Bob Rutman

Kurzportrait

2014:Dez // Andreas Koch

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12-2014

“If you don’t succeed, suck lemmons”

Bob Rutman ist bestimmt einer der ältesten noch praktizierenden Künstler in Berlin. Erst kürzlich zeigte er eine Art Retrospektive seiner visuellen Arbeiten in der Seven Star Gallery in der Gormannstraße. Bob wohnt seit zehn Jahren um die Ecke in einer kleinen Hochparterre-Einraumwohnung inmitten des Boutiquenviertels von Mitte. Die „von hundert“ entsteht schräg gegenüber seiner Wohnung und man sieht Bob täglich an den Fenstern des Büros vorbeiziehen. Natürlich lag da die Idee für ein Gespräch für diese Ausgabe nahe. Also eines sonntagnachmittags schnell rüber und klingeln. Bob ist da. Der Fernseher läuft, die Wohnung ist mittelaufgeräumt, viele CDs und DVDs liegen herum. Bob legt eine Aufnahme eines Konzertes vom November 2013 in den DVD-Player.

„Hast du eine Zigarette?“ Klar, ich habe auch Kuchen mitgebracht, aber da lacht Bob nur.
„Bob, wie alt bist du?“
„83“
„…und wie fühlst du dich?“
„Gut.“
„Physisch und mental?“
„Ja, ich fühle mich gut. Ok, mein Gedächtnis lässt etwas nach, mein Kurzzeitgedächtnis ist sehr schlecht. Das kommt vom Kiffen.“
„Nicht vom Alter?“
„Nein, das liegt an zu viel Dope, ich muss mir alles aufschreiben, meine Konzerte. Ich habe viele Konzerte, die ich mir merken muss.“ Hustend lacht er …

Tatsächlich tritt Bob häufig in Berlin auf, viele Musiker schätzen ihn und sein Stahlcello, sein Hauptinstrument, ein über zwei Meter hohes Metallsegel, das sich unter der Spannung einer langen Saite wölbt. Auch spielt er Bow Chime und Bass Chime, das sind große Metallbleche auf Eisenständern, an ­denen je fünf Messingstangen befestigt sind. Auch hiermit erzeugt Bob mithilfe von großen handgefertigten Streicherbögen archaische Klanggewitter. Kein Wunder, dass er mit den Einstürzenden Neubauten 1998 auf Tournee ging, sozusagen als Vor-Band. Er spielte nie zusammen mit Bargeld oder Hacke, bekam aber manchmal die besseren Kritiken.

Bob Rutman, 1931 in Berlin geboren, landete nach einer großen Runde durch die Welt als 58-Jähriger wieder in seiner Geburtsstadt. Seine jüdische Mutter schaffte 1938 die Emigration über Polen und Skandinavien nach England, wo Rutman in die Schule ging. 1950 zieht er nach New York, muss aber noch zwei Jahre nach Deutschland zurück – zum Militärdienst für die Amerikaner. Dann studiert er Kunst in New York und Mexiko-City, gründet Ausstellungsräume, geht bank­rott, geht wieder nach Mexiko, bekommt einen Sohn, die Frau trennt sich als der Sohn sechs ist und Bob fängt an mit seinen ­Instrumenten zu touren.

„Was war die erfolgreichste Zeit deines Lebens?“
„In den Siebzigern lud man mich nach Brüssel ein. Es kamen nicht viele Leute, eigentlich nur vier. Aber ich wurde gut bezahlt und ich tourte weiter durch die Schweiz. Ich verdiente in den drei Monaten mehr Geld als in Amerika in zehn Jahren.“

Bob kam dann im Oktober 1989 endgültig nach Berlin. Er zog erst nach Schöneberg, dann mit Dorothy Carter in die Almstadtstraße und als sie auszog, konnte er sich die Miete nicht mehr leisten. Er zog in die Steinstraße.

„Wovon lebst du?“
„Ich bekomme eine Vertriebenenrente, 1044 Euro, das reicht für Miete und Leben.“
„Hast du Pläne für die Zukunft?“
„Ich spiel bald mit Ira Schneider, er ist auch sehr alt, ein Konzert und dann im April 2015 bei Ralf Schmerberg von den Mindpirates in Kreuzberg.“
„Bist du insgesamt zufrieden?“
„Ja, ich bin zufrieden. Mein Motto lautet immer. Don’t marry, be happy. Frauen und Männer sind immer anderer Meinung…“

Wieder ein heiseres Lachen, das von einer Operation an der Speiseröhre herrührt. Dann unterhalten wir uns noch kurz über die vielen Operationen, die er schon über sich ergehen lassen hat müssen, seinen mittlerweile 53-jährigen Sohn, zudem er nicht das beste Verhältnis hat, aber der ihn doch öfter besucht.
„Ok, see you at my concert!“ Er stellt den Fernseher wieder auf die CNN-Nachrichten und bringt mich zur Tür.
Bob Rutman, Foto: Hans Martin Sewcz