Gespräch zwischen Barbara Buchmaier und Anne Schwarz

/ „Ohne Branding CFA auf dem Pulli, ist es nicht ganz so leicht“

2011:Aug // Barbara Buchmaier

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07-2011
















Barbara Buchmaier  /   Anne, im März hast Du Deine eigene Galerie eröffnet. Im Moment läuft bereits die zweite Ausstellung. Wie kam es zu der Entscheidung und seit wann gab es die Idee?

Anne Schwarz  /   Die Entscheidung nahm in den letzten zwei Jahren Form an. Konkret habe ich dann letzten Sommer entschieden, dass ich dieses Jahr eröffnen möchte. Das hatte auch damit zu tun, dass ich bei Contemporary Fine Arts (CFA), wo ich fünf Jahre lang gearbeitet habe, zuletzt als Galeriedirektorin, sehr wenig Möglichkeiten auf eine ‚Weiterentwicklung‘ sah. Die Situation ist ja bekannt: es sind drei Partner dort und es gab nicht wirklich die Option, einen vierten hinzuzunehmen. Abgesehen davon war es für mich keine Alternative, in eine andere Galerie zu wechseln und die Idee, etwas Eigenes zu machen, hat mich dann immer mehr gereizt.

Barbara Buchmaier  /   … oder sich als Kuratorin an einem Museum zu bewerben?

Anne Schwarz  /   Nein, denn ich wollte nach dem Studium mit Mitte zwanzig ‚loslegen‘ und richtig arbeiten. Ich hatte mich bewusst gegen eine Promotion entschieden und das ist ja in Deutschland immer noch und unsinnigerweise ein Problem im Museumsbereich. Kuratieren interessiert mich aber schon: neben meiner Galerietätigkeit habe ich in meiner (damals leer stehenden) Wohnung eine Ausstellung gemacht, später dann zwei Ausstellungen in einem Club in Mitte. Das war sehr interessant, aber als einzige Tätigkeit eben doch nicht interessant genug.

Barbara Buchmaier  /   Was haben Dir Deine Lehrjahre in der Galerie Max Hetzler und bei CFA gebracht? Welche Deiner professionellen Erfahrungen nützen Dir heute?

Anne Schwarz  /   Durch den Einstieg in die Galeriearbeit bei Hetzler, kurz nach meinem Studienabschluss, habe ich sehr viel gelernt im Bezug auf die Kunden: zum Beispiel, wie wichtig es ist, Leute zu erkennen und mit ihnen richtig umzugehen. Oder auch auf Künstler, ihre Wünsche und Eigenheiten einzugehen. Bei CFA, das waren dann harte, aber sehr gute Lehrjahre. Wenn ich jetzt eine Ausstellung organisiere, geht mir das richtig leicht von der Hand, auch weil ich dabei viele Kontakte nutzen kann. Oft sind über die Jahre sehr angenehme und verlässliche Bindungen entstanden. Wir hatten bei CFA ein sehr hohes Arbeitspensum, je nach Situation haben im Grunde alle Mitarbeiter alles gemacht. Das war sehr abwechslungsreich, aber auch sehr anstrengend: Du musst immer hundertprozentig da sein, denn Du bist immer öffentlich.

Barbara Buchmaier  /  Wie kam es zur Entscheidung für den Standort Berlin-Neukölln und den jetzigen Galerieraum? In einem Vorgespräch hast Du auch mal New York erwähnt …?

Anne Schwarz  /   Ich hätte mir auch gut vorstellen können, nach dem Studium oder nach meiner ersten Stelle bei Max Hetzler nach New York zu gehen. Dann rief mich aber Bruno Brunnet an und sagte mir „Ich habe gehört, Sie sind gerade arbeitslos!“. Das stimmte nicht ganz, ich arbeitete als freie Mitarbeiterin beim damals noch jungen ‚Gallery Weekend‘. Nach einem ersten Gespräch bot Bruno mir dann sofort einen festen Job an, den ich ohne zu zögern angenommen habe.

