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KÜNSTLER/IN, LEBENSLANG
Barbara Quandt
2024:Mai //
Sonya Schönberger
KÜNSTLER/IN, LEBENSLANG / 2024:Mai
Ich bin 1947 geboren, also ich werde in diesem Jahr 75 Jahre alt. Ich bin im Wedding aufgewachsen, die ersten sechs Jahre zwischen Trümmern. Mein Vater war Ingenieur und meine Mutter Technische Zeichnerin. Sie hat aber aufgehört zu arbeiten, als ich auf die Welt kam. Als ich sechs Jahre alt war, sind wir nach Reinickendorf gezogen, nach Wittenau. Das war eine Zwanzigerjahre-Siedlung, wunderschön, am Nordgraben, mit einem riesigen schönen Hof mit Buddelplatz und Tümpel. Es war kein Auto auf der Straße, wir konnten auf der Straße spielen. Es war ein Traum von den Spielmöglichkeiten her. Dann habe ich die Schule besucht, Mittlere Reife gemacht, und wusste nicht so richtig, was ich machen sollte. Ich habe Technische Zeichnerin gelernt auf der Berufsfachschule für Technische Zeichner. Nach der Ausbildung bin ich zu Siemens gegangen. Am ersten Tag bei Siemens war für mich völlig klar: Diesen Beruf werde ich nicht ausführen. Ich habe aber noch drei Jahre da gearbeitet. Dann habe ich geheiratet und noch mal zwei Jahre bei Schering gearbeitet. Ich wollte überbrücken. Mein Mann war noch in der Vikariats-Zeit. Wir haben die erste Zeit von meinem Geld gelebt und nachher konnte ich studieren, mit seinem Geld. Ich wollte auf alle Fälle studieren. Das war eine Verlegenheit mit der Technischen Zeichnerin. Schon währenddem ich bei Siemens war, habe ich mich intensiv mit Kunst beschäftigt. Ich bekam von einer Freundin, die hatte einen Fernkurs gemacht, die ganzen Bücher. Ich war drei Tage die Woche in der Volkshochschule und habe alles gemacht: Emaille, Keramik, Grafik, Aktzeichen, um erst mal zu sortieren, was ich wirklich will. Dann war eigentlich klar: Für mich kommt nur Malerei in Frage. Als das finanziell ging, habe ich mich beworben und wurde sofort an der HdK angenommen. Nach dem vierten Semester kriegte man die Hochschulreife. Da war noch die Überlegung, ob ich ins Lehrerfach überwechsle. Das war aber nur eine kurze Überlegung, denn Schule war mir echt ein Gräuel. Ich wollte freie Malerin werden.
Ich war mit meinem Mann damals politisch sehr aktiv. Wir haben Jugendarbeit gemacht. Er machte sein Vikariat im Märkischen Viertel und ich habe mich in Gropiusstadt mit Jugendlichen beschäftigt. Also, wir waren hochpolitisiert. Mein erstes Semester 1970 fing dann auch mit einem Streik an der HdK an. Da wurde alles zerschmissen. Dann ging das los mit Marx lesen und Grüppchen bilden und demonstrieren. Im zweiten Semester dachte ich, es ist ja ganz schön und gut, aber ich will auch ein bisschen studieren. Ich war sehr intensiv mit der Evangelischen Studentengemeinde verbunden, da fühlte ich mich gut aufgehoben mit der Politisierung. In der HdK nicht so sehr, das war mir auch zu radikal. Aus der Vorlesung sind wir in eine Klasse gegangen, ganz bewusst zu Prof. [Hans] Kuhn, weil wir dachten, hier können wir machen, was wir wollen. Und so war es auch. Auf der einen Seite fand ich es ganz okay, auf der anderen Seite fand ich es nachher auch ganz gut, mal über die Kunst zu reden. Weil mir das doch zu kurz kam, bin ich auch zu [Hermann] Bachmann gegangen und habe gefragt, ob er nicht Lust hätte, mal ins Atelier zu kommen. Nachher war ich bei [Karl Horst] Hödicke.
