Jukka Korkeila

KFA Gallery

2006:Dec // Andreas Schlaegel

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12-2006
















„Come as you are“ ist eine fiese Appropriation des Kurt-Cobain-Titels, der ja das Tragische dieses Musikers so richtig verkörpert. In seiner Ausstellung mit diesem Titel, die dieser Tage in der kleinen Berliner kfa Gallery zu Ende geht, schlägt der finnische Maler Jukka Korkeila seine Figuren wie im Squash-Match an die Wände.

Die fast pornographischen Blätter, eingefügt in Wandgemälde, formen eine total sexualisierte Welt. Auf der Raufasertapete umspannen die Wurstbeine eines auf dem Rücken liegenden, glatzköpfigen, fetten, roten Buddhas sein dreifaches Gemächt und schieben es in den Zentrum des Blicks. Der Linie seines rechten Beines folgend, hängt eine kleinteilige Gouache. Darin breitet sich eine absurde Abendlandschaft aus – die Kehrseite eines Sumo-Ringers als Bellmer’sche Gliederpuppe, eine Hand, die eine brennende Peniskerze umfasst  und ein dickes Maskenporträt.   

Im völlig mit schwarzem Teppichboden verkleideten Hinterzimmer der Galerie befindet sich die Rauminstallation „Time Machine“. Im Dark Room lässt ein schwarzes Skelett seine weißen Zahnreihen grinsen, gegenüber hängt eine großformatige Tuschezeichnung. Fast lebensgroß zeigt sie einen schwergewichtigen, brennenden Sexgott mit gekrönter Eichel als Kopf und kreisrundem Bauch, darauf unzweideutig „Blow this Candle“, mit Pfeil nach unten. Die beiden starken Schenkel zieren die Schriftzüge „Cum Slut“ und „Piss Drinker“, die Hände stecken in Fäustlingen, die mit Smilies verziert sind, einer davon leckt sich die Lippen.

Hier sind die Wortspiele Ernst zu nehmen. Das hat nichts mit gutem Geschmack zu tun, hier geht es direkt zur Sache. Und die ist der Körper, in diesem Fall der männliche, übergewichtige Körper. Als Sexgott ist das Personal dieser Bilder oft unappetitlich, aber gerade noch am Rande mit den gesellschaftlichen sanktionierten Formen von Sexualität vereinbar. Die hier vorgestellte Zeitmaschine ist sowohl Verspottung als auch Variation des Themas von Sexualität und Tod. Was ist schrecklicher, das Grinsen des Knochenmannes oder der extrem sexualisierte Körper? Verloren im Dark Room gibt es nur noch die Alternativen Sex oder Tod.

Die zunächst fast erschreckend und sogar eklig wirkenden Kalauer spotten einer Vereinheitlichung von Sinnlichkeit, aus der fette Körper ausgeschlossen sind. Diese tragen ganz andere Konnotationen – von sozialem Abstieg und unkontrollierbaren Gelüsten, von Machthunger und Bonzentum oder von Kummerspeck und Trauerkloß. Leibesfülle ist genauso stigmatisierend, wie es Herkunft oder Hautfarbe ist, ebenso wird sie oft auch unbewusst mit Asexualität oder unterdrückter Sexualität gleichgesetzt. Wenn dies wirklich die vorherrschende  Meinung ist, dann unterdrückt das die Sexualität aller Dicken. „Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin“ sang Marius Müller Westernhagen in den siebziger Jahren, als er noch richtig dünn war, „denn Dicksein ist ’ne Quälerei“. Als Anti-Vorurteils-Song gedacht, funktionierte er in der Schule auch hervorragend als Folter-Instrument. Ich … dick?

Jukka Korkeila ist weder Ikonoklast, noch Pornograph, sondern er verhandelt seine Leidenschaft positiv, stellt über eine Ikonologie dicker Körper Fragen von sozialer Ausgrenzung und offenbart Strategien der Diffamierung. Als romantischer Künstler malt er was er liebt und das mit einer Leidenschaft und einem campigen, boshaften Humor, voller musikalischer Kalauer. Gerade dieser Humor ermöglicht es demjenigen, der einen starken Magen mitbringt, diese Arbeiten als genau die komplexe, vielschichtige und emotionale Malerei wahrzunehmen, die sie ist. Und mit der eine Sexualität gefeiert wird, in der gesellschaftliche Regeln fehl am Platz sind.

Come as you are – die sexuelle Anspielung befreit den tragisch aufgeladenen Songtitel von der sentimentalen Aufladung. Es muss Spaß machen, sonst kommt man nicht dahin, wo man hin will.  Der Tod ist kein Witz, er kommt früh genug und ist sehr, sehr dünn.

Jukka Korkeila „Come as you are“
11.11. bis zum 9.12.2006
KFA Galerie, Bergstraße 19
Installationsansicht KFA Gallery (© KFA Gallery)

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