Pamphile Show

Jet

2009:Nov // Hans-Jürgen Hafner / Raimar Stange

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11-2009
















Gespräch über die Pamphile-Show bei Jet

Hans-Jürgen Hafner /  Ich habe ja den Eindruck, dass man bei der „Pamphile Show“ erst mal das, was man darin so sieht, also jede Menge irgendwie gemalter Bilder, und den sozusagen institutionellen bzw. thematischen Überbau, wie ihn Lena Ziese mit ihrer „Spezifisches“-Reihe jetzt mit einem Malerei-Schwerpunkt nahelegt, wegstreichen muss.

Also erst einmal müssten wir über den kuratorischen Ansatz von Gunter Reski und Marcus Weber sprechen. Und da würde mir das Stichwort Kommissionieren einfallen und dann das Stichwort Illustration.

Raimar Stange /  Zunächst ist für mich das, „was man darin so sieht, also jede Menge irgendwie gemalter Bilder“, selbstverständlich das Wichtigste, denn das ist schließlich die dort gezeigte Kunst. Aber um mich zunächst ein Stück weit auf deine argumentatorische Strategie einzulassen: Was verstehst du unter „Kommissionieren“?

Hafner /  Naja gut, es gibt immer die in Ausstellungen zu sehende/gezeigte Kunst. Es gibt aber eben auch die Ausstellung, die, speziell wenn das Kuratorische oder die Art und Weise des Ausstellens in den Vordergrund geschoben ist, ein Format für sich darstellt. „Kommissionieren“ meine in dem Sinne, dass, von Seiten der Kuratoren/Initiatoren, ein Thema reingeschoben wurde, was die Teilnehmer dann bearbeitet haben. Wir sprechen somit in gewisser Weise von Auftragsarbeiten.

Stange /  Stimmt, es handelt sich um Auftragsarbeiten, aber ist das schon ein interessantes Konzept? Auch wenn ich die Vorstellung eines ‚autonomen‘ Kunstwerkes nicht sonderlich spannend finde, so reicht es mir dennoch nicht, kommisionieren und in Folge dann illustrieren als kuratorisches bzw. künstlerisches Konzept zu behaupten. Zumal diese Strategie inzwischen in die Jahre gekommen ist: Man nimmt ein mehr oder weniger originelles (Sind wir eigentlich in der Modebranche?) Konzept und zeigt dann eine künstlerische Gattung, die längst obsolet geworden ist, nämlich „jede Menge irgendwie gemalter Bilder“. Strafverschärfend kommt hinzu, dass dieses auch noch in monomedialer Beschränkung geschieht. Und so ist eben auch hier: Die meisten der gezeigten Bilder sind es einfach nicht wert, betrachtet zu werden.

Hafner /  Das würde ich, wie gesagt, diskutieren wollen und zwar nach zwei Seiten. Einerseits erscheint mir das als kuratorisches Konzept tatsächlich erst mal nicht unproblematisch, zumal mit dem Kommissionieren der Bilder deren Inhalt bestimmt wird: KünstlerInnen also kollektiv einen kuratorischen Auftrag/ein Ausstellungsthema, genauso wie einen spezifischen Inhalt, aus dem Roman „Kapitän Pamphile“ von Alexandre Dumas, vorgeben, diesen aber dann eben individuell‚ illustrativ behandeln. Das sind schon zwei Ebenen, die wir differenziert anschauen müssen, denke ich. Denn gleichzeitig ist klar: Es geht nicht wirklich um den „Pamphile“-Roman und auch nicht wirklich um ‚Malerei‘ aber im shortcut dazwischen um das erzählerische Potential von mit den diversen Mitteln der Malerei hergestellten Bildern.

Übrigens denke ich ja nicht, dass es in der Kunst – egal, ob auf Produzenten-, Vermittler- oder Rezipientenseite – noch um ‚Themen‘ oder ‚Gattungen‘ geht. Da ist eins so obsolet wie das andere. Sehr wohl geht es aber ums ‚(irgend-)wie‘ und damit kommen wir langsam in die Richtung, wo wir berechtigt nach dem Wert fragen könnten.