Mein Ehemann und ich hatten uns getrennt. Ich war dann mit dem Reinhard Pods zusammen. Wir haben uns gegenseitig gemalt. Wir waren an der HdK dafür, dass wieder Modell-Gelder kamen, damit man sich intensiv mit dem Menschen auseinandersetzt. Das war überhaupt nicht mehr möglich, denn es gab keine Gelder dafür. Das haben wir durchgesetzt. Zu der Zeit war ich schon bei Hödicke, und der fand meine Bilder ganz toll, da war alles ganz super. Ich war nicht mehr viel an der HdK, ich hab dort kaum noch gemalt, denn ich hatte mir ein Ladenlokal angemietet und war kaum noch bei den Besprechungen mit Hödicke. Er ist dann zu mir ins Atelier gekommen, ein oder zweimal im Semester. Da hatten wir super intensive Gespräche. Das fällt mir jetzt alles gerade so ein. Hödicke ist halt ein alter Macho, und ich weiß noch, wir sind einmal von der HdK zu mir gefahren, und da hat er gesagt: Frauen sind zum Ficken da. Ich dachte, na, das ist ja eine gute Sache, jetzt zu mir ins Atelier zu fahren. Ich war damals auch echt noch naiv. Er war da noch nicht verheiratet. Seine Frau Elvira kam erst später. Die war dann auch immer eifersüchtig auf mich. Aber er hat mir keine richtigen Avancen gemacht, kann man nicht so sagen. Vielleicht hat er sich da auch nicht rangetraut, weil ich mit Reinhard zusammen war. Ich weiß es nicht. Ich habe die Meisterschülerprüfung bei ihm gemacht, aber dann gab es plötzlich einen Bruch. Ich weiß gar nicht, wo das hergekommen ist. Auf alle Fälle sagte Hödicke, ich sollte doch mal aufhören zu malen, ich sollte Hausfrau werden. Ich dachte, was ist denn das für eine Sache? Er hat dann den Reinhard mir vorgezogen, das fand ich natürlich nicht so toll. Es ging es um den Künstlerbund. Wir hatten gefragt, ob er uns vorschlagen kann, und da hat er den Reinhard genommen. Da hatten wir ein einstündiges langes Telefonat, Hödicke und ich. Und danach kam der Bruch, dass er sagte, ich sollte doch mal aufhören zu malen. Erst als ich 1980 aus London zurückkam, hatten wir uns am Moritzplatz getroffen und haben uns dann wieder mal die Hand gegeben. Wir haben aber nicht mehr darüber geredet. Und ich hab mit ihm nicht mehr gesprochen. Ich hab ihn links liegen gelassen, und diese ganzen Stipendien, denen man nachläuft – du brauchtest für Stipendien ja immer ein Gutachten –, sind alle ohne ihn gelaufen. Ich musste sehen, dass ich mir in der HdK andere Gutachter suchte. Das war also eine intensive Zeit mit Hödicke. Ja, so war das mit der HdK.
Diese Beziehung mit dem Reinhard war wirklich intensiv. Es war ja nicht nur die Liebesbeziehung, sondern auch tägliche Auseinandersetzung mit der Kunst, und eben auch mit Politik. Diese zwei Jahre waren wirklich – und dann auch noch mit Hödicke – die intensivste Zeit. Dann bin ich in die Wohngemeinschaft gezogen, in der Reinhard war. Er war immer noch mit einer anderen Frau zusammen, und ich dachte, das wird immer so weiter gehen, diese Ménage à Trois. Sie ist aus der Wohngemeinschaft ausgezogen, ich bin eingezogen, aber die war dann trotzdem immer da. Wir hatten unten das Atelier zusammen und wollten aus der Wohngemeinschaft raus in den Dachboden, als Wohnung, und sein Atelier als Maleratelier nutzen. Aber dann habe ich das nicht mehr ausgehalten, dieses ständige zusammen Malen. Es ist was anderes, wenn du dich gegenseitig malst, dann ist es wunderbar und intensiv und toll. Aber wenn man jetzt an anderen Arbeiten sitzt … wir haben zusammen damals an einem Projekt gearbeitet: U-Bahn. Wir sind mit der Kamera durch die U-Bahn geflitzt, haben Fotos gemacht und das gemalt. Beide mit dem gleichen Thema. Das war schon interessant. Ich hab Fotos gemacht, wo die U-Bahn oben fährt, also hell erleuchtet, und er nur unten. Dazu muss ich sagen, Reinhard war zu der Zeit schwer krank, er hatte zwei lange Krankenhausaufenthalte, und seine Malerei war sehr