Die Ausstellung im Hamburger Bahnhof „Jenseits des Kinos: die Kunst der Projektion. Filme, Videos, und Installationen von 1963 bis 2005“ ist wie eine große Hollywoodproduktion – wie ironisch, dass sie in einer Position „jenseits des Kinos“ steht: tolle Künstler (Rodney Graham, Pipilotti Rist, Dan Graham, Stan Douglas, Valie Export, Andy Warhol, Pierre Huyghe, Bruce Nauman, Lawrence Weiner, Peter Campus, usw.), beeindruckende Technik, hervorragende Gestaltung der Ausstellungsräume. Man spaziert in den Rieckhallen umher und genießt Schlüsselwerke der Videokunst, die gleichzeitig wirklich interessant sind (was nicht immer der Fall ist).
Mit seiner wunderschönen 7-Kanal-Video-Installation „Eraser“ (1998) entführt uns Doug Aitken auf eine sieben Meilen lange Reise, von Nord nach Süd über die karibische Montserrat Insel und zeigt verwüstete Landschaften. Die Arbeit wurde 1998 auf Film gedreht, genau drei Jahre nach der Evakuierung der Bevölkerung während der verheerenden Eruption des Soufrière Hills Vulkan, der eigentlich seit 400 Jahren inaktiv war. Eine poetische Wanderung, die in der Natur anfängt, und die immer mehr die Spuren der Zerstörung entdecken lässt. Das Geräusch der Künstlerschritte begleitet die drei Teile der Arbeit: zwei mal zwei Bildschirme in zwei Ecken gestellt, die von einer Position gleichzeitig zu sehen sind, führen zum dritten Teil, einer dreiteiligen Bildschirm-Projektion, die trotz ihres eigenen Charakters viele bekannte Bilder aufruft: Caspar David Friedrich, Isaac Juliens „True North“ – und sich zum Schluss zu einem erhabenen Gefühl addiert.
Ebenfalls aus drei Teilen besteht Eija-Liisa Ahtilas „Consolation Service“ (1999), aber die Reise ist in diesem Fall psychologisch; der Schmerz der Trennung, bis zum nächtlichen Versinken der Protagonisten in einem gefrorenen See. Die Finnin arbeitet stark mit Narration, die sie aber wiederum chronologisch verwirrt – was natürlich in einer „historischen“ Ausstellung auch interessant ist, da die Anfänge der Videokunst von der Ablehnung der Narration geprägt waren. Dennoch gibt es noch weitere narrative Arbeiten in der Ausstellung.
Aber warum spreche ich über Hollywood, wenn ich eigentlich die gezeigten Werke so bewundere? Weil „Jenseits des Kinos“ – wie ein sehr gut produzierter Hollywood-Blockbuster – einfach ein bisschen leer wirkt, trotz aller tollen Effekte (die Künstlerarbeiten). Diese Arbeiten wurden nämlich von den vier Kuratoren Stan Douglas, Christopher Eamon (Kurator der Kramlich Collection), Gabriele Knapstein und Joachim Jäger in verschiedenen Kategorien oder Gruppen organisiert, wie zum Beispiel „Lichtspiele / The Optic“ oder „Fundus Kino / The Repertory Cinema“. Und diese Gruppierungen führen zu verkürzten Interpretationen und vergeblichen Versuchen ein Verhältnis zwischen den Arbeiten zu sehen oder nur eine Gemeinsamkeit, welche mit einem Satz beschrieben wird, der kein erleuchtendes Ziel hat, sondern einfach die Gruppierung verteidigt und unterstützt. Irgendwie fragt man sich also dann, ob diese Information, wenn es nur eine geben soll, relevant ist; und dann fragt man sich auch, warum so viele tolle Kuratoren nur darauf gekommen sind. Und endlich fragt man sich, ob das Ziel nicht einfach war, die Flick Collection und Kramlich Collection einmal mehr in einer größeren Ausstellung zu zeigen.
Hamburger Bahnhof „Jenseits des Kinos: Die Kunst der Projektion. Filme, Videos und Installationen von 1963 bis 2005“ Invalidenstraße 50‒51, 29.9.2006‒25.2.2007