Barbara Buchmaier  /   Und dann die Entscheidung für eine eigene Galerie in Neukölln und den speziellen Raum?

Anne Schwarz  /   Die Raumsuche habe ich ziemlich unterschätzt. Ich habe im September 2010 begonnen, aber zwei Monate erstmal gar nichts gefunden. Damals konnte ich mir die Gegend um die Potsdamer Straße als Standort noch gut vorstellen. Von vielen Vermietern hörte ich dann aber, ich wäre bereits die dritte interessierte Galerie und außerdem waren die Mieten schon ziemlich gestiegen. Da merkte ich, der Zug ist durch und habe begonnen, verstärkt in Neukölln zu suchen, durchaus mit Zweifeln im Hinterkopf. Ich habe dann von Barbara Weiss gehört, dass sie in die Gegend zieht. Außerdem kannte ich bereits Supportico Lopez und Heike Tosun [Galerie Soy Capitán]. Der Standort hier ist gut angebunden und ich glaube, dass sich hier noch einiges tun wird. Außerdem gibt es tolle Restaurants, Cafés und Läden – aber es ist eben nicht so „Mitte-gestört“. Ich muss auch sagen, ich hatte schon immer eine Art Gruppenangst [lacht…]. In der Linden- oder Heidestraße, das wäre für mich einfach nicht gegangen.

Barbara Buchmaier  /   Hast Du denn einen bestimmten Typ von Raum gesucht oder warst Du da erstmal offen?

Anne Schwarz  /   Das hätte alles sein können. Ich habe mir auch Wohnungen angeschaut, ich wollte nur nicht über den ersten Stock hinaus. Ich war in großen Industriehöfen, aber die waren nicht gut genug angebunden. Dann habe ich die jetzigen Räume gefunden. Von der Größe (160 qm inkl. Lager) sind sie ideal, der Preis ist absolut in Ordnung und ich mag die Straße sehr gern. Es war sofort klar, auch wenn die Decken noch abgehängt waren und roter PVC-Boden auslag. Durch die günstige Miete war mir auch klar, hier kann ich was reinstecken und das lohnt sich dann. Die Glasbausteine beispielsweise gefallen mir immer besser, das ist mit dem Licht ganz toll.

Barbara Buchmaier  /   Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Da hast ja bisher keine festen Mitarbeiter, machst also alles selbst.

Anne Schwarz  /   Im Moment mache ich wirklich noch alles selbst. Früher hatte ich Mühe, fremdgesteuert um 8:30 in der Galerie vor dem Bildschirm zu kleben [bei CFA begann der Dienst um 8:30 Uhr]. Heute wache ich ohne Wecker um sieben Uhr auf und habe gleich eine To-do-Liste im Kopf. Ich checke meine Emails, lese die Süddeutsche und frühstücke mit meinem Freund. Dann komme ich in die Galerie und bin bis 18 Uhr da. Die Galerie hat nur von Mittwoch bis Samstag geöffnet, da ich nebenher noch vieles erledigen muss. Letzte Woche hatte ich z.B. am Montag um elf Uhr einen Atelierbesuch, um eins habe ich dann einen Künstler aus Düsseldorf getroffen. Am nächsten Tage hatte ich wieder einen Atelierbesuch, dann musste ich zum Rahmer. Anschließend war ich noch im Zollamt, um eine Sendung aus den USA auszulösen. Ansonsten bin ich in der Galerie und arbeite am Computer, kümmere mich vor Ort um Kunden, schreibe Angebote, kommuniziere mit den Künstlern, plane, klebe Etiketten auf die Einladungskarten, was man halt so im täglichen Galeriegeschäft macht.

Barbara Buchmaier  /   Dazu zählt auch die Pressearbeit. Konntest Du im Bereich Presse von Deinen früheren Kontakten profitieren?