düster. Er hat zum Beispiel ein Bild gemalt von Ulrike Meinhof am Strang. Ich bin in das Atelier gekommen, habe es gesehen und dachte, ich fall um. Das war irgendwie belastend, also nicht nur seine Krankheit, sondern auch die Bilder. Das war mir zu viel. Ich hab mich dann irgendwie in jemand anderen verliebt und bin da ausgezogen. Und dann war er auch die ganze Zeit im Krankenhaus, und in der Zeit lief diese andere Liebschaft. Ich hab einen totalen Schnitt gemacht und damit war ich weg von allem. Ich war aber auch aus der Kunst raus. Der andere, das war mehr so ein Hippie. Ich fand die Zeichnungen, die er machte, ganz schön und dachte, das kann was werden. Ich sagte, bewirb dich doch mal an der HdK. Und so hat das für ihn angefangen. Mit dem war ich auch in London. Der ist auch Künstler geworden, war aber nicht so verbunden mit der Szene. Der hat dann nachher bei Bachmann studiert und war an und für sich nur noch am Saufen. Diese Schiene war für mich ganz furchttbar. Reinhard hat eine ganz gute Karriere gestartet, muss ich sagen. Er hatte dann auch die ganzen Stipendien, er war in New York mit dem DAAD. Wir haben uns nachher irgendwie auch wieder angefreundet. Als er in der Villa Romana in Florenz war, hab ich mit dem Tommy, mit dem Besagten, ihn da besucht. Da lagen aber ein paar Jahre dazwischen.
Mit mir kann ich machen, was ich will. Mit einem Modell ist es immer so eine Sache: Was kann man dem Modell zumuten. Ich hatte immer so Ideen: Die kann ja so sitzen etc. Dabei konnte die gar nicht so sitzen, sie war zu dick dafür. Aber bei mir, da konnte ich mich so präsentieren, wie es für mich okay war. Und das ist natürlich auch eine intensive Auseinandersetzung mit sich und seinem Körper. Die Bilder sind alle aus den siebziger Jahren. Das fing an mit Reinhard, und dann mit Tommy. Dann kamen die Bilder, wo ich mich gemalt habe, weil der Bursche manchmal einfach nicht gekommen ist. Ich dachte, verdammter Mist noch mal. Dann sitzt du und wartest, und da hab ich angefangen, mich selbst zu malen.
Ich hab gleich nach der Hochschule angefangen, an der Volkshochschule zu arbeiten. Ich gab zwei Kurse, einen an der VHS Charlottenburg und einen im Wedding: Stillleben und Stadtlandschaft. Da sind dann teilweise diese Bilder entstanden, die jetzt im Stadtmuseum sind.
Der Auszug war ein absoluter Cut. Mit der Wohngemeinschaft hatte ich kaum noch Kontakt. Mit den ganzen Künstlern hatte ich im Grunde keinen Kontakt mehr, nur noch mit Tommy, und obwohl er studiert hatte, hat er nicht voll studiert. Ich bin völlig aus dieser Kunstszene abgeschnitten gewesen. Ich habe darunter gelitten. Es war ja keiner mehr da, der sich dann auch mal meine Bilder angeguckt hat. Ich war dann im Verein Demokratisch-Sozialistischer-Künstler, mit dem Verein bin ich überhaupt nicht klargekommen. Die [Monika] Sieveking war in der SED und ich dachte, ich bin wieder auf der Schule. Dieses Doktrinäre und alles, was mit der DDR zu tun hatte. Ne, dafür habe ich nicht jahrelang frei gearbeitet. Ne, aus dem Verein musste ich raus. Über diesen Verein ist aber der Tom Fecht auf mich aufmerksam geworden. Der machte damals die Elefantenpress und hat dann eine große Ausstellung von mir gemacht, mit der Lise Petri noch zusammen und noch jemand. Der verschob aber die Termine immer wieder und ich habe diese Ausstellung nie gesehen. Die war in der Zeit, in der ich in London war. Er hatte die Bilder vorher schon. Das waren hauptsächlich die Liebesbilder von Tommy und mir. Ich hab die Ausstellung zwar nie gesehen, aber der Kontakt mit der Elefantenpress ging immer weiter, und dann ist die zweite Ausstellung „Körper, Liebe, Sprache“ entstanden. Das war viel später, da kam ich aus New York, gehe zur U-Bahn, und da war die Bahn mit diesem Bild plakatiert. Das fand ich echt super, denn das war wirklich mal eine Ansage.
