Stadt von morgen

Akademie der Künste

2007:Jul // Andreas Koch

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07-2007
















"Die Stadt von morgen" lautet der Titel einer Ausstellung über das Hansaviertel und übernimmt damit streng das Motto der "Interbau" 1957 zu welcher das Viertel eingeweiht wurde. Utopien der Moderne wieder auszugraben ist mangels Alternativen in den Nuller-Jahren eine der Hauptbeschäftigungen, der sich vor allem konzeptuell arbeitende Künstler widmen. Nicht nur die Documenta fragt sich, ob die Moderne tatsächlich unsere Antike ist. Die Kuratorinnen Annette Maechtel, Christine Heidemann und Kathrin Peters gehen der Frage nach, was von dem Anspruch der damaligen Städteplaner, besseren Wohn- und Lebensraum für den modernen Menschen zu schaffen, heute noch übrigbleibt. "Beiträge zu einer Archäologie des Hansaviertels" untertiteln sie ihr Projekt und so ist man in der Ausstellung positiv überrascht, dass die beteiligten Künstler sich nicht nur darauf beschränken "verdeckte Schichten und vergessene Aspekte der Stadt von Morgen freizulegen", denn manche Beiträge, wie der Film vom Künstlerduo Korpys/Löffler graben nicht sonderlich tief. Sie tragen ein rohrähnliches Gebilde durch das Viertel und überblenden diese Aktion immer wieder mit historischen Aufnahmen von 1950, die das zerbombte Gebiet vor dem Aufbau zeigen. Zu viel mehr als einem vergleichenden Vorher/Nachher taugt der Film jedoch nicht. Der zweite Teil ihres Beitrags, nämlich die lustvolle Zerstörung von Designklassikern aus den 50er Jahren mit eben dem zuvor getragenen Rohr geht jedoch weiter. Das Rohr entpuppt sich als Bauelement einer der Hansaviertel-Architekten (Eiermann) und die Epoche entsorgt sich so buchstäblich selbst. Der Sieg der fortschreitenden Zeit macht eben trotz aller Retro-Begeisterung auch vor einem Braun-Plattenspieler nicht halt.

Auch Sofia Hulténs Beitrag ironisiert anschaulich den Archäologie-Hype indem sie steinzeitlich anmutende Rituale mit Bewohnern und Gegenständen im Hansaviertel inszeniert. Ein Betonkreisel mutiert zum Beispiel zu einer Art Stonehedge der Neuzeit, wenn sie mit drei Leuten und vier Ghettoblastern einen zeremoniellen Kreis bildet.

In Dorit Margreiters Film spielen die Designobjekte, die eben noch von Korpys/Löffler zertrümmert wurden, die visuelle Hauptrolle. Sie kontert die vor schwarzem Hintergrund werbemäßig abgefilmten Stühle, Tassen und Gläser mit einer Tonspur, auf der eine Sprecherin ein Drehbuch mit Zitaten von Bewohnern des Viertels vorliest. Diese entsprechen keineswegs den Visionen der Zukunftsarchitekten von Gestern. Da ist von zu langen Fluren, zugigen Großfenstern, lärmigen Nachbarn die Rede. Auch die jungen, hippen Neubewohner kommen nicht gut weg - sie belagerten zunehmend den kleinen Edeka-Supermarkt im Viertelzentrum.

Womit wir beim Scheitern der damaligen Visionen wären. Ein Hauptaspekt war, Stadt und Land zu verbinden. "Diese grüne Mitte ist durch breite grüne Flächen und Streifen mit dem freien Umland verbunden", hier sollten die Menschen in ihrer Freizeit selbst gärtnern und fischen. Das durch Stapeln der Menschen in Hochhäusern gewonnene Grünland wurde jedoch oft genug zur "Hundescheißewiese" mit Betreten-Verboten-Schildern, die wenig zur Erholung nach dem Stress in den hellhörigen Wohnungen beitrugen. Dass das Modell dennoch seinen Siegeszug durch West- und Ostdeutschland antrat, hat demnach weniger mit der Zufriedenheit der Bewohner, als mit der raschen Planbarkeit von Plattenbausiedlungen (Ost) und Immo-Blöcken (West) zu tun.

Folke Koebberling und Martin Kaltwasser durchbrachen mit ihrem Beitrag zumindest an einer Stelle, die sonst stringente Ästhetik der Ausstellung, die etwas zu designt in den modernistischen Akademiebau im Hansaviertel integriert wurde. Sie stellten einen bewohn- und benutzbaren Bauwagen in die Nachbarschaft und fingen tatsächlich an Erdbeeren zu pflanzen. Schon vor 40 Jahren war dies die Antwort der Jugend auf die im spießigen Neubau wohnenden Eltern. Die 68er zogen in Wagenburgen und Kommunen und reanimierten die Altstädte wieder. Ob allerdings das Stimmannsche steinerne Piazza-Modell des heutigen Berlins das Nonplusultra ist, bleibt zumindest seit dem Beschluss zum Schlossaufbau die Frage. Den Potsdamer Platz als Hansaviertel der Neunziger könnte man wegen seiner virtuellen Unwirtlichkeit auch als gescheitert bezeichnen. Beide Areale sind jedoch für sich eine Bereicherung der Stadt, die solche Versuche mühelos schluckt und als begeh- und bewohnbare Freiluftmuseen bereit hält.  
Zeichnung aus „die stadt von morgen“, hrsg. von Karl Otto, 1959 (© the authors)
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