Ungersabriss / IBA 87

Townhouses für den sozialen Wohnungsbau

2013:May // Stephanie Kloss

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05-2013
















Gebaute Gedanken
/ Townhouses für den sozialen Wohnungsbau

Während des Grundstudiums Architektur an der TU Berlin war die IBA ’87 Pflicht.Wir pilgerten im Jahr 1989 von der Rauchstraße, in der wir zum ersten Mal ökologisches Bauen bestaunten, zum Lützowplatz mit seinen postmodernen Wohnhäusern von Botta, Cook und unserem Professor Jansen. Auf der anderen Seite des Platzes stand der Wohnblock von O M Ungers, ein Must für jeden Architekturstudenten: Townhouses – damals noch Stadtvillen genannt – für den sozialen Wohnungsbau.

Heute, 25 Jahre später, ist nichts mehr zu sehen, der gesamte Ungers-Block wurde sukzessive abgerissen. Der Besitzer, die DIBAG München, kaufte das Gelände und stellte bereits 2001 den ersten Abrissantrag mit der Behauptung, aus Baumängel- und Asbestgründen sei die Sanierung kostspieliger als der Abriss. Die Mieter wehrten sich jahrelang, sonst kaum jemand. Sie waren zuletzt ohne Chance gegen das millionenschwere Baugutachten der Eigentümer, es fehlte ihnen an Mitteln für ein eigenes. Der folgende Vergleich sah großzügige Abfindungen ab 30.000 Euro aufwärts vor. Für den Neubau wurde eine obligatorische Mischnutzung Berliner Machart entworfen, von der konzeptionellen Originalität und der IBA-typischen großzügigen innerstädtischen Wohnqualität des Ungers-Baus ist er meilenwert entfernt.
„Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Sophia Ungers, die Tochter des 2007 verstorbenen Architekten.
Denn im Werk ihres Vaters habe der nun zerstörte Wohnblock eine Sonderrolle eingenommen. Er sei „ein gebauter Gedanke“ gewesen, der „theoretische Überlegungen in ein Statement für die Stadt verwandelte“. In einem mit Kollegen wie Hans Kollhoff und Rem Koolhaas entwickelten Konzept von (West-)Berlin als „Grünem Archipel“ wandte er sich gegen eine Rekonstruktion des historischen Stadtkörpers und sprach sich für eine Planung durchgrünter Stadtinseln innerhalb eines polyzentralen Ganzen aus: Der Garten als Stadt, die Stadt als Garten.
In dem Ensemble am Lützowplatz hat diese urbanistische Utopie Gestalt angenommen. Während sich der sechsgeschossige Bauriegel an der achtspurigen Straßenseite burg­artig abschottete, öffnete er sich zur Hofseite mit backsteinernen Terrassen und Dachgärten. Hier standen auch drei frei stehende Stadtvillen, ein Bautypus, der in den folgenden Jahrzehnten weltweit seinen Siegeszug antreten sollte.
Für West-Berliner Verhältnisse bot der Block am Lützowplatz paradiesische Bedingungen – und das zu Mietpreisen des sozialen Wohnungsbaus. Damit stand er prototypisch für die Internationale Bauausstellung, deren Grundsatz es war, „die Rückgewinnung der Innenstadt als Wohnort“ mit bezahlbarem Wohnraum zu schaffen. „Kritische Rekonstruktion“ war ein weiterer Punkt, angesichts Wohnungsnot und Schlossneubau wirkt dieses Programm heute schon wieder visionär.

Als Versuch, einen im Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Platz durch eine eigenwillige Blockrandbebauung aufzuwerten, ist der Ungers-Bau bereits Ende der achtziger Jahre in die Architekturführer eingegangen. Für den Denkmalstatus hat es nicht gereicht.
Der Chef-Inventarisator des Landesdenkmalamtes prüfte den Denkmalantrag und fand die Vorzeigesiedlung „interessant, aber nicht herausragend und deshalb nicht zwingend denkmalwürdig“. Allerdings meint er, dass ihm für ein endgültiges Urteil möglicherweise noch etwas historischer Abstand fehle.
Von den IBA-Gebäuden, deren architektonische Qualität un­bestritten ist, steht noch keines unter Denkmalschutz.

ohne Titel (© Stephanie Kloss)
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