Anne Schwarz  /   Ja, sicher bestehen viele Kontakte, wobei ich doch sagen muss: wenn man nicht das Branding CFA auf dem Pulli hat, ist es nicht ganz so leicht, dann verschieben sich die Dinge, gerade im Bereich Presse ist mir das aufgefallen.

Barbara Buchmaier  /   Welches Image möchtest Du für Deine Galerie entwickeln? Kürzlich hast Du erwähnt, dass Du keine Künstlergespräche veranstalten wirst.

Anne Schwarz  /   Für mich finden Gespräche mit Künstlern über deren Arbeit in einer guten Galerie automatisch dort statt und ich habe kein Interesse daran, diese Gespräche extra zu veranstalten. Ich sehe mich in erster Linie als Unternehmerin, der Verkauf macht mir Spaß und natürlich muss ich mir auch meine Kräfte richtig einteilen. Nicht, dass das nicht alles intellektuell untermauert wäre, aber der große intellektuelle Diskurs kann doch sehr gut und in ganz anderem Rahmen in Institutionen stattfinden. Ich nehme dann auch gerne daran teil. Ich habe selbst für einige Zeit im Verlagswesen gearbeitet und möchte auch in Zukunft Publikationen meiner Galerie veröffentlichen. Die erste, deutsch-englische Publikation (Eddie Martinez) ist sehr schön geworden, mit anspruchsvollen, aber zum Glück sehr gut verständlichen Texten, kein Kunstgeschichtler-Gelaber.

Barbara Buchmaier  /   Stichwort Künstlerauswahl: Arbeitest Du an einer speziellen Programmatik und wieviele Künstler sind jetzt fest bei Dir?

Anne Schwarz  /   Auffällig ist, dass ich bisher keine Fotografie im Programm habe. Mein Programm steht im Moment bis März 2012. Das mit dem festen Vertreten ist nicht immer leicht. Es gibt Künstler, mit denen ich fest zusammenarbeite und bei denen ich der Auffassung bin, dass eine intensive Zusammenarbeit sinnvoll und förderlich ist. Ich habe festgestellt, dass ich besonders gut mit Künstlern zusammenarbeiten kann, die in etwa mein Alter haben. Meine erste Ausstellung habe ich mit Eddie Martinez aus New York gemacht, der ist genauso alt wie ich. Eddie macht kommenden Herbst bei Peres Projects in Mitte eine Malerei-Ausstellung. Das ist nicht genial, aber ich kann es nicht ändern – soviel also zu fester Zusammenarbeit. Im Juni mache ich eine Ausstellung mit Ulrich Hakel, ein Künstler, der mich sehr interessiert und mit dem ich fest zusammenarbeite. Er hat in München bei Olaf Metzel studiert und auch schon Galerie-Erfahrung in Berlin. Im Herbst zeige ich dann Hannah Gieseler, von deren Arbeiten ich sehr überzeugt bin. Sie ist jetzt 30 und studiert noch an der UdK im Studiengang „Kunst im Kontext“. Mit ihr arbeite ich auch exklusiv zusammen.

Barbara Buchmaier  /   Welche Messen interessieren Dich? Mit welchen Chancen rechnest Du, in bestimmte Messen reinzukommen, z.B. die Liste in Basel?

Anne Schwarz  /   Ich habe mich für die Artissima in Turin beworben, für die Sektion „New Entries“. Das könnte klappen. Für die Baseler Liste bewerbe ich mich erst für das kommende Jahr, da die Deadline schon verstrichen war, als die Idee zur Galeriegründung Formen annahm. Jetzt im Herbst mache ich parallel zur Frieze mit einer Galeristin in London eine Ausstellung in ihrer Galerie. Auch, weil es dort keine guten Messealternativen gibt. Außerdem habe ich mir die Arco in Madrid angesehen. Aber, gemach gemach, ich fange ja erst an. Wir wissen ja, dass Ben Kaufmann und Arndt demnächst zumachen. Diese Leute waren ja immer sehr präsent auf Messen. Das ist es auch, was mich wundert: Eigentlich wissen alle, wie teuer diese Messen sind, aber es wird ganz selbstverständlich erwartet, dass man mitmacht.

