Julia Oschatz

Christoph Bannat im Gespräch mit Julia Oschatz

2016:April // Christoph Bannat

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04-2016

Graustufige Raum-Zeit-Collagen

Das wichtige Schwarzweiß. Ein lustiger Abend über Rassismus. Und Künstler als moralische Menschen. Moral heißt hier der innere Maßstab, den Künstler als unbewusst Wissende besitzen. Ein Maßstab, der ihnen sagt, wann ein Werk beendet ist – bezahlt mit Beachtung, bezweifelt von der Kritik.

Julia Oschatz ist eine schlechte Malerin, im klassischen Malersinn, so wie René Margritte ein schlechter Maler war, eher nennt man ihn einen geschickten Anstreicher und Kulissenbildner. Auch deshalb ist er ein guter Künstler, ja sogar ein guter Maler. Bei Julia Oschatz farbigen Bildern geht es mir ähnlich. Auch hier gibt es diese innere moralische Logik zwischen Inhalt, Handwerk, Farbe und Form. Dagegen sind ihre Schwarz-weiß-Zeichnungen für mich eher wie ein „ewiges“ Arbeiten an einem sinnspruchhaften 3-D-Alphabet, das an den Rändern poetisch ausfranst. Sie verstehen sich für mich wie von selbst, ohne selbstverständlich zu sein. Die Malerei und Zeichnungen zusammen mit ihren (Re-)Enactment-grau-weiß-Videos und ihren Bühnenbildern ergeben ein erstaunlich vielseitiges Œuvre.

Es war eine vergurkte Premiere. Das Publikum war amüsiert. Ein schauriger Wohlfühlabend. Schaurig, die bürgerliche Lust an der Bedrohung, zu der ja immer auch der feste Glauben auf der sicheren Seite zu stehen, gehört. Zum Wohlfühlen die Komplizenschaft – sind doch immer nur die anderen Rassisten. Othello als Mobbing- und Rassismus-Opfer einer weißen Elite. Othello als „Kölner Bahnhofs-Afrikaner nördlicher Herkunft“. Emilia mit köllschem Dialekt und Rodrigo als Neonazi sächselnd (hier gab es die meisten Lacher). So entsteht jene wohlige Komplizenschaft zu den richtig Aufgeklärten (Großstädtern) zu gehören, die auch über ernste Themen lachen können. Und Desdemona stirbt am Ende auch nicht.

