Bereits im März fand in Berlin die beste Ausstellung des Jahres statt. Und keiner hat’s bemerkt. Die Manfred-Pernice-Klasse zeigte, in einer Hinterhofgalerie in Berlin-Mitte, nur eine Steinwurfweite vom Regierungsviertel entfernt, Ergebnisse ihrer Recherchereise ins Skulpturenmuseum Glaskasten Marl. Dabei fand nicht nur eine Befragung der Sammlung des Museums in Raum und Zeit statt, sondern auch der sie beheimatenden Architektur und deren Umfeld. Die Aufwertung der im Niedergang befindlichen westdeutschen Provinz durch ihre Thematisierung im Zentrum von Berlin – und damit verbunden eine Befragung ikonischer Klassiker – gelang hier auf feinsinnige, respektvolle und ironische Art, wie sie von großen Häuser wohl nie zu leisten bzw. zu erwarten wäre. So wenn der Fußboden für Ewald Mataré als Sockel dient – zumal für eine liegende Kuh (1930). Wenn Man Rays Klassiker-Bügeleisen (1921) wiederum auf dem Tisch landet, Bellings Kopf (1926) eine amorphe Acrylhaube angepasst bekommt, oder Günter Fruhtrunks Wandbild (1977) aus dem Fußgängertunnel befreit, klassisch an der Wand des Ausstellungsraums landet. Gemischt wird das Ganze mit Arbeiten von Studierenden. Gleichzeitig wird der Glaskasten selbst, der bereits zur Zeit seiner Entstehung (1971–75) kritisiert wurde, schonungslos unter die Lupe genommen. So gelangt die Pernice-Klasse über die Kunst und die Sammlungstätigkeit westdeutscher Kleinstädte zu einem umfassenden Stimmungsbild einer abgehängten Provinz, was jedoch Möglichkeits- und Freiräume im Denken öffnet. Das Ganze funktioniert auch mithilfe eines herausragen und reich bebilderten, treffsicher gestalteten Katalog-Heftes in Copy-Shop-Qualität. Auch das ein No-Go für große Häuser. Die Klasse Pernice zeigt uns, was geht und wie die kunstvollen Wege in die Provinz und zurück aussehen könnten.

malbo, in den ehemaligen Räumen von Daniel Marzona, 17.3.–26.03.2023, Marienstraße 10, 10117 Berlin