Suse Weber

Barbara Weiss

2009:Feb // Peter K. Koch

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02-2009
















Gute Skulpturen zeichnen sich primär durch ihre unmittelbare visuelle Präsenz aus. Daraus resultierend umgibt sie ein auratisches Kraftfeld. Gute Skulpturen sind autonome, in sich geschlossene Gebilde. Sie entfalten ihre Präsenz mal laut und mal leise, mal grell und mal grau. Die künstlerische Intention ist in der gelungenen Skulptur spürbar. Für den wortlosen Transfer dieser Intention hin zum Betrachter ist das Bildnerische zuständig. Unausgesprochenes und Unaussprechliches werden durch den gezielten Einsatz des Materials letztlich doch gesagt. Nacktes Material wird durch die Hand des Künstlers im Idealfall zu Gefühl.

Manche Skulpturen brauchen Hilfe. Diese Hilfe besteht in den meisten Fällen aus einer theoretischen Sekundärinformation, die man konsumieren muss, um klarer zu sehen. Das kann sein, weil das Gezeigte in seiner visuellen Kraft nicht ausreicht (ganz schlecht!) oder aber, weil die Arbeit einen konzeptuellen Kern hat und das Forschen nach der künstlerischen Intention einen ästhetischen oder verständnisorientierten Mehrwert produziert. Eine klare Grenze zwischen sich selbst erschließender und sich erst im Wissen um den konzeptuellen Ansatz erschließender Skulptur besteht nicht; der Übergang ist fließend und liegt irgendwo in der Mitte zwischen der expressiv gekneteten Figur und der schwer verständlichen Sozio-Skulptur.

Suse Webers Ausstellung „Formel:Verein“ mangelt es nicht an visueller Präsenz. Betritt man den Hauptraum der Galerie Barbara Weiss, dann steht man einem raumfüllenden, hochkomplexen, in sich geschlossenem Figuren- und Formenensemble gegenüber, das durch seine schiere Größe beeindruckt. Das überwiegend in den Druckfarben cyan, gelb, magenta and schwarz gehaltene System, hergestellt aus einer Kunststoffhohlkammerplatte, deren Oberflächen mittels Siebdruck entweder einfarbig oder motivisch besetzt wurden, steht selbstbewusst da. Suse Webers Stil ist offensiv konzeptuell. Sie lässt sich aber den Spaß am Handwerklichen, am Bauen, an den haptischen Qualitäten der verwendeten Materialien und Formen nicht nehmen. Das Bildhauerische steht spürbar im Zentrum. Die Verarbeitungslinien und Umdeutungsprozesse des Materials bleiben sichtbar. Die Vermutung aber, dass sich ein solch komplexes Handeln nicht ohne den dazu gehörenden Plan entwickeln kann, ist vollkommen richtig.

So zieht sich der Begriff der Emblematik wie eine Richtschnur durch Webers Arbeit. Als Emblematik bezeichnet man eine zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert in der Blüte stehende Kunstform, in der Bild und Text in sich gegenseitig interpretierender Weise verbunden werden. Worüber man jetzt zweimal nachdenken muss, hat schon in Webers früheren Arbeiten zu raffinierten Systemen, Reihungen und Organisationen geführt. Der jeweilige Handlungsanlass ist dabei oft ein gesellschaftlicher Zustand, eine Realität. Das verzweigte Vereinswesen Mönchengladbachs bildete die Recherchegrundlage für die aktuelle Ausstellung. Mönchengladbach, ein Siedlungsgebiet am Niederrhein, das eine ungewöhnliche Dichte an Vereinsmitgliedschaften pro Kopf aufweist. Webers Forschung (Vereinswesen, Vereinsgründung, Vereinsgeschichte, Vereinswappen, Vereinsmitglieder, Vereinsziele etc.) am gesellschaftlichen Zustand führte nach deren Abschluss und dem darauf folgenden künstlerischen Transformationsprozess zum nun vorliegenden, in sich verflochtenen Figuren- und Formensystem. Die Hauptrollen in diesem System spielen unter anderem: die Stadt, das Individuum, die Hierarchie und der Anlass.

Selbst wenn man den konzeptuellen Anlass zur künstlerischen Handlung ignoriert, und das ist erlaubt, entfaltet Suse Webers Arbeit doch eine zwingende Präsenz und führt ein durchaus unabhängiges Eigenleben jenseits jeder einengenden Begrifflichkeit.

Suse Weber „Formel:Verein“
Galerie Barbara Weiss,
Zimmerstraße 88-91
17. 1.–21. 2. 2009  10117 Berlin  
Suse Weber „Formel:Verein“, 2008 (© Foto: Jens Ziehe, Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin)
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