Aber ich war von allen abgeschnitten, weil ich mein eigenes Süppchen gemacht habe. Reinhard und Teile der WG haben dann eine Künstlergruppe gebildet. Da war ich natürlich auch nicht dabei. Die haben sich ein Atelier in Kreuzberg gemietet. Da war ich auch nicht drin. Ich hing immer so zwischen den Stühlen. Dann kam London, das war 1978– bis 79, und danach war klar, ich will wieder weg, und habe mich für das PS1 beworben. Und 82 habe ich es bekommen. Da konnte ich mich gleich vorbereiten auf New York. Ich fragte Tommy, kommste mit? Ja, ja, ich komme. Ich komme dich besuchen. Na ja, gut. Er kam nie. Dann war erst mal tote Hose mit ihm. Es gab noch mal einen kurzen Moment zwischen uns, aber 86 war Feierabend. New York fand ich toll, weil ich wirklich Künstler kennengelernt hatte. ter Hell hatte das Atelier unter mir, und noch ein Künstler aus Düsseldorf. Wir waren viel unterwegs, in den Galerien, auf Partys. Da dachte ich, ich kann mich jetzt nicht immer nur verschließen. Das war schon mal gut.
Als ich zurückkam, hatte ich noch das Atelier in der Flughafenstraße, aber das wurde doch zu klein. Da hab ich mich beworben für das Künstlerhaus Bethanien. Ich hab zwei Jahre dort gelebt und gearbeitet, das war 84 und 85. Und in der Zeit gab es schon die Überlegung, nach Afrika zu gehen. Da gibt es ja kein Stipendium. Wie mache ich das? Es hat ein Jahr gedauert, bis ich alles im Sack hatte, bis ich eine Unterkunft hatte und da malen konnte. Der vom Goethe Institut hat mir immer Steine in den Weg gelegt. Aber letztendlich hat er mir dann doch einen Raum zur Verfügung gestellt. Das andere war pure Glückssache. Jemand hatte für mich eine Verbindung zum Deutschen Entwicklungsdienst hergestellt, die mich ins Usambara-Gebirge und nach Dares- mitnahmen. Ich dachte, in Daressalam werde ich in eine Jugendherberge gehen, habe aber einen Raum zum Arbeiten. Dann bin ich angekommen am Flugplatz. Da hat mich ein völlig unbekannter Mann abgeholt, ein Freund einer Freundin, der war Deutscher, seine Frau aus Kenia. Der hat gesagt, du kannst bei uns schlafen. Und da lief das alles super mit den Kontakten. Ich bin immer untergekommen. Ein Vierteljahr war ich in Afrika.
Im Künstlerhaus Bethanien war es dann das erste Mal, dass auch ein Galerist in die Ausstellung kam und mich fragte, ob ich bei ihm ausstellen will. Ich hab vorher in der Frauengalerie ausgestellt, Elefantenpress hatte sich im Sande verlaufen. In der Frauengalerie war das die erste Ausstellung, zu der keine Männer zugelassen waren. Das war mir zu heftig. Das war alles nicht so richtig toll. Ich hatte die New York Bilder noch im Möbelhaus ausgestellt, da gab es auch einen Kunstpreis. Das war das Möbelhaus neben der Paris Bar, Möbel Schulze hießen die. Aber irgendwie fühlte ich mich immer so außen vor in Berlin. Im Café Mora, da war auch ter Hell, den ich aus New York kannte, und Störer. Und da kamen auch die ganzen Ost-Künstler dazu. Der Manfred Giesler, der das Café Mora machte, der hatte ein gute Ost-Verbindung. Die waren ja teilweise auch im Künstlerhaus Bethanien. Die Conny Schleime war im Künstlerhaus zu der Zeit. Das Café Mora war in der Großbeerenstraße und hat regelmäßig Ausstellungen gemacht. Da habe ich meine großen Zeichnungen aus New York ausgestellt. Es gab auch regelmäßig Lesungen. Da hab ich auch Heiner Müller kennengelernt, mit dem ich mich in vorgerückter Stunde sehr gefetzt habe. Ein Frauenverachter, furchtbar. Aber da war wenigstens eine Auseinandersetzung. Das war alles vor der Wende, so 1985 mit dem Café Mora. Da fing das dann an, ein bisschen zu greifen. Es war ein Café, aber es war immerhin etwas, wo man was machen konnte. Dann hab ich mich bei der Galerie Poll beworben, aber die hat mich ja so was von abblitzen lassen.
