Paola Yacoub, Michel Lasserre

Mars

2008:Feb // Julia Gwendolyn Schneider

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02-2008
















Betritt man die ehemaligen Kreuzberger Fabriketage gibt es zunächst keinerlei Kunst zu sehen. Die Arbeit von Paola Yacoub und Michel Lasserre ist ausschließlich auf der weißen Rückwand im angrenzenden Raum installiert. Diese konzentrierte, verborgene Präsentationsform erzeugt sofort Aufmerksamkeit für ein ansonsten gänzlich nüchternes Szenario. Ein Aufenthaltsraum mit dunklen Möbeln und weißen Stehlampen, ein Speisesaal mit drei gedeckten Tischreihen, ein Korridor mit Säulen, ein Gang in Richtung Porzellanzimmer, ein Treppenhaus mit Spiegel und ein weiterer Flur beschreibt im Wesentlichen das, was auf den sechs menschenleeren Farbfotografien bei der Eröffnungsausstellung von mars zu sehen ist. In der Flashfilm-Montage über den Fotoarbeiten schieben sich aus einem Stapel langsam vier Bilder heraus und wandern über den Monitor. Wie im Vorbeigehen geknipst, zeichnen sich unterschiedliche Details einer noblen Lobby aus schiefen Blickwinkeln ab.

Was aber wollen diese Fotografien sagen, die im Kempinski Hotel Berlin aufgenommen wurden? Auf der Suche nach weiteren Informationen stößt der Blick auf eine Art Gedenktafel, die sich am rechten Rand der fotografischen Reihe befindet. Fidel Castro, Konrad Adenauer, J.F. Kennedy, Ludwig Erhard, Willy Brandt, Walter Scheel, Henry Kissinger, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow sind mit ihrem jeweiligen Aufenthaltsjahr gelistet. Anders als auf der offiziellen Hotelwebseite, die ein breites Spektrum berühmter Persönlichkeiten als treue Gäste nennt, werden nur politische Machthaber aus einer ganz bestimmten Ära aufgeführt. Die bewusste Text- und Bildwahl verdeutlicht, dass Hotels oft zufällig zu Zeugen von Ereignissen werden, die ihren Namen in die Geschichte eingehen lassen. So gesehen ist das Kempinski nicht nur ein Luxushotel, sondern auch ein Denkmal des Kalten Krieges. 

Als architektonisches Zeugnis der vergangenen Periode des Kalten Krieges könnte das Gebäude viel über jene Zeit erzählen, in der die Welt in zwei verfeindete Hälften geteilt war. Die Hotelfotos gehen zwar scheinbar in der vorgegebenen Bedeutungsprojektion auf, doch lösen sie sich im nächsten Augenblick wieder von ihr. Sie verwischen die Vorstellung einer eindeutigen Lesart und verdeutlichen am Ende vor allem eins: Yacoub und Lasserre sind Bildskeptiker. Ihre Architekturthematisierungen drehen sich rund um das Bild: Seinen Status, seine Aufnahmebedingungen und seine kontextuelle Rezeption. Dabei ist es die Unterbrechung der Welt der schnellen Eingängigkeit und Mittelbarkeit, die ihre Arbeitsweise auszeichnet und verdeutlicht, dass das politische Potential vielleicht eher im ästhetischen als im dokumentarischen Realismus liegt.
Ihr Skeptizismus rührt aus der Erfahrung des Libanonkrieges und dem Wunsch sich bewusst mit dem emotionalen Einfluss von Nachrichten auf die Wahrnehmung von Bildern und Orten auseinanderzusetzen. Aus dieser Stimmung heraus entwickelten sie o.v. (Original Version, 2003–2006): ein komplexes editorisches Projekt bestehend aus Flashanimationen in denen Architekturfotografien aus verschieden Städten zusammen mit Auszügen aus der aktuellen Weltpresse eine Antwort auf die Nachrichten der Woche formulieren. In der Erweiterung arbeiten sie nun an dem Langzeitprojekt Newsletter, das erneut Formate zur kritischen Bildbetrachtung entwirft. Hotels in Kriegszeiten gehört zu den Fallsammlungen des Newsletterprojektes in der neben dem Kempinski Hotel zum Beispiel auch das Quartier des Hôtels in Beirut auftaucht. Die Reflexionen über die heutige Welt werden international mit einem Verbund von Kunstinstitutionen durchgeführt und dabei ständig erweitert, so dass das Projekt in seiner Gänze nie an einem Ort zu sehen ist. Somit bleibt am Ende immer die Spekulation darüber, wie sie die Verkettung von Bildern und Texten in abgewandelter Form erneut auf die Spitze treiben.

Paola Yacoub und Michel Lasserre
„Das Kempinski Bristol Hotel Berlin“
Mars
Köpenicker Straße 147
27.10.–15.12.2007
Paola Yacoub und Michel Lasserre „Kempinski Bristol Hotel Berlin“ (© Courtesy Mars, Berlin)
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