DEMO:polis und uni-form?

Akademie der Künste, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

2016:September // Anna-Lena Wenzel

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09-2016

Netzwerk-Kunst zum Ersten, zum Zweiten …

Wer bei diesem Titel an Netzkunst denkt, liegt hier falsch – denn mit Netzwerk sind tatsächlich die sozialen Netze gemeint, die man umgangssprachlich als Machenschaften – im positiven Sinn als (Freundschafts- oder Forschungs-)Zusammenhang, im negativen Sinn als Klüngel – bezeichnen würde. Dass es diese im wissenschaftlichen wie auch im kulturellen Bereich zuhauf gibt, davon können wir alle ein Lied singen, die sich in diesen Feldern bewegen und entweder gegen die abgekarteten Seilschaften wettern, die nur ihresgleichen fördern, oder selber davon profitieren, wenn wir jemanden aus der Jury kennen oder weiterempfohlen werden etc.
Eine Freundin berichtete mir vor Kurzem von einem Forschungsprojekt in Dresden, das am Beispiel der ersten documenta (1955) die verschiedenen Verknüpfungen der Beteiligten mithilfe eines eigens entwickelten Programms nachvollzogen hat.1 In der Zusammenfassung auf der Webseite der Deutschen Forschung Gemeinschaft (DFG) heißt es: „Dabei konnte gezeigt werden, in welchem Maße die Wahrnehmung künstlerischer Werke und ihrer Autoren von Selektionsprozessen mitbedingt sind, die auf Vernetzungen unterschiedlichster Art beruhen. Dabei ist insbesondere das Verhältnis zu Leihgebern und durch diese wiederum zu Künstlerinnen und Künstlern von entscheidender Bedeutung. Eindeutig entstehen so kunstinterne Werthierarchien, die sich durchaus in monetären Wertdifferenzen übersetzen lassen. Aus diesem Grund dienten die Analysen auch dazu, die Wirkungen von Ausstellungen als Knotenpunkt sich überlagernder, nur mehrdimensional zu erfassender Beziehungen zwischen Künstlern, Mitgliedern von Trägerkreisen, Organisatoren in Ausstellungskomitees, Leihgebern, Jurymitgliedern, Publizisten sowie anderen Personen der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.“2

Beim Besuch der Ausstellung „DEMO:POLIS – Das Recht auf Öffentlichen Raum“ in der Akademie der Künste hätte ich gerne eine solche visuelle Veranschaulichung des Netzwerkes, das an dieser Ausstellung mitgewirkt hat, gesehen. Schaut man sich die Kooperationspartner an, bekommt man ein erstes Gefühl für die Beteiligten. Unter der Ägide der Akademie der Künste haben sich renommierte europäische Universitäten und Institutionen wie z. B. UdK Berlin, ETH Zürich, Goethe Institut, Accion Cultural Espanola etc. zusammengetan. Das Ergebnis ist ein Hybrid, das einer vollgestopften Jahresausstellung einer Kunsthochschule gleicht, in der Seminarergebnisse, beteiligte Akademieprofessorenentwürfe, Modelle und Studien nebeneinanderstellt sind. Heterogenität kann ja etwas Schönes sein – und sie zeichnet definitiv unsere Städte und den öffentlichen Raum aus –, aber wenn der 2. und 3. Platz des Wettbewerbs für den Alexanderplatz neben Ergebnissen eines Schülerwettbewerbs im Rahmen der Zukunftswerkstatt Anklam neben Modellen zum Umbau des Stadtzentrum in Guimarães, Portugal neben dem Film-Graffiti „Over Under“ (2014) von Elfi Mikesch zu sehen sind, fragt man sich schon, was das jetzt miteinander zu tun hat.
Dabei klingt die These der Ausstellung interessant: „Der öffentliche Raum ist zum politischen Spannungsfeld geworden, seine Nutzung und Gestaltung zur Verhandlungssache der Zukunft.“ Doch was hat das mit Kunst zu tun? Beziehungsweise was kann Kunst dazu beitragen? Der Anspruch der Ausstellung ist ambitioniert – doch löst er sich nirgendwo ein. Schon der nächsten Satz auf dem Flyer bringt mich ins Straucheln: „Der öffentliche Raum ist, weil wir Stadtgesellschaft sind.“ Aha, es soll hier also um das Recht auf den Öffentlichen Raum gehen, um „Transformationen“, „Paradigmen“ und „Visionen“, wie die einzelnen Kapitel heißen. Aber wo wird definiert, was öffentlicher Raum oder gar Stadt- oder Zivilgesellschaft sein könnten? Und was man sich unter „Sub­stantieller Gestaltung“ vorstellen kann?
Die internationale Ausrichtung der gezeigten Beispiele führt zudem dazu, dass der Berlin-Bezug verloren geht und es wenige Anbindungen an hiesige Diskurse und Prozesse gibt, die sich tatsächlich den Kämpfen um den öffentlichen Raum widmen. Vor Ort tätige Künstler/innen und Aktivist/innen finden kaum Berücksichtigung und man fragt sich, für welches Publikum und mit welchem Impuls diese Ausstellung konzipiert wurde.

Die Ausstellung „uni-form? Körper, Mode und Arbeit nach Maß“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam ist ebenfalls so ein akademisches Verbund- und Kooperationsprojekt: Sie findet im Rahmen des Themenjahres Kulturland Brandenburg 2016 „handwerk zwischen gestern & übermorgen“ statt, wurde vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin, in dem die Kuratorinnen Daniela Döring und Hannah Fitsch tätig sind, beraten, und vom Interdisziplinären Raumlabor des Studiengangs Bühnenbild_Szenischer Raum der TU Berlin gestaltet. Doch das Ergebnis kommt über eine reine „Jahresausstellung“ hinaus. Es ist offensichtlich ein Mit- und nicht nur Nebeneinander gewesen, das sich einem Thema widmet: der kulturhistorischen Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Geschichte der seriellen Bekleidungsproduktion bis in die Gegenwart hinein. In der Ausstellung treffen zahlreiche Originalstücke aus dem Stadtmuseum und anderen Archiven auf zeitgenössische künstlerische Arbeiten, die das Thema aktualisieren und mit weiteren Diskursen um Ost/West, Gender und NS-Geschichte verbinden. Hier geht es nicht um Namedropping, sondern um thematisch ausgewählte Arbeiten. Das Ergebnis ist eine interessante Mischung und anregende Kombination, die das Thema auffächert, ohne dass es sich verläuft. Einziges Manko: Die Präsentation der ersten drei studentischen Raummodelle in der Ausstellung bleibt ohne Hinweis darauf, dass es sich um Entwürfe handelt. Diese hätte man entweder im Vorraum platzieren oder sich auf ein Modell beschränken sollen, um auf den Prozess des Entwurfs bis zur Umsetzung hinzuweisen.


DEMO:polis – Das Recht auf Öffentlichen Raum, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin, 12.3.–29.5.2016

uni-form? Körper, Mode und Arbeit nach Maß, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, 15.4.–24.7.2016



1 Das Thema des 2011 begonnenen und bis 2013 laufenden DFG-Projektes an der TU Dresden heißt „Die soziale Geburt der Westkunst“. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung der bildenden Kunst in Westdeutschland nach 1945 zu untersuchen, wobei die erste documenta 1955 dabei eine Schlüsselrolle einnimmt. Die spezielle methodische Herangehensweise ist die Netzwerkanalyse. Vgl. http://arthist.net/reviews/5768/mode=conferences
2 http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/179343942/ergebnisse