Ach ja, es gab auch eine Künstlergalerie, Gisela Gendtner, die hatte mich auch eingeladen, so um 84 rum, in den Fundus. Vorne hatte sie Klamotten und hinten zwei Galerieräume. Die waren in der Goethestraße. Das war auch eine Künstlergruppe. Da habe ich paar Mal ausgestellt. Dann hatte ich mich bei Galerie Petersen beworben, die gibt’s nicht mehr. Mit den Galerien, das war alles furchtbar. Es ist schon eine schräge Szene gewesen. Es gab Poll und dann noch Springer als ernstzunehmende Galerie. Aber bei Springer bin ich nicht reingekommen. Da war Christa Dichgans, die war ja mit Springer verheiratet. Und ich weiß nicht, ob Hödicke da ausgestellt hat, Marwan hat ausgestellt. Und das war eine der höchstangesehensten Galerien der Stadt. Es sind dann auch viele Künstler weggegangen. Christa Näher ist weggegangen, was schade war, weil wir uns grade erst kennenlernten. Dann hatte ich ein paarmal den Sigmar Polke getroffen, weil der mit der Schwester meiner Freundin zusammen war. Aber da lief kein Austausch. Ich hab versucht, in Köln Fuß zu fassen. Das ist mir nicht geglückt, aber ich hatte in Düsseldorf mal eine Galerie, die lief ganz gut. Nach New York hatte ich einen Artikel im Kunstforum und daraufhin hab ich in Düsseldorf ein paar Mal ausgestellt. In Frankfurt hatte ich eine Galerie, das war die beste. Über die habe ich einen ganzen Messestand verkauft. Das war alles kurz vor der Wende. Und von diesem Geld habe ich dieses Atelier hier gekauft. Kurz vor der Wende ist es richtig gut gelaufen. Ich hatte zwischendrin noch ein anderes Atelier, wo ich eine Miete von 180 Mark zahlte. Ich wollte aber gern eine Wohnung besitzen. Ich hab jahrelang daraufhin gearbeitet. Und in den achtziger Jahren lief es dann an und für sich schon ganz gut. Und es gab ja nicht so viel, von daher war man zufrieden, dass man überhaupt ausstellen konnte.
Ich dachte, ich will irgendwo sein, wo man nicht mehr rausgeschmissen wird. Irgendwie war mir das schon ganz wichtig. Wie oft ich umgezogen bin mit meinen Sachen! Ich war ja mit Tom Fecht befreundet. Elefantenpress gab es nicht mehr, aber im Treptower Park haben die eine Fabriketage gekauft, und da konnte ich mal ganz viele Bilder hinbringen. Dann gab es da aber eine Trennung und dann musste ich die Sachen wieder holen. Es kristallisierte sich immer mehr heraus, ich brauche einen eigenen Ort. Tom, der war ein cleverer Geschäftsmann, meinte, du brauchst eigene Räume. Der hatte ja nun grade gekauft und ich wollte mich nicht abhängig machen. Er hatte mir den Kontakt zum BBK hergestellt. Ich habe mit dem Leiter damals gesprochen. Er hatte eine Künstlergruppe an der Hand, die sich auch mit Kaufen beschäftigt hat, zwanzig Künstler. Und da bin ich eingetreten. Und aus dem Verein gibt es immer noch Leute, die hier mit dabei sind. Die hatten sich schon jahrelang damit beschäftigt, was als Einzelner gar nicht geht. Die hatten von diesem Projekt erfahren, dass es zum Verkauf steht über die Treuhand. Und dann gab es eine Erwerbergemeinschaft, das waren hauptsächlich Architekten. 1993 bin ich hier eingezogen.
