Nicht unkompliziert

2023:November // Christoph Bannat

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11-2023

Fick Putin. Fick Chirac. Fick dich selbst – Sicher. Fick dich einfach. Einfach zwiespältig. Mehr oder weniger selbst. In Gedanken. Ohne Lust. Fuck Putin, Fuck Chirac.1 Fick die Kunst, mit einem Kunstvollen Fick. Moderner Sex ist Sex ohne Folgen. Phallischer Stellungskrieg. Verschwommener Tatsachenkult. Sex als Strafe. Sex im niederen Sinne. Von Sinnen. Ziellos.

Fick Dich
Eine Übung

Fick den Kult. Fick das Ritual. Fick die Kultur. Fick die Kunst. Fick dich – selbst. Sicher. Fick deine Selbstvergewisserung. Dein Selbstwissen. Deine Selbstaneignung. Deine Weltaneignung. Die Polkappen. Die kosmische Langeweile.2 Die Kipppunkte. Die Kippelpunkte. Fick die Menschheit. Nachdem die Menschheit gelernt hat sich vor der Natur zu schützen, muß sie diese jetzt vor sich selbst schützen.

Fick Dich
Weniger blöd

Fick Dich. Weniger Ist blöd.3 Fick Weniger. Was auch immer. Irgendwie wenig. Fick den heilen Teil der Moderne: das Fragment. Ein fragmentarischer Fick. Noch blöder gedruckt – weniger als gedruckt. Gedruckter Fick. Fick von blöd bis schlau – oder zu viel von zu wenig. Doppelter Mehrwert. Mehr oder weniger. Einer behauptet, dass weniger mehr4 und weniger als Nichts5und weniger als der Fall6 alles ist. Und wem genug zu wenig, dem ist nichts genug7

Fick Dich
Echte Kunst als symbolischer Fick

Höhere Wesen befahlen: Hört auf zu malen.8 Weniger Keilrahmen.9 Weniger Leinwand. Weniger groß, dafür weiter. Weit wie Landart breit, Hauptsache keine Wände: sich wendend bis ein Bild entsteht.10Arme Kunst.11 Nimm was weg von dem, was nicht ist. Zerschlagene Fenster.12Weniger Tür, weniger Rahmen. Ein Haus aus Türen. Weniger innen, weniger außen, verglast oder noch weniger.

Fick Dich
Fick das System

Hiermit trete ich aus der Kunst aus.13 Fick das System. Fick das Schweinesystem. Das ist schon viel, im Verhältnis zu weniger, weiter und breiter. Der sich durch Kraftvergeudung ernährt14 vs. dem der 12 Jahre schweigt. Was ist der Mensch ohne Atelier?15 Kaum denkbar. Vielleicht müssen wir wieder den Umweg über die Worte gehen.16 24 hoch 24, mit Zwischenräumen, in denen wir uns einen Hauch von Oral History17 holen.

Fick Dich
Rummelbumms mit Anfassen

Halb gefickt. Nicht ganz klar gefickt. Der Nagel in der Wand als größte Installation in der Kunst. Genagelt werden. Eine Kulturleistung. Etwas für Jeden, der nicht zu dumm ist, einen Eimer Wasser umzu kippen. Demokratisch gebildete Kunst. Auf Deutschlandfunk-Kultur läuft: Keine Ahnung aber Bildung.18 Mit dem Versprechen, Gegensätzen und Widersprüchen eine Form geben zu können, oder das Versprechen, durch neue (Lebens-)Formen auch zu neuen Inhalten gelangen zu können. Fick die Freiheit. Die Gleichheit. Die Brüder- und Schwesterlichkeit. Fick die handwerkliche Intelligenz. Fick die künstlerische Intelligenz. Bleibt noch eine Weile versponnen beieinander liegen und seid zärtlich zueinander.


1
„Fuck Chicac“ stand 1995, als Kommentar zur Verlängerung der Atomwaffentests im Südpazifik, auf Betttüchern (ähnlich den Schimpftüchern von Sigmar Polke, 1981), die aus den Fenstern rund um den Mariannen-Platz, Berlin-Kreuzberg, hingen. „Fuck Putin“ war mehrfach in Berlin zu sehen. Kommentar zum Ukraine-Angriffskrieg.
2
Kosmische Langeweile. Wir glauben die Welt lenken zu können, dabei dreht sie sich im immer gleichen Lauf um die Sonne. Und das in einer lebenslangen Weile. Klimaschutz als Schutz vor dem kosmischen Einfluss auf unser Leben. Nicht nur durch erhöhte Hautkrebsgefahr spürbar – ach der Krebs; der will doch auch nur leben und frisst dabei seinen Wirt auf. Wie der Mensch die Erde, auf der er lebt.
3
Ich ärgere mich darüber, dass die vonhundert-Redaktion „Weniger“ und nicht „Verzicht“, wie ich es vorgeschlagen habe, zum Heftthema macht, und nehme es vergnatzt an.
4
Mies van der Rohes berühmt gewordenes Sprichwort: „Weniger ist mehr“. Allerdings ist unklar wer das Sprichwort zum ersten Mal benutzt hat. Schriftlich aufgetaucht ist es jedenfalls das erste Mal im Jahre 1774 im Gedicht „Neujahrswunsch“ von Christoph Martin Wieland. Darin hieß es: „Minder ist oft mehr.“
5
Weniger als nichts – Zizek-Buchtitel zu Hegel heute.
6
Wittgenstein: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ Sprache als symbolische Tatsache – auch so ein Fall.
7
Epikur, wenn Götter existieren, und daran zweifelt keiner, haben sie nichts mit dem Menschen zu tun.
8
Polke, „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“ von 1969 und Jörg Immendorffs, „Hört auf zu malen“ von 1966.
9
Beuys, „Der Fehler fängt schon an, wenn einer sich anschickt Keilrahmen und Leinwand zu kaufen“ (1985).
10
Landart, als Aus-Weg aus dem Atelier. Landart Ikone Robert Smithson bezog sich auf J. G. Ballards dystopische Literatur: „Kristallwelten“. In der Erzählung kristallisiert sich ein Landstrich inklusiv der Lebenwesen.
11
Arte Povera. Entsteht um 1967. Hier werden Vorschläge gemacht, wie mit wenig Mitteln Aufmerksamkeit generiert wird. Dazu gehören auch Marcel Duchamps Readymades.
12
Gordon Matta-Clark, 1976. Aktion New York-Bronx
13
Beuys-Postkartenspruch von 1961
14
Vgl. Beuys-Postkartenspruch von 1978.
15
Duchamp schweigt 12 Jahre. In dieser Zeit soll er ohne Atelier gelebt haben – sein „Großes Glas“ befand sich derzeit auf einem Dach­boden auf dem es einstaubte – von diesem Staubbild existieren nur Fotos. Das „Große Glas“ wandert später ins Museum. Heute zu sehen im Philadelphia Museum of Art
16
Lawrence Weiner – Verweis.
17
Es ist wohl besonders unsere Sprache, die uns von den Tieren unterscheidet. Die Komplexität aus visuellen, akustischen, sinnbildlichen und symbolischen Ebenen ist unerschöpflich und muss sich immer wieder angeeignet werden. Trotz ihrer Komplexität, ihrer Mehrdeutig- und sprachigkeit, bildet dieses Medium die wichtigste menschheitsverbindende Metastruktur.
18
Element of Crime – lief gerade im Radio – Song, „Morgens um Vier“. Ein schöner Hörfehler, denn es heißt: Keine Ahnung aber Bilder.