Space Chase

Magnus Müller

2008:Feb // Peter K. Koch

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02-2008
















„Space chase“ nennt Petra Reichensperger die von ihr kuratierte Ausstellung in der galerie magnusmüller. Space chase? Das müssen wir uns genauer anschauen. Gut, space ist begrifflich ein Alleskönner. „Space“ bedeutet einfach mehr als der deutsche „Raum“. Wenn der „Raum“, im Kunstkontext für den Ausstellungs- oder Publikationstitel verwendet wird, klingt das schnell piefig, akademisch, mitunter belehrend. Bei „Raum“ denkt man an Raumbelegungspläne, Raumpflege, Klassenraum. Da ist man dann in „our globalized art world“ verständlicherweise schnell mit dem englischen space bei der Hand. Bei „chase“ musste ich dann doch sehr viel länger überlegen: to chase = hinterherjagen, nachjagen, verfolgen. Aus den amerikanischen Filmen kenne ich „a car chase“, die (Auto-)Verfolgungsjagd. „Space chase“ bedeutet also „Raum hinterherjagen“ oder „Hinter dem Raum herjagen“ oder auch „Raumverfolgung“; oder verkürzt „Raumjagd“. Aber nein! denke ich, im Bereich der Künste heißt „to chase“ ja meißeln oder ziselieren. „Raummeißelung“ also! Ein bildhauerischer Begriff. Das ist es. Falsch? Kein Problem. Der Pressetext gibt Aufschluss:

„Nichts scheint also näher zu liegen, als die Raum-Jagd und den ihr zugrunde liegenden Gestaltungswillen aus der Perspektive der gegenseitigen Dynamisierung von unterschiedlichen Ausdrucksformen ins Zentrum einer Ausstellung zu rücken: Wie verhält sich der Architekturraum zum Bewegungsraum, wie der Illusionsraum zum Sprach- und Denk­raum, wie die Raumfolge einer Galerie zum Idealraum? Welche Raumsituation löst welche emotionale Wirkung aus?“

Das klingt im ersten Moment zwar etwas kompliziert und man bewegt sich deshalb bei der Lektüre nah am intellektuellen Schleudertrauma, aber ein thematisch interessanter Untersuchungsansatz ist das allemal. Vielleicht lässt die Ernsthaftigkeit des hier in zwei Sätzen zusammengefassten Themas aber auch keine andere Formulierung zu. Künstlerische Raumforschung ist eine ernste Angelegenheit. Und die gegenseitige Dynamisierung von unterschiedlichen Ausdrucksformen ist es aus kuratorischer Sicht auch. Die Kunstgeschichte bestimmt die Gangart, die „pace“. Die Zeitgenossen hecheln hinterher. „Trying to catch the dimensions“. Man muss sich anlehnen, um nicht umzufallen.

Das Raum-Thema ist unendlich und unfassbar, deshalb hochinteressant und immer brandaktuell. Junge Künstler forschen massenhaft über die Neudefinition räumlicher Systeme, über Raumrezeption, Raumtheorie bzw. Raumpraxis; mühen sich tagtäglich ab am Raum. Blood, sweat  and space. Wir jagen den Raum! Eine Ausstellung zu diesem Thema muss deshalb unweigerlich ein ziemlich großes Fass anschlagen. Und hier wird es in meinen Augen schwierig. Denn wenn das kuratorische Konzept von der schieren Größe des Denkansatzes mit der dahinter lauernden Ambition mindestens das Zeug hat, ein stattliches Museum mittlerer Größe und Potenz zu füllen, dann kann es passieren, dass sich die in dieses Korsett eines einigermaßen schwer bespielbaren Galerieraums in Berlin-Mitte hineingezwängten und so zwangsläufig etwas benutzten künstlerischen Arbeiten unwohl fühlen. Emotionaler gesprochen: Beim Besuch und der Betrachtung der Ausstellung findet man zu wenig unmittelbar fühlbaren Raum, dafür sehr viel gedachten Raum. Es knirscht in der Raummechanik und so entsteht, gemessen am eigenen Anspruch, ein leichter inhaltlicher Durchzug. Es beschleicht einen das Gefühl, dass die einzelnen Arbeiten Funktionen übernehmen sollen, die weit über das hinausgehen, was ein autonomes Kunstwerk leisten sollte. Gegenseitige Dynamisierung ist hier das Zauberwort, was bedeutet, dass die singuläre Arbeit zum Mittel für den Zweck verkommt. Der Künstler ist in diesem System nicht Berufener der eigenen Unbedingtheit, sondern Kulturproduzent für einen intellektuell gesetzten Überbau. Dazu nochmal der Pressetext:

„Heute jagen Kulturproduzenten der Raumerschließung, der Raumerweiterung und manchmal auch der Raumverengung hinterher. Sie sind Jäger und Gejagte – getrieben von der Suche nach Selbstbestimmung und Transformation.“

Das sprengt den Raum.

Space Chase, kuratiert von Petra Reichensperger
Galerie magnusmüller
Weydingerstraße 10/12
19.11.2007–09.02.2008

„Space Chase“, Ausstellungsansicht (© Galerie magnusmüller, Berlin)
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