In 80064 befindet Zmiewski sich mit Józef Tarnawa, einem ehemaligen Auschwitzgefangenen, in einem Tätowierstudio, um dessen Lagernummertätowierung zu erneuern. Als er abwehrt, beginnt Zmiewski, Druck auf ihn auszuüben und sich auf ihre Abmachung zu berufen; Art und Plötzlichkeit des Widerstands zeigen, daß auch die Abmachung schon auf Druck hin zustandegekommen ist: man spürt, daß Tarnawa sich selbst gestattet hat, dem Druck auszuweichen, indem er sich gesagt hat, daß das Ereignis noch eine Weile aussteht; jetzt, da es bevorsteht, widersteht er zunächst und gibt dann nach, indem er die Verantwortung wieder von sich schiebt, diesmal auf die ja bereits getroffene Verabredung. Zmiewski fragt ihn nach Widerstand im Lager; Tarnawa erklärt, es habe da, um zu überleben, nur Unterordnung gegeben. Unterordnung ist keine Einordnung in ein Gemeinsames, sondern Unterwerfung unter die Macht des Feindes. Zmiewski appelliert an Vertragstreue. Vertragstreue setzt ein Gemeinsames voraus, das in den Lagern wesentlich radikal zurückgewiesen wurde. Erneuert werden in der Nummer als ihrem Emblem Gewalt und Unterordnung. Sie machen die obszöne Grausamkeit dieser Arbeit aus. Von Santiago Sierra sagt Zmiewski: “Er zeigt, wie die Kultur der Niedertracht, die er an den Tag legt, einen hohen Stellenwert verschafft.” {4} Tatsächlich: Sierra stellt den Kunstbetrieb aus, implizit also auch das Mißverständnis, Sierra liefere Bilder für kapitalistische Niedertracht, während er tatsächlich Bilder dafür liefert, daß diese Niedertracht im Kunstrahmen real wiederholt und belohnt wird. Zmiewski läßt seine Arbeit aussehen, als solle sie ein Bild für die Mechanismen der Unterordnung und davon geben, wie sie sich in der Wirklichkeit anfühlen. Viel höher aber ist hier das Gewicht des wirklichen Geschehens; es zum Bild zu instrumentalisieren, macht auch hier den eigentlichen Sinn der Arbeit aus. Zum Bild der Grausamkeit tritt ihre Wirklichkeit.
Die scheinbare Affirmation eines Verbrechens, auch nur eines
Mißstandes, in der Kunst hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, wenn sie
einen Protest provoziert, der sich dann als falsch herausstellt, weil er als
Kunst, also als öffentliches Bild angreift, was er in der Realität akzeptiert,
und so ungewollt unter Beweis stellt, daß es ihm um die Abwehr, geradezu das
Verbot des Bildes, also des Bewußtseins des Mißstandes geht. Das Bewußtsein des
Mißstandes zu verdrängen schützt den Mißstand. Das ist der Spiegel. Er ist am
Platz, wenn das Thematisierte sonst unthematisiert ist; auch wo er am Platz
ist, macht er die Reflexion der Beziehung von Darstellung und Verwirklichung
eines (gelegentlich eben auch nur vorgeblich, oder auch: vermeintlich)
kritisierten Verhältnisses nicht überflüssig. Zwar is die Wirkung der
persönlichen Konfrontation durch eine verdichtende Erzählung nicht zu ersetzen.
Ob der Umgang mit Opfern auch der polnischen Geschichte eine solche
Arbeitsweise nötig macht, muß von hier aus nicht beurteilt werden; Zmiewski,
der insistiert, der Künstler habe sich um die Rezeption seiner Arbeiten zu
kümmern, und der selbst für ihre Präsentation in Berlin gesorgt hat, hätte
diese Basisinformationen mitliefern können. Ohne sie ist auch diese Arbeit
schwer hinnehmbar.
Artur Zmijewski,
"Ausgewählte Arbeiten"
NBK
Chausseestraße 128/129
19.5.-24.6.2007
{ 1 Ob Zmiewski das so sieht, ist allerdings fraglich. Beispielsweise behauptet er allen Ernstes: “Diese Damen gehören zur Unterschicht und schweigen als solche”. Artur Zmijewski, Ausgewählte Arbeiten, Berlin 2007 (Katalog zur Ausstellung, Revolver Verlag), S. 71, 138 }
{ 2 op. cit., S. 71,
138 }
{ 3 vgl. op. cit. S.19f }
{ 4 op. cit. S. 75 }