Hannes Kilian

Martin-Gropius-Bau

2009:Jun // Jennifer Bork

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06-2009
















Zunächst warte ich mich geduldig durch die Schlange vor der Garderobe, laviere mich durch die Touristenschar im Erdgeschoß und steige dann einige enge Treppen bis ins zweite Geschoß des Martin-Gropius-Baus hinauf. Oben angekommen empfängt mich eine angenehme Stille und das leicht gelangweilt wirkende Kassen- und Aufsichtspersonal. Nichts ungewöhnliches, hatte ich mich doch absichtlich für die Fotoausstellung entschieden und nicht für das ‚Who-is-Who‘ aus 60 Jahren bundesdeutscher Kunstgeschichte. Tatsächlich wird der zweite Stock eher wie die häßliche Stiefschwester der weiter unten im Glanz erstrahlenden Königin behandelt. Nur wenige Besucher haben sich hierher verirrt, was an dieser Stelle wörtlich zu nehmen ist, denn unmittelbar nach meiner Ankunft überholt mich ein älterer Herr und fragt in gebrochenem Deutsch, wo „sechzig Jahre“ denn wäre. Er wird zurück ins Parterre geschickt. Ich wende mich der Ausstellung zu. Über dem Eingang steht unprätentiös und wenig aussagekräftig „Hannes Kilian Fotografien“.

Klaus Honnef kuratierte die erste Retrospektive des Fotografen, der etwas großspurig, als „einer der bedeutendsten Fotografen Deutschlands“ angekündigt wird. Im ersten Raum beschleicht mich schon leise das Gefühl einer willkürlichen Überblicksschau. Und das sowohl in der Hängung, als auch in der Verwendung der technischen Präsentationsmittel, wie Lichtsetzung und den lieblos anmutenden Klebeetiketten als Werkbeschriftungen, die als Basisinformationen zumeist nur Ortsangaben und Jahr enthalten. Empfangen werde ich von einem großformatigen schwarz-weiß Porträt, das Gina Lollobrigida gegen Ende der 1950er Jahre zeigt. Leider spiegeln sich gleich so viele Lampen in dem Glas, dass man das Konterfei der Actrice nur schräg von der Seite vollständig erkennen kann, was dem Bild, auf dem sie mit gespielter Überraschung mit aufgerissenen Augen genau in die Kamera guckt, irgendwie den Witz zu nehmen scheint. Die Auswahl der Bilder erscheint recht beliebig. So verpufft die Wirkungsmacht einiger guter Arbeiten, wie etwa die des Fotos eines „bewachten“ Delfins (aus dem Bildtitel), auf dem ein triumphierend lachender Soldat in Uniform am Strand hinter einem scheinbar toten Delfin steht, um dessen Heckflosse ein dickes Seil gebunden ist. Die zwischen Tragik und Komik schwankende Aufnahme wirkt in Nachbarschaft zu den Stadt- und Theateraufnahmen leider nur noch absurd. Eine Besserung stellt sich nicht ein, die Ausstellungsbeschriftungen sind wenig aussagekräftig und bleiben bis zum Schluß eine Antwort auf die Frage nach Kilians „unverwechselbarer Bildsprache“ und seiner „spezifischen Ästhetik“ schuldig.

Eine Konzentration auf Hannes Kilians Spiele mit Kontrasten und Licht, die den aufgenommenen Architekturen eine artifizielle Schärfe verleihen und sie so als skulpturale Elemente im öffentlichen Raum erscheinen lassen fällt schwer. Seine offensichtliche Begabung, durch die Betonung von Komik einer zu starken Pathetik seiner Arbeiten vorzubeugen, klingt nur leise an. Nahtlos gehen die Aufnahmen der, unter „Reisen“ subsummierten Arbeiten, in Theater und Ballettszenen über, die sich im gleichen Raum befinden. Gerade die, für Kilians Gesamtwerk offenbar so wichtigen Ballettfotografien sind dann nur noch als chaotisches, übereinandergestapeltes Wirrwar präsentiert, die nebenstehenden Beschriftungen verfolgen das gleiche „Schema“. Die politische Brisanz der „Trümmerbilder“, die im gegenüberliegenden Raum gezeigt werden, wird durch den Begleittext schon fast karikiert, der ausdrücklich darauf verweist, dass Kilians Arbeiten nicht etwa als schuldrelativierend eingeordnet werden können. Dies wirkt ein wenig bemüht, als wolle man sagen der Hannes Kilian war nicht „so einer“. Das wäre im Prinzip auch völlig korrekt. Ungeschickt erscheint dann, dass sich in den Vitrinen eine unkommentierte Sammlung diverser Zeitschriften mit Kilians dokumentarischen Bildstrecken befindet.

Der Betrachter bleibt allein mit der einen oder anderen Frage. So ist nicht ersichtlich, ob der Text einer Reportage der Stuttgarter Illustrierten von 1962 von dem D. J. Irving geschrieben wurde, der sich in der Folgezeit leider mit seinen dubiosen Geschichtstheorien einen prominenten Ruf als Holocaustleugner erworben hat. Wer extra auf die Brisanz der Trümmerbilder hinweist, sollte dann konsequent darauf eingehen, wie die Werke im jeweiligen Kontext zu verstehen sind. Ungeschicktes Vorgehen bei der Gestaltung zog sich leider als einziger roter Faden durch die Ausstellung, die auch nicht davor zurückschreckte, eines der Werke weit über der Beschriftung aufzuhängen, um es nicht in unmittelbarer Nähe zum Feuerlöscher zu platzieren. Warum nicht einfach weglassen? Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.

Hannes Kilian „Hannes Kilian – Fotografien“,
Martin-Gropius-Bau,
Niederkirchnerstraße 7,
10963 Berlin,
04.04.–29.06.2009
Hannes Kilian „World Trade Center“, New York,1977 (© Hannes Kilian)
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