Zwischenraum / LAS Art Foundation / Galerie M
Ein Rundgang
2025:Juni //
Anna-Lena Wenzel
Zwischenraum / LAS Art Foundation / Galerie M / 2025:Juni
Zuweilen macht sich bei mir eine Berlin-Müdigkeit breit – es sind einfach zu viele Angebote –, was dazu führt, dass ich zwischen dem Gefühl nicht hinterherzukommen und dem bewussten Ignorieren schwanke oder mir das Kunstangebot in seiner vollen Breite reinziehe. So wie diesen Samstag. Die Tour beginnt im Zwischenraum , einer Wohnung im 3. Stock, die von Carsten Uhlig als Projektraum genutzt wird. Die Ausstellung Die Materialität der Dinge von David Möller macht den Auftakt. Mit mehreren Einbauten hat er den Raum zu einem Zwischenraum verändert – zwischen Lager und Ausstellungsraum, zwischen öffentlichem und privatem Raum. Die Auswahl der Werke und ihre Platzierung unterstreicht diesen Zwischenzustand: neben Bildern, bei denen er Materialien verwendet, die sonst eher als Verpackung dienen (wie Abdeckvlies) oder beim Ausstellungsaufbau zum Einsatz kommen (wie MDF), gibt es ein Holz-Objekt, das an eine Treppe erinnert und von den Kindern hin und her bewegt wird. Hinter einer schräg eingezogenen Wand steht ein Bild auf dem Boden, daneben ein Sockel und ein Ladekabel – es soll bewusst nach einer Arbeitssituation aussehen, sagt der Künstler. Es gelingt ihm damit eindrucksvoll, den Namen des Zwischenraums in den Raum zu übersetzen.
Von hier sind es nur ein paar Meter zum Kraftwerk in der Köpenicker Straße, in der die LAS Art Foundation die Einzelausstellung We Felt a Star Dying von Laura Prouvost hostet. Wie füllt eine Künstlerin diese riesigen Räume? Und was ist die LAS Art Foundation bzw. wie ist sie finanziert? Wer sich hinter der Stiftung verbirgt, lässt sich auf die Schnelle nicht herausfinden, ein Indiz findet sich auf der Website: „Unsere Projekte sind forschungsbasiert und zukunftsorientiert. Wir führen Expertisen aus unterschiedlichsten Bereichen in digitalen sowie physischen Formaten an ungewöhnlichen Orten in Berlin zusammen, um Zukunftsszenarien unserer Gesellschaft zu beleuchten. […] Für Corporate Partners entwickeln wir individuelle Sponsoringmodelle, die ein langfristiges Engagement und weitreichende Präsenz als fester Bestandteil des LAS-Kosmos ermöglichen.“ Konkret heißt das, dass die Künstlerin eingeladen wurde, sich mit Quantencomputing auseinanderzusetzen, denn „Quantencomputing steht kurz davor, einer der bedeutendsten technologischen Fortschritte unserer Zeit zu werden“. Prouvost hat mit mehreren Personen – darunter Philosophen, Wissenschaftler und Musiker sowie KI – eine mehrteilige Installation entworfen, die sich wie eine lebendige Krake hebt und senkt und deren Mittelpunkt ein Film bildet. Als wenn sich die Bewegung auf mich übertragen würde, komme ich ins Schwanken: Zwar bin ich irgendwie beeindruckt von dieser Inszenierung und habe etwas über Quantencomputing gelernt (auch dank der informativen Broschüre und des „Lernbereichs“ in der Ausstellung), trotzdem bekomme ich keinen Zugang zu den einzelnen Kunstwerken – sie sind mir zu komplex und zu aufgeladen.
Die nächste Station ist die kommunale Galerie M in Marzahn, hier eröffnet heute die Ausstellung Blackbook HSH / Jugend- und Subkultur aus der Platte, was konkret heißt, dass hier viel Graffiti aus der Nachwendezeit gezeigt wird, die in Hohenschönhausen und in Marzahn entstanden ist, als die Platten noch grau waren. Das Publikum sieht dementsprechend aus: Es überwiegen Kapuzenpullis, Tattoos und Mit-Vierziger. Im Ankündigungstext wird auf die Umbruchsituation in den 90er-Jahren verwiesen, als „die Lebensleistung der damals Erwachsenen plötzlich nicht mehr [zählte]. Zur Arbeitslosigkeit gesellte sich vielfach auch Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit. Die Jugendlichen der Wendezeit suchten Bestätigung, Gemeinschaft, Kompensation und vor allem Identität. Subkulturen wie Techno, Punk, Hip Hop oder auch ‚rechts sein‘ wurden erforscht. Die aus dem Westen herüber geschwappte Graffiti-Kultur entwickelte sich zu einem Anker für entwurzelte Jugendliche.“ Der Osten tickt anders, heißt es im ersten Satz. Hier bekommt man ein Gefühl dafür, warum.
David Möller, Materialität der Dinge, Zwischenraum, Galerie /Projektraum von Carsten Uhlig, Heinrich-Heine-Platz 12, 3. OG,
10179 Berlin, 26.4.–11.5.2025
Laura Prouvost, We Felt a Star Dying, Kraftwerk Mitte, Köpenicker Straße, 21.2.–4.5.2025, hosted by LAS Art Foundation
Blackbook HSH, Projektraum Galerie M, Marzahner Promenade 46,
26.4.–16.6.2025