Norbert Bisky

Haus am Waldsee

2008:Feb // Anne Marie Freybourg

Startseite > Archiv > 02-2008 > Norbert Bisky

02-2008
















In Pressemitteilung und Katalog zur Ausstellung werden gleich die Fronten des Disputes über die Kunst von Norbert Bisky klargemacht: die Begeisterung des Kunstmarktes auf der einen Seite, die bisherige Ablehnung durch die Kunstkritik auf der anderen Seite. Das Haus am Waldsee will diese Ausstellung, die es als erste institutionelle Show des Künstlers anpreist und in der, bis auf zwei Ausnahmen, ausschließlich Arbeiten aus den beiden letzten Jahren gezeigt werden, natürlich nicht als Bedienung des Kunstmarktes verstanden wissen. Stattdessen deklariert es die Ausstellung als Test über das Verständnis der Kunst von Norbert Bisky. Was hier getestet werden soll, ist nicht ganz klar. Sollen wirklich, wie der Katalog verspricht, die gesellschaftlichen und ästhetischen Gründe für die „gespaltene Rezeption“ des Werkes zwischen „Faszination und kritischer Haltung“ aufgedeckt werden? Oder soll erprobt werden, ob eine Ausstellung auch als Testballon funktioniert? Die Ausstellung könnte als Versuchsanordnung auch bedeuten, dass hier getestet werden soll, ob die Kunstkritik nicht doch bekehrt werden kann. Etwa so, als ob es durch das Experiment der Ausstellungskonzeption gelingen könnte, dass die Kunstkritik einsichtig wird und endlich den ästhetischen Wert des Werkes entdeckt. Einige Kollegen der Berliner Kunstkritik vermerken jedenfalls schon positiv die thematische Verschiebung, entdecken die christlichen Wurzeln in Biskys Werk und preisen  die interessante künstlerische Weiterentwicklung.

Um es gleichfalls gleich klarzustellen: diese Ausstellungsbesprechung wählt bei vollem Bewußtsein den schwarzen Peter und wertet die Werke von Norbert Bisky als Kunst der Kategorie gehobener Camp-Kitsch. Da hilft es auch nicht, dass in dieser Ausstellung Werke historischer und zeitgenössischer Künstlerkollegen miteinbezogen sind, um Biskys Motivwahl und Bildstruktur zu kontextualisieren. Im Resultat überzeugt diese Strategie nicht. Man fragt sich eher, was neben dem Bild „Grunewaldsee“ (1998) von Bisky, mit Campingzelt am See und reizenden Pfadfinderjünglingen, ein Gemälde des gleichen Sees von Leistikow soll. Man bekommt fast schon Mitleid mit dem hinzugezogenen schönen Werk aus der Privatsammlung des Galeristen Rudolf Springer. Denn in dieser Ausstellung verkommt das Bild zum Motiv-Sample. Im Vergleich zu Leistikows meisterlichen grünen und braunen Schattierungen und Spiegelungen zeigt das frühe Stück von Bisky deutlich, was den Künstler interessiert. Bisky interessiert das Ambiente des Sommerlagers am See, das den Jungs Freikörperkultur und schwüle Nächte verheißt. Mit Leistikow hat das nichts zu tun. Aber auch sommerliche Atmosphäre, flirrendes Licht und Spannung zwischen den Figuren im Vordergrund und räumlicher Tiefe der Landschaft, wie sie Max Liebermann in seinen Strandbildern mit taziohaften Jünglingen an der See so meisterhaft inszenierte, sind Biskys Sache nicht.