Barbara Buchmaier  /   Was denkst Du über die geplante Zusammenlegung des Art Forum mit der abc?

Anne Schwarz  /   Neulich erst habe ich mich mit einem Hamburger Kollegen unterhalten und der befragte mich genau zu dem Thema. Eigentlich hatte ich meine Ausstellung im Herbst für Mitte September geplant, also etwa parallel zum Art Forum. Ich muss jetzt doch auf diese Terminveränderung reagieren und werde am 8. September mit vier Positionen eine Gruppenausstellung eröffnen. Ich finde es schade, dass das Art Forum einfach von der Bildfläche verschwindet. Bin gespannt, was bei „abc – about painting“ rauskommt – das Konzept von abc hat mich bisher nicht überzeugt.

Barbara Buchmaier  /   Abschließend: Was machst Du in Deiner Freizeit? Gibt es überhaupt freie Zeit in Deinem neuen Leben?

Anne Schwarz  /   Ich bin großer Opernfan, spiele selbst Bratsche und Klavier, dafür bleibt aber kaum Zeit. Demnächst will ich einen Türkisch-Kurs machen, weil ich gerne eine weitere Sprache lernen möchte und mir Istanbul sehr gefällt. Ansonsten bin ich viel unterwegs, dabei ist es schwierig, Freizeit und Beruf zu trennen, gerade wenn man mit Künstlern unterwegs ist, die auch Freunde sind. Ich versuche auch, mit meinem Freund sonntags mal an einen See zu fahren. Außerdem herrscht sonntags Emailverbot [lacht...].

Barbara Buchmaier  /   Dein Bezug zur Freizeit hat sich vermutlich noch mal stark verändert seit Du Deine eigene Galerie hast, oder?

Anne Schwarz  /   Ja, natürlich. Ich weiß noch, wie sehr ich als Angestellte an bestimmten Tagen das Gefühl genossen habe, einen Arbeitstag zu beenden, einfach indem ich die Galerietür hinter mir abgeschlossen habe. Das war ein großer Unterschied zum Studium, wo ich immer das Gefühl hatte, zu wenig zu machen. Allerdings fürchte ich, dass das jetzt wieder zunimmt. Deswegen auch die Idee des Türkisch-Kurses. Ich habe Lust, etwas zu machen, das gar nichts mit der Galerie zu tun. Dabei ist mir die Verbindung zu meinem Kiez und zur Gesellschaft wichtig.

Barbara Buchmaier  /   Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch fand am 28. 5. 2011 statt

Anne Schwarz, geb. in Darmstadt, dort, in Nordrhein-Westfalen und Stuttgart aufgewachsen, heute 33 Jahre alt. Sie lebt seit 2002 in Berlin. Nach abgeschlossenem Germanistik-, Kunstgeschichts- und Italienisch-Studium in Bonn und Florenz folgten Praktika im Verlagswesen und in der Bundeskunsthalle in Bonn, woraus sich eine etwa zweijährige Galerietätigkeit für die Galerie Max Hetzler ergab. Anschließend arbeitete sie als Galerieassistentin für Contemporary Fine Arts, wo sie mit dem Umzug an den Kupfergraben zur Galeriedirektorin aufstieg und bis Herbst 2010 tätig war. Im März 2011 eröffnete sie ihre eigene Galerie in der Sanderstr. 28 in Berlin Neukölln, wo sie bisher in zwei Einzelausstellungen Eddie Martinez und Marlon Wobst gezeigt hat (www.schwarz-contemporary.com). Die dritte Galerieausstellung eröffnet am 23. Juni mit neuen Arbeiten von Ulrich Hakel.

Anne Schwarz (© Trevor Good)
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