Stange /  Du widersprichst dir doch: Einerseits sagst du es geht „nicht wirklich um Malerei“, andererseits betonst du die Relevanz des „erzählerischen Potentials von mit den diversen Mitteln der Malerei hergestellten Bildern“. Dass Malerei – was ist diese sonst, wenn nicht die Bilder, die mit ihren Mitteln hergestellt werden?! – erzählt, dies aber ist ein uralter Hut und genau eines ihrer Probleme, denn Malerei tut dies, indem sie sich meist, gerade in dieser Ausstellung, abbildend auf Wirklichkeit bezieht und das mit einer Handwerklichkeit von vorvorgestern. Das Resultat sind dann mehr oder weniger marktfähige ‚Meisterleistungen‘. Genau all dieses wurde doch aber schon von der guten alten Avantgarde in die Mottenkiste der Geschichte geworfen. Von Duchamp etwa, der eine „nicht-retinale“ Kunst forderte, von André Breton, der sich weigerte noch „Sklave seiner Hand zu sein“ und von den Dadaisten die das bourgeoise Kunsthelden und -Warengedöns lächerlich machten.

Ist all dies vergessen? In kollektiver Amnesie, die in willfähriger Verbeugung vor dem Kunstbetrieb all zu gerne zu gelassen wird?

Hafner /  Nun – ich wäre gewillt, zwischen ‚Malerei‘, ‚Bildern‘ und ‚gemalten Bildern‘ bzw. ‚gemalten Erzählungen‘ zu unterscheiden. Das hat meines Erachtens mit Ideologien á la Markt und Meisterschaft weit weniger zu tun, als mit einer bestimmten Pragmatik im Umgang mit visuellen Phänomenen, technischen oder medialen Anordnungen, historischen und zeitgenössischen Codes, was eine mögliche Rezeption betrifft. Den Background hätte ich schon gern mit an Bord, bevor ich anfange über einzelne Bilder zu sprechen.

Aber wie meinst du das: Welche Wirklichkeit bilden diese Werke denn eigentlich ab? Heißt denn ‚gegenständlich‘ oder ‚figurativ‘ automatisch ‚Wirklichkeitsbezug‘ und ‚Dreieck‘ oder ‚Farbschliere‘ nicht? Da machst du es dir, fürchte ich, zu einfach. Das wäre, ohne in die alte Kurzschlussfalle der linken Funktionsästhetiker zu tappen, doch auf demselben Auge blind, im selben Hirnlappen verblendet zu sein. Der gute alte ‚Schein‘ ist doch spätestens seit Adorno wieder im Rennen und seien wir froh drum. Ich sehe ja auch gern mal einen Film.

Interessant übrigens, dass es bei Duchamp letztlich doch immer massiv ums Schauen geht, dass Breton trotzdem die Hand braucht für die Magnetischen Felder und dass Dada entweder Kunst oder, im selteneren Fall, Politik geworden ist. Das sind aber eigentlich andere Fragen.

Stange /  Ich heul gleich: Gemalte Bilder sind keine Malerei, diese hat nichts mit dem Kunstmarkt zu tun, Duchamp ist nicht einer der Väter der Concept Art… Und was Wirklichkeit ist, wissen wir angeblich auch nicht.

Das ist nicht differenziert gedacht, sondern möchtegern­clever und zur Wirklichkeit: Es ist doch klar, dass, gerade in unserer Postmoderne, mediale Geschehnisse auch Wirklichkeit besitzen, so ist auch die Fiktion des in der Ausstellung illustrierten Buches Wirklichkeit und wird abgebildet etwa in Form einer kitschigen Landschaftsdarstellung. Was bitte schön ist daran in irgendeiner Weise spannend? Genau deswegen wirkst du ja möchtegernclever: Um Mist doch noch diskutieren zu können, um so deine eigene Intelligenz und Originalität zu beweisen. Das hat mit Kunstkritik rein gar nichts zu tun!

