Ina Weber

Laura Mars

2023:November // D. Holland-Moritz

Startseite > 11-2023 > Ina Weber

11-2023


The Third Place –
die Bildhauerin Ina Weber installiert einen Begriff in den Kunstraum


Insgesamt ist der Raum ein Ort, an dem man etwas macht.
Michel de Certeau „Praktiken im Raum“,
in: ders., Kunst des Handelns, 1988

Eine Baby-Formel, gewiss, einfacher geht’s wohl wirklich nicht, aber das bekannte De-Certeau-Zitat evoziert – besser als jede andere Raumdefinition – so etwas wie eine Raumnutzungsoptik eloquent und nachhaltig ins Gelände, will mir scheinen.

Mehr will das nicht, mehr braucht das nicht, behaupt’ ich mal, und am liebsten nähme man sofort Platz und winkte einer Kellnerin nach einem „lecker Pils“:
Die Bildhauerin & UdK-Professorin Ina Weber baut im Juni 2021, nach den vorangegangenen Lockdowns, in der trügerischen Sommerpause der Pandämonie, eine rustikale BAR in die Galerieräume von Laura Mars, auch geeignet, bei einem imaginären Barkeeper in der gekrümmten Zeit um die Sperrstunde ein letztes Bier im Stehen zu ordern und dem Echo von Gesprächen, Ideen und Vorkommnissen nachzuspüren – so die Pressemitteilung zur Ausstellung. Und hätt’ste hier noch ’ne Zapfanlage eingebaut. Nicht nur La Grande Dame der Berliner Postpunk-Szene Monika Döring, die den Gitarristen Joe Baiza zu seiner Eröffnungsperformance in der Skulptur begleitet, findet’s allemal behaglich und nimmt sofort Platz.
Freilich, Raumerfassung 1:1, die’s möglich macht, steht Webers drei- bis vierdimensionaler Hinweis – Zeit vergeht in den Takten einer leisen Hintergrundmusik – auf die substantielle Bedeutung von Orten, die, abseits der privaten Rückzugsräume und fremdbestimmter Arbeitsstätten, der semi-öffentlichen Begegnung und dem sozialen Umgang in der Gruppe dienen, mit seinen glänzenden Mahagoni-Oberflächen und der schummrigen Beleuchtung – auch ohne blank polierte Zapfanlage, aber es gibt Flaschenbiere – ja auch wie eine tatsächliche Kneipe im Raum und ist soziologisch mit dem von Ray Oldenburg in The Great Good Place, 1989, geprägten Begriff „The Third Place“ ebenso eindeutig wie empathisch umrissen. Sicher kann in Webers bespielbarer Plastik auch ein simpler Denkanstoß über das Wegsterben der Eck- und Stammkneipen in unseren Städten gesehen werden und ist im besten Sinne … trivial; aber über den sehr besonderen Topos vom Trivium handle ich dann ein andermal …
In einem Interview, das Weber im selben Jahr anlässlich ihrer Installation Caretaker’s Lounge im Foyer der Deutschen Oper Berlin gibt und das ihre Würdigung der Kümmerer konnotiert, die mit ihren Wischmopps, Gummi­pömpeln, Pinseln im Lack um die Instandhaltung der Häuser besorgten und gar nicht genug hochzuschätzenden Hausmeister, spricht sie von einem … dort, wo’s angebracht erscheint, … wünschenswerten Herunterskalieren der Ideen der Moderne, um den Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten von Planern und Nutzern besser nachspüren zu können; ungefähr zeitgleich begegnet Thomas Hirschhorn auf dem Bahnhofsvorplatz im schweizerischen Biel dem Rummel um seine Robert-Walser-Sculpture

Ina Weber, Bar, Laura Mars Gallery, 19.06.–24.07.2021
Ina Weber, Bar, Laura Mars Gallery, 19.06.–24.07.2021