Zu DDR-Zeiten wurde hier Schutzbekleidung hergestellt und hier oben war die Kantine. Ich hatte auch schon vorher einen Bausparvertrag in die Wege geleitet. Ich dachte, wenn ich das jetzt nicht mache, dann klappt das nicht mehr. Also bin ich hier eingezogen und dachte, wow, super, jetzt läuft’s. Ich habe nie das Geld zum Fenster rausgeschmissen. Ich habe immer geschaut, dass der Raum, also die Existenz gesichert ist. Nun hatte ich das also. Ich habe zugesehen, dass ich die Bankschulden bald los war. Und dann bröckelte das. Dann fing es so langsam an, dass nur noch die Ost-Künstler ausgestellt wurden. Dann fing es an, dass das ganze System hier bröckelte. Es gab immer weniger Aufträge, die Architekten hier haben ihre Büros verkleinert. Als ich aufgewacht war und verstanden hab, dass nichts mehr läuft, da war ich schon ganz schön platt. Ich hatte keine Ausstellungen mehr, was mach ich jetzt? Ich hab gedacht, ich muss mir wieder eine Galerie suchen. Aber in die alten West-Galerien bin ich nicht reingekommen. Dann habe ich bei Kühn in Dahlem ausgestellt. Mit ihr habe ich mich wunderbar verstanden. Das war nicht so eine Glanzgalerie, aber die ist dann kurz danach verstorben. Dann habe ich auf der Torstraße ausgestellt, die hat einen Monat später wieder dicht gemacht. Dann hatte ich so ein bisschen Kontakt mit dem NBK mit dem Tolnay, der hatte dann Sachen angekauft. Der ist dann weggegangen. Das war wirklich furchtbar. Ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte. Ich hab echt überlegt, ob ich dieses Teil wieder verkaufe. Weil man muss ja auch von was leben. Ich hab nur noch gespart, gespart, gespart. Irgendwann bin ich krank geworden, dann haben die mich aus der Künstlersozialversicherung geworfen. Ich habe sie mit Engelszungen und einem Steuerberater überredet, dass ich wieder aufgenommen werde. Ich gab an, dass ich eventuelle Verkäufe habe. Da kam es dann auch zu dem Ankauf des U-Bahn-Bildes an das Stadtmuseum. Da ging’s wieder ein bisschen. Das Bild haben die noch nie ausgestellt.
Ich fing an, wieder so rumzumurkeln, viel machen konnte ich auch nicht. Mein damaliger Freund Andreas war schwer krebskrank. Dann kamen andere Schicksalseinschläge. Ich habe dieses Alaska-Buch gemacht, als er krank war, denn vorher waren wir noch in Alaska. Ich hatte ihn kennengelernt über eine Jury-Sitzung vom BBK. Er war Kunsthistoriker. Über Andreas kannte ich dann Judy Lübke und ein paar Ost-Galerien. Aber da lief es auch nicht für mich. Judy hat mich noch an eine andere Galerie verwiesen, die damals Neo Rauch ausstellte. Da hatte er ihn noch gar nicht. Fand ich toll, auch die alten Bilder. Aber die Galerie hat dicht gemacht. Zu Judy bin ich dann auch nicht reingekommen. Und Andreas, der hatte damals für den Tagesspiegel geschrieben und die Junge Welt. Er hat seinen Beruf an den Nagel gehängt, als er krank wurde. Wir haben uns vor neun Jahren getrennt. Und ich hab mich von Bildverkauf zu Bildverkauf gehangelt. Als das in der Heidestraße mit den Galerien losging, bin ich da noch mal rumgetigert und hab versucht, eine Galerie zu finden. Das hat auch nicht geklappt. Ich hab zwar den Judin dabei kennenlernt, der hat aber bis heute nichts gemacht. Der hat ein ganz anderes Programm. Dann hab ich bei Köppe ausgestellt. Ich hab das in der Heidestraße mit einem Freund zusammen gemacht. Der kommt aus der Modebranche und hatte ein gutes Auftreten und eine gute Art. Ich dachte, das Zu-den-Galerien-Gehen, das mache ich mit ihm zusammen. Der hatte da auch Lust zu und ich fand das netter als da immer als Künstlerin alleine hin. Das fällt mir so unheimlich schwer. Und der hat mir die Galerie dorisberlin vermittelt. Und das war noch mal ein Moment, wo ich in die Puschen gekommen bin. Das war toll und ich verstand mich mit dem Galeristen, wir waren wirklich auf einer Wellenlänge. Wir konnten reden, so wie man sich das vorstellt. Der ist mit mir dann auch in die Berlinische Galerie gegangen und wir hatten ein Gespräch mit Thomas Köhler. Nach zwei Jahren hat er die Galerie dicht gemacht. Wir hatten uns weiterhin regelmäßig getroffen. Er hatte auch überlegt, ob er mit 60 noch mal was auf die Beine stellt. Kurz vor seinem Sechzigsten ist er verstorben.