Hafner /  Das habe ich, wie du weißt, nicht gesagt. Aber nochmals anders. Das kuratorische Konzept der Ausstellung baut meines Erachtens mit Kommisionieren und Illustration zwei Messlatten rein, die uns dazu befähigen, diese Bilder ganz objektiv zu diskutieren. Sonst müssten wir so etwas, da gebe ich dir recht, wahrscheinlich in Bausch und Bogen verwerfen. Aber mit dem Generalargument, dass das alles subjektivistische/genialistische Malerei-Selbstgefälligkeiten, was Erfindung und Stil und Handschrift betrifft, wären, für die es zwar ein einschlägiges Publikum (und womöglich Käufer) gibt, was aber für einen Diskurs über derzeitige Fragen der Kunst (nicht ihres Betriebes) eher unergiebig wäre.

Das aber halte ich sehr wohl für einen konzeptionellen Kniff der Schau und darüber würde ich reden wollen. Ebenso wie über womöglich Miss-, womöglich Gelungenes in einzelnen Arbeiten.

Mit den Voraussetzungen, mit denen du da reingehst, scheint mir, können wir nur Aussagen über einen bestimmten Aspekt des Kunstbetriebs treffen, über die ­traditionelle Vorliebe einer bestimmten Audience für das expressive, gegenständliche Bild und für entsprechende Künstlerposen. Aber da würde ich eigentlich lieber zu CFA gehen und Daniel Richter bashen. Oder, wenn’s schon um Konzepte gehen soll, das Retinale bei Olafur Eliasson zur Disposition stellen.

Stange /  Das hast du, obwohl ich überspitzt habe, alles sehr wohl so gesagt. Und: Das Konzept ist doch so dünn, dass es nicht mehr als die Entschuldigung dafür ist, dass man so viele „irgendwie gemalte Bilder“ zeigt, trotz aller Argumente, die es seit Jahrzehnten gegen sie gibt. Ich weiß, ich dreh mich im Kreise, aber …

Hafner /  Stimmt. Karussell ist’n Dreck dagegen. Aber wenn’s dir Spaß macht, bleiben wir halt probehalber mal dabei, Konzept mit Malerei zu verrechnen. Oder retinale mit Ideenkunst. Ich hab’ nämlich keine Lust die generelle Möglichkeit für Malerei, und so, wie du deinen Gaul zäumst, Visualität und Narration gleich mit dazu, quasi als Kind mit dem Bade auszuschütten, bloß, weil’s – wie ich dir ja recht gebe – viele Gegenargumente gibt und nicht eben viele Kunst zurzeit, die als Kunst aber auch in anderer Hinsicht diskursiv produktiv sein möchte, als Malerei daherkommt. (Ebenso wenig wie viel neo-konzeptueller Kram allerdings, oder Fotografie oder oder oder … Das sind eben keine Gattungs- oder medialen Probleme mehr.)

Dann gab’s und gibt’s da aber Leute von Art & Language bis Zobernig und von Zaugg bis meinetwegen Ahriman, die haben genau zu dem Problem, Konzept und Malerei, Visualität und Theorie, Medienkritik und Repräsentationsmöglichkeit durchaus nennenswerte Beiträge reingestellt. Und der Reski z.B. macht das in seiner eigenen Arbeit eben auch sehr bewusst und in diesem „Pamphile“-Paket, mit einer zugegebenermaßen nicht eben sensationell-subtilen konzeptuellen Cleverness, dennoch was ziemlich Effektives/Diskutables. Da ist eben mal ein Maßstab drin (was nicht eben viele Ausstellungen von sich behaupten könnten): Wenn wir ein einzelnes Bild diskutieren wollen, na, dann müssen wir halt über die Hürde „Pamphile“-Illustration und kuratorisches Anliegen erst mal drüber, weil das halt das Angebot ist. Und dann kannst du meinetwegen sagen: Lutz Braun genial, weil… und Reski doof, wegen…

Stange /  Mir wird immer schwindeliger …

Hafner /  Da siehste mal.

„Spezifisches # 3 – Zum Malerischen: Pamphile Show Ein Bildroman in Stücken“, Jet, Memhardstraße 1, 10178 Berlin, 20.06.–18.07.2009
Ausstellungsansicht „Pamphile Show“, 2009 (© Jet, Berlin)
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