Simon Starling

Neugerriemschneider

2006:Dec // Andreas Koch

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12-2006
















Simon Starlings Interesse an Produktionszusammenhängen ist groß. Man könnte ihn als „Die Sendung mit der Maus“ unter den Künstlern bezeichnen. Das wäre gemein und stimmt auch nur, wenn man seine Produktionsketten als solche betrachtet, also deren innere Logik getrennt von ihrem Ausgangs- bzw. Endpunkt. Bei Simon Starling dreht die Maus meist durch und setzt sich zum Beispiel auf ein wasserstoffbetriebenes Fahrrad, fährt durch die Wüste, um mit dem Abfallprodukt des Motors, etwas Wasser, Aquarelle von Kakteen zu malen. Oder sie findet am Rheinufer ein Bootshaus, baut daraus ein Boot, um zur Ausstellungshalle zu fahren und daraus wieder ein Bootshaus zu bauen. Die Kinder vor dem Fernseher hätten ihren Spaß, aber das Warum wäre größer als vor der Sendung. Deshalb begräbt man die Maus am besten gleich wieder.

Die Skulpturen von Starling stellen ihren eigenen Produktionsprozess dar und sind selbstreferentielle, tautologische Konstrukte. Trotzdem erzählen sie auch mehr, z.B. von der Moderne, der Ökonomie oder der Kunst. Bei Neugerriemschneider zeigt Simon Starling eine Skulptur, die diese drei Bereiche in einer Filmschleifenwendeltreppenprojektionsmaschine vereint. Sie sieht schön aus und projiziert gleichzeitig einen schönen 35mm-Film. Man sieht die Geschichte der Firma Wilhelm Noack, einer Metall verarbeitenden Berliner Firma, die seit über 100 Jahren existiert und für Bauhaus-Designer, Nazis, Wirtschaftswunderfirmen oder zeitgenössische Künstler Aufträge bearbeitete. Starling ließ seine Skulptur von dieser Firma – basierend auf einem firmeneigenen Entwurf für Wendeltreppen – anfertigen. Auch den Herstellungsprozess der Skulptur findet man im Film wieder, der Künstler montierte die Kamera während des Bauprozesses auf verschiedene Werksmaschinen und die Kamera verfolgt die einzelnen Stationen.

Im Unterschied zu früheren Arbeiten bezieht Starling diesmal das Medium Film direkt mit in seine Arbeit ein, und Starling-typisch verschränkt sich die Funktion des Loops mit der Form der Wendeltreppe. Die Erzählung, die sonst zu seiner Arbeit gehört und in Form von publizierter Sprache oder mündlich mitgeliefert wurde, ist dieses Mal Teil der Arbeit. Das schafft einerseits eine stärkere Bild-Text-Einheit, andererseits erspart es dem Künstler auch Schritte und Stationen, durch die sich seine früheren Arbeiten erst materialisierten. Dadurch, dass der Künstler den sprachlichen externen Teil der Arbeit einspart, fehlt plötzlich auch das absurde Moment und die Komik. Die Kette hat nur noch zwei Teile und wird zu einer Art Bild.

Natürlich ist es ein schönes Bild, in allen erdenklichen Grauschattierungen gehalten. Das Korn des Schwarzweißfilmes überlagert sich mit dem Silbergrau der Metallrohre, der schwarze Filmstreifen flimmert und flattert über die Geländer und der Projektor ist genauso formschön wie die Produkte der Firma Noack, die er an die Wand wirft. Man braucht keinen Begleitzettel mehr, um das Bild zu erfassen und zu verstehen, und doch fehlt einem dieser kleine Aha-Moment, den man früher hatte, wenn sich der Kreis erst beim Lesen schloss und einem ein Schmunzeln entlockte. Die Installation wird auf Kosten des Humors kompletter und wichtiger und gleichzeitig weniger nacherzählbar. Vielleicht ist sie ja dadurch mehr Kunst und noch weniger Maus, aber das ist auch ein bisschen schade.

Simon Starling „Wilhelm Noack Ohg“
Neugerriemschneider, 14.11.2006‒13.01.2007
Simon Starling „Wilhelm Noack OHG“ 2006, Installationsansicht, neugerriemschneider, Berlin (© neugerriemschneider)

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