Ich hab dann noch ein Empfehlungsschreiben gekriegt von Peter Raue. So, wie er sich das vorgestellt hat, ging das natürlich überhaupt nicht. Ich hatte aber mit Köhler ein paar Termine. Ich hatte sogar überlegt, der Berlinischen Galerie die Etage mit meinem Nachlass zu vererben. Das konnten die wohl irgendwie alles nicht. Ich hätte denen das alles hier vermacht. Das wollten die nicht. Ich hatte ihnen dann Sachen gezeigt, die ich ihnen auch jetzt schon geben würde. Mein Steuerberater hat aber gesagt, Frau Quandt, halten Sie inne, Sie haben Ihre sieben Prozent, das können Sie gar nicht bezahlen. Wenn ich was verschenke, dann muss ich die Steuern bezahlen. Beim zweiten Mal in der Berlinischen hat das auch deren Finanzdirektor gesagt. Ich habe gesagt, dann geht das überhaupt nicht. Das geht überhaupt nicht. Dann war erst mal ein bisschen Pause. Und dann bin ich die Sache noch mal alleine angegangen. Ich war vor drei Jahren noch mal bei Köhler. Ich hatte mir das noch mal überlegt, ich wollte, dass zwei Bilder in der Berlinischen Galerie bleiben, und es wäre doch ganz schön, wenn sie die ankaufen würden. Ich hatte mehrere Vorschläge gemacht. Dann sagte er ziemlich schnell bei dem Gespräch, schicken Sie mir doch mal die beiden Bilder, um die es sich dreht, mit dem Preis. So, und dann hab ich das gemacht. Ein Vierteljahr später meinte er, er macht jetzt keine Atelierbesuche mehr, ich soll weiter mit Frau Heckmann sprechen. Ich habe sie 2020 angerufen, dann haben wir einen Termin gemacht. Und dann kam Corona. Sie hat abgesagt. Dann hatten wir den Termin letztes Jahr im Dezember. Ich hab ihr die beiden Bilder hingestellt. Ich war jetzt nur noch fixiert auf den Ankauf dieser beiden Bilder. Ich hab ihr den ganzen Stapel Kataloge gegeben und ein bisschen erzählt. Und ein paar Wochen später hieß es, wir haben andere Prioritäten gesetzt. Ich hab dann auch noch geschrieben, dass ich natürlich offen für Verhandlungen bin, aber das war wirklich ein Schlag sonstwohin. Was soll man dazu sagen? Im Grunde war ich nur platt. In dem Gespräch mit ihr ist sie nicht mal aufgestanden oder hat mal gefragt. Ich meine, man kann ja auch mal fragen, ob es noch sonst was gibt. Ich hab allerdings auch nichts angeboten, ich hab auch wie festgenagelt da gesessen. Aber ich hatte den Eindruck, sie lässt alles so an sich vorbeirauschen, steckt die Kataloge ein und geht. Ich dachte, mich beißt ein Affe. Das einzig Positive, was sie sagte, als sie reinkam, war: Ach, das ist ja ein schönes Haus hier. Dann denkste, geht’s noch? Es geht doch um meine Kunst. Sie hätte ja auch sagen können, erzählen Sie mal was von den Bildern. Das mit Köhler lief ja auch im Grunde über Jahre.
