between appropriation...

Kunstraum Kreuzberg

2013:May // Anna-Lena Wenzel

Startseite > 05-2013 > between appropriation...

05-2013














Im wabernden Zwischen
/ „between appropriation and interventions"
  im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien


Stellt man eine Ausstellung unter die beiden Begriffe „Aneignung“ und „Intervention“, ist einem ein großes Interesse gewiss. Beide Begrifflichkeiten sind zurzeit heiß im Umlauf – weil mit ihnen – seit geraumer Zeit – das seit den 1960er Jahren virulente Thema „Kunst und Gesellschaft“ aus einer neuen Perspektive verhandelt wird.
Die Frage ist, was jeweils unter den Begriffen verstanden wird. In der Ausstellung werden darunter eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene zusammengefasst: von der künstlerischen Kartierung natürlicher und übersinnlicher Phänomene über die Nutzungen des öffentlichen Raums durch Obdachlose, Skater und Freiluftfeierer bis hin zum Raub von Kunstwerken. Dokumentarische Werke hängen neben einer Arbeit, die direkt in den Ausstellungsraum eingreift. So hängt beispielsweise das Foto der israelisch-palästinensischen Mauer – einer architektonischen Intervention – neben Fotos in spektakulärer 3D-Optik, die die „subkulturellen“ Interventionen von Skatern festhalten.

Im Gegensatz zu den 1960er und auch 1990er Jahren, in denen der Begriff der Interventionskunst vor allem für politisch-soziale Interventionen verwendet wurde, sind viele der gezeigten Eingriffe weniger radikal und struktur-verändernd als subtil und dokumentarisch. So zum Beispiel die „electromagnetic recordings“  von Christina Kubisch: acht Aufnahmen elektromagnetischer Felder an öffentlichen Orten, die sie in visuelle Grafiken übersetzt hat. Auch die Zeichnungen des „Kottis“ von Larissa Fassler sind subjektive Aufzeichnungen ihrer Eindrücke und Beobachtungen des Kottbusser Tors, aber noch keine direkten Eingriffe vor Ort. Auch die Arbeiten, die mystische Kräfte beschwören, wie die Installationen und Collagen von Nina Mücke, greifen nicht direkt ein, sondern versuchen Energieflüsse darzustellen. Über sie heißt es im Begleittext: „…(durch) Nina Mückes minimalistische Interventionen werden öffentliche Orte und Räume energetisch aufgeladen … Die Objekte und Fotos werden zu Empfängern, Sendern und Trägern spezifischer Energien, die auf kosmische und kristalline Strukturen universaler Ordnung verweisen.“ Ohne spezifisches Hintergrundwissen über kosmische Strahlungen etc. fällt es allerdings schwer, sich diesen Energieaustausch vorzustellen. Stärker visuell funktioniert dagegen die Videoarbeit von Grazia Toderi „Rosso (Red)“ – die Aufnahme einer Stadt bei Nacht –, auch wenn sie ebenfalls versucht, Verbindungen zwischen Städten und kosmischen Elementen darzustellen und sich damit in einen Zwischenraum aus Realität und Fiktion begibt.
Neben diesen recht abstrakten Übersetzungen von Ereignissen und Energien im öffentlichen Raum in Zeichnungen und Fotografien gibt es aber auch Arbeiten, die sich konkreteren Phänomenen widmen, wie die Fotografien von Obdachlosenbehausungen („Mobile Homes“) von Christine de la Garenne. Versteckt hinter Brückenpfeilern oder Hecken sieht man ihr Hab und Gut. Entgegen den üblichen Nutzungsweisen wird hier das „Draußen“ zu einem Haus. Aber kann deswegen schon von einer Aneignung gesprochen werden? Ist die Praxis der Obdachlosen dafür nicht viel zu riskant? Ähnlich fragwürdig ist das utopische Potential der Feiercrew, die Gaëlle Boucand in seinem Film „Gone to Croatan“ einfängt. Zwar wird auch hier öffentlicher Raum angeeignet, entsteht eine Gemeinschaft der Feiernden, doch wie nachhaltig sind diese temporären Zusammenschlüsse?

Einzig Andreas Sell fällt aus der Reihe. Er ist der einzige Künstler, der in bestehende Strukturen interveniert. Für „Gestohlenes Bild“ entwendete er ein Bild aus einer Ausstellung, um es nach drei Wochen wieder zurückzubringen. Im Ausstellungsraum ist diese Arbeit lediglich in Form eines Hinweisschildes präsent, auf dem neben dem Titel eine kurze Erklärung steht. Philipp Fürhofers direkte, temporäre Intervention in den Ausstellungsraum – eine Zeichnung ans Fenster des Ausstellungsraumes – kann dagegen an Konsequenz und Witz nicht mithalten. So wie die Ausstellung nicht mit den hohen Erwartungen mithalten kann, die sie mit den Begriffen in ihrem Titel weckt. Zwar wird sich damit herausgeredet, dass es um das Zwischen geht. Doch wird das „Zwischen“ hier als Freifahrtsschein dafür genutzt, eine beliebige Auswahl an Arbeiten zu versammeln, die sich alle irgendwie unter den Untertitel „Realitäten / Bedingungen / Normen / Positionen / Transformationen“ subsummieren lassen. Das ist aber noch kein schlüssiges Konzept und spiegelt sich in der recht divergierenden Auswahl an Positionen wider, die zwar mit einigen bekannten Namen wie Carsten Höller oder Cyprien Gaillard aufwarten kann, aber deswegen noch lange nicht automatisch gute Arbeiten versammelt.

„between appropriation and interventions – Realitäten / 
Bedingungen / Normen / Positionen / Transformation“,
Kunstamt Kreuzberg/Bethanien, Mariannenplatz 2,
10997 Berlin, 9.3.–21.4.2013

Sebastian Denz "SCENE 12, Ben Thé (FS Smith Stop)", Geneva 2007 (© Courtesy Kunstamt Kreuzberg / Bethanien)
Microtime für Seitenaufbau: 1.26392006874