Julia Oschatz  /  Die Kritiken waren sehr kontrovers. Vom kompletten Zerriss bis hin zu Begeisterung, wegen eines so mutigen Theaterabends. Das gibt es so in der Kunstszene nicht.
Christoph Bannat  /  Da gibt es auch kein Publikum. Da reicht es, die fünf wichtigsten Leute zu kennen, die investieren.
Oschatz  /  Oft habe ich gemerkt, wie ungenau bei der Kritik etwas beschrieben wird, oder Bühnen-Ideen und Tatsachen verdreht werden, damit es besser in das Geschriebene passt. Anders als in der bildenden Kunst wird Theater vielleicht öffentlicher verhandelt, es ist eher ein Allgemeingut. Vielleicht auch, weil Staatsgelder drin stecken.
Bannat  /  Wie bist Du denn zum Theater gekommen. Du gestaltest seit 2001 Bühnenräume und schaffst darüber hinaus eine Art Corporate-Identity für die Stücke. Mir sind auf den Othello-Plakaten gleich Deine Zeichnungen aufgefallen.
Oschatz  /  Ich habe Christian Weise, den Regisseur von Othello, etwa 2000 kennen gelernt. Er war damals noch Schau- bzw. Puppenspieler und wollte „Reineke Fuchs“ als Soloabend am Theater am Turm in Frankfurt organisieren. Ich machte zu der Zeit kurze Schwarzweiß-Trickfilme, die er in einer Ausstellung gesehen hatte, und er fragte mich, ob ich Lust hätte, für seinen Abend Filme zu machen.
Bannat  /  Wirst Du als Künstlerin mit eigenem Œuvre gebucht?
Oschatz  /  Ich glaube nicht, dass mein Werk wirklich wichtig ist, eher die Ausdrucksweise meiner Sachen. Nicht das Was, eher das Wie, dass die Sachen erzählerisch, fast illustrativ sind, aber möglichst direkt und ohne Verzierungen und eine bestimmte Stimmung verbreiten.
Bannat  /  Wie kommt man an solche Aufträge ran?
Oschatz  /  Man kennt den Regisseur. Christian und ich haben seit 2000 immer wieder zusammengearbeitet. Aus dem kleinen Theaterabend sind immer aufwendigere Bühnen geworden.
Bannat  /  Wie beeinflusst die Theaterarbeit Dein anderes Arbeiten?
Oschatz  /  Erst durch die Theaterarbeit habe ich angefangen, meine Videoperformances zu machen, in denen ich mit einer Maske selber handele und das dann aufzeichne. Das Material Körper und die Aussagekraft von Handlungen wird mir zunehmend bewusster. Und der Umgang mit Raum, das Bühnenbild, ist sowohl in meinen Bildern, als auch in meinen Installationen Thema. Hier wird die behauptete, künstliche Welt Realität. Einerseits spielt der Raum mit, lebt mit; andererseits sind Räume bildhaft, also erstarrtes Leben im Bild.
Dabei sehe ich die gezeichneten Vorlagen für die Videos oder die gebauten und bemalten Requisiten nicht als eigenständige Arbeiten. Man sieht ihnen die Abhängigkeit an und sie werden anschließend weggeworfen oder verschenkt.
Bannat  /  Wie sah bei der Othello-Inzenierung die Zusammenarbeit aus?
Oschatz  /  Meine Arbeiten sind immer in enger Zusammenarbeit entstanden, sowohl inhaltlich als auch praktisch. Gerade mit den Werkstätten vom Gorki war es sehr besonders. Es gibt da einen großen Zusammenhalt und mir schien, sie arbeiten gerne mit einer Künstlerin als Bühnenbildnerin zusammen.
Bannat  /  Was heißt als Künstlerin?
Oschatz  /  Wenn eine Dilettantin wie ich, die Fehler und Ungenauigkeiten erhalten sehen möchte, zu den Profihandwerkern kommt, kann es zu Missverständnissen führen. Zum Beispiel die Rauten, also die Verlängerung des Zuschauer- in den Bühnenraum hinein, haben die Werkstätten an Hand meines gebastelten Modells exakt schief in ein 3D-Programm übertragen und dann schief nachgebaut. Das ist toll. Viel einfacher für sie wäre es gewesen, dies rechnerisch zu lösen und zu begradigen.
Bannat  /  Mir gefiel die Videoarbeit formal, inhaltlich hätte ich gern mehr von Dir gesehen. Aber diese Rauten-Kadrage aus dem Zuschauerraum heraus war eine feine Verkettung beider Räume.
Oschatz  /  Die Grundidee, den Raum bzw. die Rauten mit dem Video zu beleben, stand schon ganz früh fest. Die Umsetzung allerdings gelang nur in Zusammenarbeit mit Jesse Jonas Kracht, dem Videotechniker vom Gorki. Die eigentliche Erfindung ist, dass jetzt jede Raute einzeln angesteuert und zum Leuchten gebracht werden kann. Das hat recht lange gedauert und am Ende war nicht genug Zeit, die vielen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Bannat  /  Ich fand es insgesamt zu illustrativ. Wenn sie Gondel fährt, wird Venedig gezeigt, sind sie in Zypern Koggen und Seeleute aus alten Stichen. Wie sah die Zusammenarbeit hier aus?
Oschatz  /  Von Anfang an haben wir – Regisseur, Dramaturg, Kostümbildner, Musiker und ich – das Stück zusammen entwickelt. Aber jeder hat dabei seinen unterschiedlichen Schwerpunkt. Die jetzige Videoarbeit zum Beispiel war abstrakter angedacht, wegen der Rauten und deren geplantem Eigenleben. Irgendwann habe ich dann doch wieder angefangen gegenständlich zu zeichnen und das zu animieren. Mir gefällt es sehr, eine offensichtlich gezeichnete Welt als Realität bespielt zu sehen.
Bannat  /  Hast Du inhaltlich in das Stück eingreifen können?
Oschatz  /  Ich hätte, vielleicht habe ich es auch an der ein oder anderen Stelle. Es ist schwer, feststellen zu wollen, was genau von wem kam. Jedes Teil ist wichtig, jeder beeinflusst, von der Hospitantin bis zur Intendantin. Jeder hat seinen, aber nicht klar abgesteckten, Bereich. Der Regisseur entscheidet viel und hält die Fäden zusammen, viel kommt aber auch von den Schauspielern.
Bannat  /  Und wie sieht es mit der Bezahlung aus?
Oschatz  /  Ich bin chronisch pleite, aber zwei Theaterarbeiten im Jahr finanzieren meine Fixkosten.
Bannat  /  Du bist ja auch im Ausstellungsbetrieb unterwegs. Im Gegensatz zu diesem fühle ich mich aufgehoben wie in einem Futteral bei solchen Theaterabenden. Warm, trocken, in gedämpftem Licht, im Bewusstsein einer zur Bühne hin ausgerichteten Gemeinschaft anzugehören. Während bei unseren Ausstellung ja für gewöhnlich das OP-Licht der Aufklärung die Stimmung beherrscht.
Oschatz  /  Über die Wärme in Ausstellungen habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. In meiner Erinnerung sind Museen auch oft sehr warm und in manchen fühle ich mich sehr aufgehoben. Für meine Bilder und Videos baue ich oft eine Art Bühne mit speziellen Lichtverhältnissen.
Bannat  /  Wirst Du eigentlich auch als Übersetzungs-Spezialistin fürs 17. Jahrhundert, bis spätestens Goya, gebucht?
Oschatz  /  Nein, ich habe auch Bühnenbilder zu Brecht, Marguerite Duras, Etel Adnan und Alfred Jarry gemacht.
Bannat  /  Und fällst Du jetzt in ein Post-Premiere-Loch ?
Oschatz  /  Nein, ich freue mich auf Zeit im Atelier.
Bannat  /  Gibt es den Wunsch nur von Deiner Kunst zu leben?
Oschatz  /  Ja, unbedingt und auch den Wunsch, nicht mehr zu unterscheiden zwischen Kunst und Theater.

„Othello“, Maxim Gorki Theater
Regie: Christian Weise, Fassung: Soeren Voima, Bühne: Julia Oschatz, Kostüm: Andy Besuch, Kostümmaler: Martin Miok, Sounddesign: Falk Effenberger / Jens Dohle,
Dramaturgie: Aljoscha Begrich
Am Festungsgraben 2, 10117 Berlin, nächste Vorstellungen Do 12.5., 19.30 Uhr, Sa 21.5., 19.30 Uhr
Bühnenbild Julia Oschatz, Inszenierung „Othello“ am Maxim-Gorki-Theater