Künstler und Geld / Ein Aufruf

2008:Feb // Andreas Koch

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02-2008
















Wenn man vom Flughafen Tegel nach Mitte will, führt ein Weg durch die Lehrter Straße. Dort fällt rechterhands ein riegelartiges Gebäude auf, das unmittelbar an die Straße angrenzt. Das aus Sichtbeton gegossene Haus mit großen eingelassenen Panoramafenstern ist das neue Atelierhaus der Künstlerin Katharina Grosse. Es steht für einen Wandel im Berliner Kunstbetrieb, der in den letzten Jahren große Summen Geld nicht zuletzt in die Taschen der hiesigen Künstler gespült hat. Der Markt brummt immer noch und die Künstler rüsten auf. Auffallend an dem neuen Atelierhaus der eben nach Berlin gezogenen Grosse ist die Ähnlichkeit mit dem Galerienhaus, das sich der Berliner Kunsthändler Heiner Bastian an der Museumsinsel gebaut hat. Beide Gebäude sind quaderähnliche Klötze mit großzügigen Fensterflächen. Trotzdem haben beide Häuser etwas Trutzburghaftes und verschließen sich in ihrem monolithischem Auftreten ihrer Umgebung. 

Von den zirka 5000 ernsthaft arbeitenden bildenden Künstlern in Berlin können nach Schätzungen mittlerweile 500 sehr gut von ihrer Kunst leben. Das sind immerhin zehn Prozent, vor drei Jahren waren es nach Aussagen des bbk Berlin nur die Hälfte. 50 dieser Künstler müssten, wenn man die Verkäufe hochrechnet mindestens Millionäre sein. Das sieht prozentual immer noch nach der Vermögensstruktur einer mittelamerikanischen Bananenrepublik aus und tatsächlich zeichnete sich der Kunstbetrieb noch nie durch eine ausgewogene, soziale Verteilung von Geld aus. Wahrscheinlich ist die bildende Kunst der ungeschützteste und urkapitalistischste Zweig der Kulturlandschaft. Jeder Künstler ist sein eigener Chef und manche sind eben die besseren. Das war schon immer so und soll hier auch nicht in Frage gestellt werden. Neu ist jedenfalls der relative Reichtum von immer mehr aber immer noch wenigen Künstlern. Dass der Großteil nicht unter dem Existenzminimum lebt, liegt an den zahlreichen Jobs und Nebenjobs, die die gut geölte Kunstkonjunktur mit sich bringt. 

Neu ist die vermehrte Sichtbarkeit des Geldes von Künstlern, denn Katharina Grosse ist nicht die Einzige, die ihre Arbeitsräume den Anforderungen der Nachfrage anpasst. Karin Sander plant auf dem gleichen Gelände mit Kollegen ein eigenes Atelierhaus. Olafur Eliasson kaufte sich einen Teil der ehemaligen Brauerei am Pfefferberg und plant dort umfangreiche Arbeits-, Schul-, und Wohnräume für sich und seine um die 40 Mitarbeiter. Michael Elmgreen und Ingar Dragset beziehen im Februar diesen Jahres eine umgebaute Wasserpumpstation in Neukölln und richteten neben einer zehn Meter hohen Multifunktionshalle ebenfalls Wohn- und Büroräume ein. Solange die erfolgreichen Künstler ihr Geld für eine verbesserte Arbeitssituation einsetzen, ist das völlig in Ordnung, zumal sie eben auch Arbeitsplätze für die weniger Erfolgreichen schaffen. Die Frage wird sein, wie sie mit dem in den neuen Studio- und „Fabrik“-Gebäuden akummulierten Kapital umgehen werden. Denn gerade die Künstler haben als wesentliche Nutznießer des Kunstbooms auch eine Verantwortung für eine aktive Gestaltung und Belebung der Berliner Kunstlandschaft – auch über ihre eigentliche künstlerische Arbeit hinaus. Der glückliche Umstand, dass wegen ihrer Arbeit viel Geld aus den Händen europäischener, amerikanischer oder russischer Wirtschafts- und Geldadeldynastien nach Berlin fließt, ist vielen Faktoren geschuldet und sollte für Besseres genutzt werden, als dorthin zurückzufließen, wo es her kam, nämlich in die üblichen An­lageformen wie Immobilien oder Aktienfonds. 

Künstlerburg versus Sammlerburg, das sagt auch einiges über das Verhältnis zwischen erfolgreichen Künstlern und ihren Käufern, denn so gut sie sich vor allem in der Öffentlichkeit verstehen, so abhängig und gespannt ist die Beziehung oft untereinander. Wahrscheinlich ist der Kunsthandel das zweitälteste Gewerbe der Welt. Die Sammler sichern sich über ihr finanzielles Engagement Aufmerksamkeit und punktuelle Liebe, oft fehlt es aber an Anerkennung, wie man am Umgang mit der Flick-Collection in der Medienöffentlichkeit sehen kann. Jeder Künstler lässt sich kaufen, aber hinter vorgehaltener Hand tauchen dann doch moralische Bedenken auf. Dahinter stecken Reste von Skepsis gegenüber dem Kapital – eine Skepsis, die aus jüngeren Jahren herrührt, denn auch der reichste Künstler hat meist arm angefangen. Das Geld kam relativ schnell und plötzlich, die Haltung bleibt aber zunächst noch die alte. Und an diese müsste vermehrt appelliert werden: 

Deshalb, liebe wohlhabende Künstler, ob Millionäre oder nicht, sammelt selbst Kunst und davon viel. Gründet Stiftungen und fördert arme Künstler. Finanziert unabhängige Ausstellungsräume und Kunsthallen. Stiftet Preise und Stipendien. Zahlt eure Mitarbeiter gut. Gründet Schulen und Zeitungen. Fördert Kataloge und baut Verlage auf. Nehmt einen Teil des Betriebs selbst in die Hand und überlasst ihn nicht anderen, die weniger davon verstehen und sich nur mit euch schmücken. Erst dann solltet ihr euch auch eine Villa im Tessin oder sonstwo leisten.
Nach einem Plakat von Klaus Staeck, 1972, Orginaltext: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ (© Andreas Koch, 2008)
Atelierhaus Katharina Grosse, Berlin (links) und Galeriehaus am Kupfergraben, Berlin (rechts) (© Fotos: vonhundert)
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