Biskys Blick richtet sich scheinbar auf die Malweise der Pop-Art. Er übernimmt aber nicht deren harte Flächigkeit, sondern greift auf die simple wie süffige Volumentextur der Plakatmalerei zurück. Diese Malweise hat sich in den Bildern aus den Jahren 2006/2007 noch verstärkt. Es werden noch heftiger mit Beige und Braun die body-gestylten Jungmänner moduliert, als sei  die Farbe Sonnenöl. Die billigen Effekte der Plakatmalerei, die auf schnelle Produktion und weiträumige Sichtbarkeit angelegt ist, wurden selbst von sowjetischen Propagandamalern wie Alexandr N. Samochwalow nicht so offensiv benutzt. Er war in der pin-up-haften Darstellung einer jungen Bauarbeiter-Pionierin noch bemüht, das Malerische hervorzuheben. Bisky scheint auf das Malerische zu pfeifen. Wahrscheinlich fragt er sich, was das Malerische heute noch sein könnte, wenn doch auch Havekost oder Rauch mit einer merkwürdigen Flächigkeit durchkommen. Doch macht gerade die Motivik in diesen Vergleichen den entscheidenden Unterschied. Ob die Bilder besser oder schlechter, interessanter oder kitschiger sind, hängt davon ab, ob sie voyeurlastige Makro-Bildausschnitte, verschrobene Traumszenerien oder up-gedatete Pfadfinder-Erotismen zeigen. Bisky malt keine Gay-Softpornos, beutet aber deren Assoziationsfelder aus. Er vermengt Pop-Farbigkeit mit einem Hauch rar gewordener Propagandabildsprache aus den Epochen Stalinismus und Nazismus. Die Chuzpe zu solcher Mischung fasziniert selbstverständlich den Markt und er bewirbt diese start-up Aktie mit grandioser Rendite-Aussicht. Ganz kühl kalkuliert dabei der Handel, dass unsere heutige Gesellschaft genau in dem richtigen Zustand der Lethargie und kleinbürgerlichen Selbstzufriedenheit ist, der bereit macht und öffnet für Kitsch.

Bisky spricht kritisch über die heutige Fixierung der Jugendkultur auf Konsum und behauptet, dass er diese „Konsum-Alpträume“ in seinen Bildern schildert. Dieses kritische Engagement ist aber noch keine Widerlegung der Kitschigkeit der Bilder. Wie es auch nicht zutrifft, dass Kitsch im gesellschaftlichen und sozialen Sinne immer unwahr wäre. Der religiöse Bezug, der im Katalogtext hervorgehoben wird und für Bisky in jedem seiner Bilder grundlegend sein soll, läßt sich nur als gelungen ausgeklügelter Marketinggag verstehen. Oder soll man wirklich Sintflut und Hölle entdecken, wo viel Sperma und Urin fließt und ausführlich sexuelle Gewalt dargestellt wird?

Ebenso ist die vom Künstler behauptete Ironie nicht leicht auszumachen. Wenn es nicht gelingt, im Aufgreifen von Bildmotiven, im Zitieren von Bildformen die kleinste Spur von Ironie, d.h. von Differenz und Distanz erkennen zu können, dann ist eben das Problem, dass zwar der Künstler seine ironische Haltung beteuern mag, aber die Kunst trotzdem kippt. Auch Picabia wollte mit seinen „Cinq Femmes“ (1941–43), die in der Flick-Ausstellung neben Jason Rhodes Arbeiten platziert waren, ironisch eine Erotik der Maschinenmechanik in die Erotik eines Figurenensembles transformieren. Aber er glitt dabei aus und landete in einer Bildsprache, die den zeitgleichen, verherrlichenden Darstellungen deutscher arischer Frauen aufs Haar glich. Wenn Bisky propagandistischen Bildstil zitiert und ihn mit sexuellen Inhalten auffüllt, ist dies auch keine Ironie, sondern fällt unter die Kategorie der Parodie. Wären es wirklich ironische Bilder, würden sie den Betrachter nicht vergnügen. Der parodistische Gestus dieser Bilder ist leicht zu konsumieren und steuert die Begeisterung der Käufer, erklärt sie sogar. Denn dieser Gestus bietet dem Betrachter den unnachahmlichen Thrill, Gewaltassoziationen und Pornografiereferenzen im Stil weichgespülter Politpropaganda betrachten zu können.

In West-Berlin erinnert die Malerei Norbert Biskys in ihrem psychologischen Habitus an den auftrumpfenden und manchmal selbstgefälligen Gestus von Elvira Bach, Rainer Fetting oder Salomé. Diese Künstler haben zwar nichts für die Malerei getan, aber damals treffend das Lebensgefühl einer müden Metropole bedient und viel Geld auf dem Kunstmarkt verdient.

Norbert Bisky „Ich war’s nicht“
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30
02.11.2007–13.01.2008

Der Artikel erschien in ungekürzter Fassung auf www.artnet.de, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Norbert Bisky, „Michelsdorf“, 2007 (© Courtesy Galerie Crone, Berlin; Leo Koenig Inc., New York; © VG-Bild Kunst Bonn 2007, Foto: Bernd Borchardt)
Francis Picabia, „Cinq Femmes“, 1941-1943 (© VG-Bild Kunst Bonn, Courtesy Friedrich Christian Flick Collection)
Microtime für Seitenaufbau: 1.29097890854