildung. Diese Flachheit ist in diesem Fall rein formaler Natur und beinahe reziprok angewandt, kennt man doch Vasen, die ein Profil haben, bislang eher als Abbildung. Der dänische Psychologe, Edgar J. Rubin, der von 1886–1951 gelebt hat, beschenkte uns mit seinem Pokalmusterprofil zwar mit einem schnell dekodierbaren Vexierbild, deshalb aber einem der eingängigsten. Auch findet sich in der jüngeren Geschichte, auch derer der Kunst, ein weiteres Beispiel, das hier nicht fehlen soll. Renato Bertelli, ein Künstler der faschistischen Avantgarde, berühmt geworden durch sein „Profilo contino del Duce“, zeigt eine futuristische Büste von Benito Mussolini. Die Arbeit entstand 1933 und wurde später in Mailand von Ditta Effeffe gefertigt, unter der Erlaubnis von Mussolini selbst. Auch diese Büste arbeitet mit Wahrnehmungsgewohnheiten und -modalitäten und integriert die drei Hauptansätze des Futurismus: Energie, Bewegung und Geschwindigkeit. Mit täglichen Gegenständen, oder Alltagsskulpturen benannt, handelt es sich hier eher um einen riesenhaften Zitrusfruchtentsafter oder einen Bohreraufsatz, als um eine Vase. Unsere Lieblingsfreunde von Wikipedia wissen zudem zu berichten, dass im MART in Rovereto ein Exemplar des Rundum-Mussolini zu finden ist – während das Hinweisschild verschweigt, dass es sich hier um den Duce handelt. Im MART, so heißt es weiter, bedenkt man den Futurismus in einer eigenen Abteilung.

In der Ausstellung bei Kuttner Siebert ist den Schmoll’schen Vasen gegenüber eine stilsicher stilisierte Liege mit Nackenrolle installiert – auf gleiche Weise, mit, den Sockel vergrößernder, minimal ornamentierender Grundfläche, stehend. Über diesem Möbel – Herr Freud, bitte kommen! – finden sich wiederum sechs fotografierte Portraits. Hier stand Guillaume Benjamin Amand Duchenne de Boulogne Inspirator. Dieser französische Physiologe jagte durch verschiedene Elektroden Strom in Menschengesichter, um 1862 eine Abhandlung über die „elektrophysiologische Analyse von Gefühlsausdruck“ in der menschlichen Physiognomie zu verfassen. Diese fratzenhaft verzerrten Gesichter, obgleich ihrer eigenen sozialen Ausdrucksquelle (ob Freude, Trauer, Wut, etc.) unterlaufen und vielmehr eingeschaltet, zeigen, welche Region sich für welche Darstellung, welchen Gefühls, wie zu regen hat. Der (Umkehr-)schluss ist besonders schön: Das echte Lächeln, das wir Menschen uns in ehrlichen Momenten schenken, wird Duchenne-Lächeln genannt, weil wir dabei nicht nur die Mundwinkel nach oben bewegen, sondern die Gegend um unsere Augen in Falten legen, sollte jeder viel gelächelt haben, bis zu dem Zeitpunkt im Leben, ab dem sie dableiben, diese Fältchen. Es ist immer schön, einen Grund zu haben, für seine Falten. Vielleicht ist aber nicht das Lachen der Grund für die Qualität dieser Ausstellung, sondern dass die Rückübertragung zwischen Arbeit, Künstler und unser aller Quellen konsequent gezogen wurden. Apropos Grund: da auch ich keinen Platz habe für die ganze Ausstellung von Gregor Schmoll will ich zumindest eine von seinen Vasen. Vielleicht die, auf der er schreit (Übrigens ist er es selbst, in jedem Profil, das die Gefäße zeigen und auch die Duchenne-Fratzen sind Schmoll-Selbstportraits). Mit so einer Vase ließe sich zudem ‚echt‘ subversiv leben – wenn keiner guckt, kommt eine schicke Blume rein.

Gregor Schmoll, „Vexations“
Kuttner Siebert Galerie
 Rosa-Luxemburg-Straße 16
10178 Berlin
17. 1.–14. 2. 2009 
Gregor Schmoll „Vexations“, Ausstellungsansicht, 2009 (© Courtesy Kuttner Siebert Galerie)
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