Dann war da Pauline Krebs, die nicht nur meine Lektorin geworden ist durch Zufall, sondern auch eine ganz intensive Freundin, was mir sehr viel gibt, weil sie eine andere Generation ist. Ich bin immer noch zu allen Eröffnungen gegangen, aber ich habe kaum noch Künstler gesehen, die ich kenne. Da lief schon die Vereinzelung an. Künstler unter sich, und dann teilweise dicke Konkurrenz natürlich, jeder hat gesehen, wo er bleibt. Und mit der Pauline war für mich noch mal so ein Aufbruch in eine andere Generation. Wir konnten reden, aber sie hatte mit Kunst nicht so viel zu tun, sie kommt vom Journalismus her. Und dann hab ich gedacht, wen will ich eigentlich unterstützen, ich will ja niemanden unterstützen, der in meinem Alter ist, der damit nichts anfangen kann. Ich will diese Etage jemandem vermachen, der damit was anfangen kann. Abgeschlossen ist aber immer noch nicht, was mit meinen Bildern passiert. Ich will auf alle Fälle jetzt noch mal Ausstellungen machen. Ich mache auf jeden Fall jetzt die Ausstellung bei Köppe, aber das ist ja nur ein kleiner Teil.
Im Augenblick ist alles offen. Ich produziere immer noch. Das hier ist neu, das ist halbneu, und das hing ganz lange im Hausflur, da bin ich in den unteren Bereich noch mal reingegangen. Die Pandemie, die hat einem ja wirklich die Füße weggezogen. Beim ersten Mal hab ich mein Werkverzeichnis Malerei ins Netz gestellt. Beim zweiten Mal hab ich Werkverzeichnis Zeichnungen ins Netz gestellt. Und dieses Jahr hatte ich vom Computer so was von die Schnauze voll. Ich wollte einfach wieder malen. Ich hab das mein Leben lang gemacht, immer aussortiert und übermalt. Ich hab dann wieder an kleinen Bildern rumgefummelt, dann dachte ich, mir steht der Sinn nach groß. Das hier ist eine Übermalung. Es ist ganz lustig, wenn man das Bild mal umdreht, dann stehen hinten die unterschiedlichen Titel. Ich hab mir aber auch schon neue Keilrahmen vorbereitet. Am Mittwoch kommt der Galerist, dann machen wir die Auswahl. Der will natürlich hauptsächlich die achtziger Jahre. Aber ich lebe ja noch.
Ich bin ganz schlecht unterstützt worden, auch in den frühen Jahren. Auch der Andreas, der ja Kunsthistoriker war, hat mich auch nicht unterstützt. Das war sehr, sehr schwierig. Im Gegenteil, ich musste mich sogar noch durchsetzen, weil er dann meinte, willst du immer noch malen? Der wollte lieber, dass ich mit ihm esse oder so. Ich hatte nie eine echte Unterstützung. Und das merkt man dann im Alter noch mehr. Ich hab die Männer immer unterstützt, bis auf meine Ehe, da hat mein Mann mich unterstützt. Da war es schon gleichwertig. Aber ansonsten habe ich keine Unterstützung bekommen. Na ja, und jetzt bei Corona habe ich gemerkt, man ist immer mehr isoliert und desillusioniert. Also beides. Und sich da wieder rauszuziehen ist schwer. Und da kann ich nur sagen, der, der mich wirklich unterstützt, das ist mein Sammler. Und das hat aber erst angefangen mit der Ausstellung zu dem Buch. Wir hatten jahrzehntelang gar keinen Kontakt, das lief alles über Giesler. Aber als ich diese Ausstellung hatte, wo er kam, da hat sich praktisch eine Beziehung Sammler-Künstlerin ergeben und wir haben wirklich einen super Kontakt. Er hat jetzt noch mal ein Bild gekauft. Ich bin ja auch Single, ich bin alleine. Hier im Haus gibt es kaum Leute, die hier leben, das sind ja alles Büros. Mein Nachbar, der ist zwar auch Künstler, aber mit dem habe ich nun wirklich keinen guten Draht. Dann sind ganz viele Leute gestorben. Das kommt auch noch dazu. Unter mir, die Landschaftsarchitektin, ist letztes Jahr gestorben, meine Freundin auch. Ein anderer Freund ist sterbenskrank und eine andere Freundin ist in den letzten Monaten, meine Tante ist auch noch verstorben. Und dann kommt noch die Ukraine dazu. Man fühlt sich einfach isoliert.